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Wie die 4 Bindungstypen die Kita-Eingewöhnung prägen können

Pädagogische Fachkraft und Kind spielen im Kindergarten.
Ob und wie sich dein Kind in der Eingewöhnung auf die Bezugsfachkraft einlassen kann, ist immer auch ein Hinweis auf seinen Bindungstypen. / Bild © Krakenimages.com, Adobe Stock.

Wusstest du, dass die Art, wie dein Kind Bindungen aufbaut, einen direkten Einfluss auf die Kita-Eingewöhnung haben kann? Wir zeigen, was es damit auf sich hat und was du wissen musst.

Vorweg – Wichtiges über diesen Artikel

Bitte betrachte diesen Artikel lediglich als Impuls und vermeide, dein Kind, dich oder die Bindungstypen in irgendeine Schublade zu stecken oder dir unnötige Vorwürfe zu machen.

Wir möchten dir lediglich Bowlbys Konzept vorstellen. Jede Eingewöhnung und Entwicklung ist IMMER individuell und ganzheitlich zu betrachten. Sie lässt sich niemals in eine Schublade stecken.

Bitte bedenke das, ehe du weiterliest.

Die Bindungstheorie: einfach erklärt

Das Konzept der Bindungstheorie wurde vom englischen Psychoanalytiker und Kinderpsychiater John Bowlby (1958) geprägt. 

Kurz gesagt beschreibt es, dass die Erfahrungen, die das Kind im ersten Lebensjahr mit seinen Eltern macht, bestimmen, wie es alle weiteren Beziehungen in seinem Leben eingeht. 

In der Bindungstheorie wird zwischen primärer und sekundärer Bindungsperson entschieden. 

Die beiden Bindungspersonen

Nach dem Modell ist die Person die primäre Bindungsperson für das Baby, die ihm nach der Geburt am meisten Liebe, Nähe, Geborgenheit, Fürsorge, Pflege und Zeit schenkt. Für das Kind hängt sein Überleben von dieser Person ab, da sie seine Grundbedürfnisse erfüllt. 

Die sekundäre Bindungsperson ist die Person, die nach der primären am meisten Zeit für das Baby aufwendet. Je nach Familienkonstellation kann das also auch die Tante, die Oma oder der Freund des Papas sein. Das ist bei Patchwork-Familien oder bei Müttern oder Vätern, die alleinerziehend sind, häufig der Fall.

In den meisten Familien sind die Bindungspersonen die beiden Elternteile. 

Warum Bindungspersonen übrigens nicht dasselbe wie Bezugspersonen sind, kannst du noch einmal hier nachlesen, wenn du möchtest:

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Laut der Bindungstheorie erlebt das Kind sich bis etwa zum 15.-18. Lebensmonat als Einheit mit den Bindungspersonen. Erst in der Autonomiephase versteht es sich allmählich als Individuum mit eigenen Bedürfnissen, Vorlieben und Wünschen. Diese Zeit der schrittweisen, langsamen Ablösung der Eltern ist deshalb unglaublich wichtig für die Kindesentwicklung.

Wird das Kind in der Kita eingewöhnt, macht es also Sinn, das Konzept der Bindungstheorie und die 4 Bindungstypen dabei immer mal wieder im Hinterkopf zu haben.

Genauso bedeutet es aber auch …

Das Kind mit seinem Bindungsverhalten passt in keine Schublade!

Sei dir darüber bewusst, dass das kindliche Bindungsverhalten individuell gesehen werden sollte. Es entwickelt sich zwar innerhalb des ersten Lebensjahres durch die Bindungserfahrungen zwischen Baby und Eltern, ist aber veränderbar. 

Jeder Mensch kann im Laufe seines Lebens neue Bindungserfahrungen sammeln und dementsprechend neue Bindungsmuster verinnerlichen. 

Selbst wenn du dein Kind in bestimmten Aussagen wiederfindest, bedeutet das nicht, dass es automatisch Bindungstyp XYZ ist.

Bitte bedenke das, ehe du innerlich zu schnell Schlüsse ziehst oder dich und dein Kind in Schubladen steckst. 

Bitte sieh unsere gewählten Beispiele für die 4 Bindungstypen nach Bowlby deshalb nicht als pauschale Aussage, sondern lediglich als Inspiration oder ein Beispiel.

Der sicher-gebundene Bindungstyp

Ein Kind mit sicher-gebundenem Bindungstyp sieht seine Eltern als sichere Basis an. Es hat gelernt, dass feinfühlig auf seine Bedürfnisse eingegangen wird und seine Umwelt verlässlich und sicher ist. 

Diese Kinder haben meist eine gute Selbstempfindung, da sie von Anfang an in ihren Bedürfnissen ernst genommen wurden. 

Beispiel: 

  • Zu Beginn der Eingewöhnung sucht Luca aktiv die Nähe und Sicherheit der Eltern. Sie verschafft sich dort zunächst einen Überblick, ehe sie alleine aktiv wird. 
  • Wenn andere Kinder oder Spielsituationen interessant sind, geht sie mutig dorthin und kommt in ihrem Tempo wieder zu ihren Eltern zurück. 
  • Der Beziehungsaufbau zur Bezugsfachkraft verläuft in ihrem Tempo. 
  • Wenn die Eltern den Raum verlassen, ist Luca bei der Trennung traurig und freut sich sichtlich, wenn sie zurückkommen.

Der unsicher-vermeidende Bindungstyp

Kinder mit unsicher-vermeidendem Bindungstyp haben eher gelernt, dass ihre Eltern nicht ausreichend oder angemessen auf ihre Bedürfnisse eingehen. Sie haben daher den Mechanismus entwickelt, Bedürfnisse tendenziell zu unterdrücken. Das kann auch große Auswirkungen auf das kindliche Selbstwertgefühl haben („Ich bin nicht gut genug.“, „Ich bin es nicht wert.“)

Laut Bowlby sind die Eltern von unsicher-vermeidendem Bindungstyp häufig Menschen, die ihre (vor allem negativen) Gefühle nur gering zeigen und äußern. 

Beispiel:

  • Sascha zeigt wenig Reaktion bei den ersten Trennungsversuchen. Er wirkt weder beunruhigt noch macht er Anstalten, die Eltern zu vermissen. Er akzeptiert die Bezugsfachkraft auffallend schnell als Ersatz.
  • Insgesamt ist sein Wesen eher neutral. Während der Spiel- und Erlebniszeit tendiert er dazu, seine Bedürfnisse zu unterdrücken und passt sich zügig an. 
  • Als die Eltern wiederkommen, ignoriert Sascha sie oder nimmt sie neutral wahr, ohne direkt aktiven Körperkontakt zu suchen.

Der unsicher-ambivalente Bindungstyp

Kinder, die unsicher-ambivalent an ihre Eltern gebunden sind, zeigen, wie das Wort schon sagt, ein ambivalentes Verhalten bei Trennungserfahrungen. Ihre Reaktionen können zwischen einem starken Nähebedürfnis und Ablehnung pendeln. 

Meist ist das Kind sehr stark auf seine primäre Bindungsperson fixiert und kann nur in ihrem Beisein „sicher“ spielen und die Welt erkunden. Die Bindungsperson ist durch die frühen Erfahrungen allerdings gleichzeitig nicht wirklich verlässlich für das Kind (es spiegelt diese Ambivalenz dann durch sein Verhalten wider). Auch hier besteht eventuell eine Unsicherheit der Eltern, negative Gefühle ausreichend zuzulassen.  

Da die Eingewöhnung dann häufig ebenfalls sehr ambivalent verläuft, kann sie sich ziehen. 

Beispiel:

  • Kim zeigt bei den ersten Trennungsversuchen leichte Wut. Kommen die Eltern zurück, ignoriert Kim sie entweder oder sucht starke körperliche Nähe. 
  • Bei kommenden Trennungsversuchen zeigt sie plötzlich ein sicheres Verhalten.
  • Nach einigen Tagen ist sie völlig verzweifelt. 
  • Wenn die primäre Bindungsperson abwesend ist, hat Kim möglicherweise Schwierigkeiten, frei zu spielen oder sich mit etwas zu beschäftigen. 
  • Diese Tendenz schwappt möglicherweise auf die Bezugsfachkraft über: Kim ist eingewöhnt, weiß in der Kita aber nichts mit sich anzufangen, als die Bezugsfachkraft krank wird. 

Der desorganisierte Bindungstyp

Dieser Bindungstyp ist für Kinder besonders gravierend, da er die schädlichsten Folgen im weiteren Entwicklungsverlauf haben kann. Kinder mit diesem Bindungstyp haben gelernt, dass ihre Eltern unvorhersehbar auf ihre Bedürfnisse reagieren, nicht verlässlich sind und Bindungen generell instabil sind. 

Häufig kam es hier auch zu traumatischen Erlebnissen in der Eltern-Kind-Beziehung, bis hin zu Gewalt. 

Beispiel:

  • In Trennungssituationen reagiert Mika unvorhersehbar und widersprüchlich. 
  • Er hat insgesamt eine starke Unfähigkeit, sich zu äußern, „erstarrt“ häufig oder hat wiederholte motorische Bewegungsmuster. 

Wenn du das jetzt gelesen hast, spürst du vielleicht schon, dass es etwas mit dir macht. Doch wir möchten dich ermutigen …

Welche individuellen Faktoren du immer mitbedenken solltest 

Denn wenn eure Eingewöhnung aktuell ungewöhnlich lange oder erschwert läuft, dann muss das nicht zwangsläufig nur ein Zeichen eines eher unsicheren Bindungstypen sein. 

Mitbedenken solltest du unbedingt auch:

  • Die individuelle Persönlichkeit: Sie bestimmt ebenfalls mit, wie die Eingewöhnung verläuft oder wie dein Kind Bindungen eingeht. Je nach Temperament, Vorlieben und Interessen kann sich hier alles zeigen.
  • Individuelle neurologische Voraussetzungen: Auch wie das Gehirn des Kindes funktioniert, spielt eine Rolle. Eine Tendenz zu Neurodivergenz oder zu ADHS oder Autismus-Spektrum-Störung lässt sich im frühen Kindesalter meist nicht vollständig diagnostizieren, da das Gehirn des Kindes noch im Aufbau ist. Doch diese individuellen neurologischen Voraussetzungen können bei den Reaktionen des Kindes auf die Eingewöhnung genauso eine Rolle spielen.
  • Andere Erfahrungen frühester Kindheit: Hat dein Kind belastende oder gar traumatische Erfahrungen mit Bezugspersonen oder Fremden gemacht, kann das natürlich auch die Eingewöhnung beeinflussen. Auch ein Unfall des Kindes oder eine andere angstbesetzte Situation kann sich hier auswirken. 
  • Weitere Veränderungsprozesse: Manchmal steckt das Kind während der Eingewöhnung mitten in einem Entwicklungs- oder Wachstumsprozess. Auch die Geburt des Geschwisterchens oder einfach eine schlechte Schlafphase können das Ganze beeinflussen.
  • Die Kita-Situation: Egal, ob es sich dabei um die anderen Kinder, eine plötzliche Erkrankung der Bezugsfachkraft, den Personalschlüssel oder die Herbstferien handelt: Alles kann, muss aber nicht die Eingewöhnung beeinflussen. 

Wichtig: Bowlbys Konzept ist nur ein Konzept.

Bitte betrachte diesen Artikel lediglich als Impuls und vermeide, dein Kind, dich oder die Bindungstypen in irgendeine Schublade zu stecken oder dir unnötige Vorwürfe zu machen.

Entwicklungen, wie auch der Bindungsaufbau, sind immer individuell zu betrachten. Es gibt nicht die eine Ursache für ein bestimmtes Verhalten oder den Ablauf einer Eingewöhnung.

Wie oben bereits beschrieben, ist alles im Leben multifaktoriell bedingt (hängt von der Lebensrealität, der Persönlichkeit des Kindes und vielen, vielen weiteren Faktoren ab).

Was bedeutet das für die Eingewöhnung?

Falls es bei der Eingewöhnung nicht so läuft, wie gewünscht, empfehlen wir dir …

Gib deinem Kind weiterhin Zeit und Geduld. Selbst wenn sich das Ganze über 2 Monate ziehen sollte – und ja, wir wissen, dass das eine sehr lange Zeit ist, die viele Nerven und Kräfte von dir abverlangen wird. 

Letztlich gewöhnt sich das Kind selbst ein: Es gewöhnt sich an den neuen Zustand, die neuen Bezugspersonen in seinem Leben, die neue Umgebung und die neuen Umstände.

Das alles in seinem Tempo und mit den Schritten (ob vor oder zurück), die es braucht, damit es vollständig, nachhaltig und sicher in der Kita ankommen kann. 

Halte am besten auch regelmäßig Rücksprache mit dem Kita-Personal. Sie kennen sich mit Eingewöhnungen aus und können dir Hinweise geben und bei Fragen, die du hast, zur Seite stehen.

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Tipp einer pädagogischen Fachkraft: Häufig geht eine zähe Eingewöhnung dann voran, wenn man als Elternteil nach einer langen Verzweiflungsphase bereits nach Alternativen sucht. Es scheint wie Zauberei, aber meist spürt das Kind genau dieses “innere Loslassen” der Eltern und Fachkräfte – und siehe da: Plötzlich klappt es!

Fazit

Die 4 Bindungstypen als Eltern zu kennen, macht für die Eingewöhnung auf jeden Fall Sinn. 

Dennoch sind sie nicht der einzige Faktor, den Eltern bei der Eingewöhnung bedenken sollten. Bei einem solchen Prozess kommen viele individuelle Dinge zusammen.

Wenn du deinem Kind viel Zeit gibst und ihm eine verlässliche Bindungsperson bist, die auf seine Bedürfnisse feinfühlig eingeht, bist du immer auf der sicheren Seite. 

Quellen

  • Davies, Uzodike, van Loon, Wirth (2022). Das Montessori Baby. Geborgen und mit offenen Sinnen ins Leben starten. Weinheim: Verlagsgruppe Beltz.
  • Largo, Remo H. (2016). Babyjahre. Entwicklung und Erziehung in den ersten vier Jahren (18. Auflage). München/Berlin: Piper Verlag GmbH.
  • Perls, Frederick S., Hefferline, Ralph F., Goodman, Paul (2015). Gestalttherapie. Grundlagen der Lebensfreude und Persönlichkeitsentfaltung. (9. Auflage). Stuttgart: Klett-Cotta Verlag.
  • Verlag Herder GmbH, Susanne Stegmeier (2021): Grundlagen der Bindungstheorie. https://www.kindergartenpaedagogik.de/fachartikel/psychologie/grundlagen-der-bindungstheorie/ (abgerufen am 05.11.2024).
Veröffentlicht von Leonie Illerhues

Leonie war nach ihrem Studium der Heilpädagogik lange im Schulhort-, Kita- und Krippenbereich tätig. Erziehungs- und Entwicklungsthemen im Baby- und Kleinkindalter sind deshalb ihr Steckenpferd. Seit 2022 ergänzt Leonie unser Team mit diesem Schwerpunkt.

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