Altersfreigaben bei Kindermedien gibt es nicht ohne Grund. Und dennoch übersehen wir Erwachsene häufig wichtige Dinge. Welche das sind, was daran besonders fatal ist und wie du sie vermeiden kannst – erfährst du jetzt!
Altersfreigaben können ganz schön tricky sein: Erscheinen uns Filme oder Serien für Kleinkinder, freigegeben ab 0 Jahren, häufig unbedenklich, gibt es doch Dinge, die viele Eltern im Umgang damit falsch machen.
Du fragst dich, wieso und welche 5 Dinge das sind? Nun …
1. Die Individualität des Kindes außen vor lassen
Altersfreigaben haben ihre Berechtigung und ihren Sinn, nämlich darauf hinzuweisen, dass die Medien erst ab einem bestimmten Alter des Kindes empfehlenswert sind.
Allerdings berücksichtigen sie eben nur das Alter und den Entwicklungsstand, der in Zusammenhang damit quasi “erwartbar” ist.
Völlig außer Acht gelassen wird dabei die individuelle Wahrnehmung, Persönlichkeit und die bisherigen Erfahrungen des Kindes. Denn jeder Mensch – übrigens egal welchen Alters – sieht diese Welt durch seine ureigene Brille, die sich aus der Persönlichkeit, dem Umfeld, der Lebensrealität, den Lebensbedingungen, den bisherigen Erfahrungen, der eigenen Prägung und der geistigen wie körperlichen Entwicklung zusammensetzt.
Keine Wahrnehmung ist automatisch gleich, selbst wenn zwei Menschen dasselbe Alter und einen ähnlichen Entwicklungsstand haben.
Ergo: Manche Kleinkinder könnten bei einer eher actionreicheren Szene in einer Kleinkindserie ab 0 Jahren Angst bekommen und tagelang schlecht träumen, wieder andere zeigen keinerlei Reaktion darauf.
Reagiert dein Kleinkind empfindsamer als andere Kinder auf bestimmte Medien, solltest du das im Übrigen nicht kommentieren, bewerten oder dir direkt Sorgen machen.
Empfindsamkeit und eine sensible Reizwahrnehmung sind absolute Stärken in dieser Welt.
Und nur, weil es für uns mittlerweile “normal” ist, rasante Kindermedien zu sehen, bedeutet das nicht, dass es das auch für dein Kleines ist. Denn es nimmt diese Welt mit seiner ureigenen Energie wahr.
Die Kinder, die auf diese Welt kommen und auf (besonders mediale) Reize im Außen empfindsam reagieren, sind es, an denen wir uns ein Vorbild nehmen dürfen.
2. Die Medien vorher nicht zu prüfen
Im Bestfall hat dein Kleinkind gar keine Bildschirmzeit. Denn wir erinnern uns, Experten-Teams sind sich einig: “Bildschirmfrei unter 3”. Aber auch wir von babelli wissen, dass Ausnahmen die Regel bestätigen und es manchmal nicht anders geht, als das Kind vor eine Kinderserie zu setzen.
Wichtig ist, dass die Bildschirmzeit deines Kleinkindes dann möglichst im Rahmen bleibt. Noch wichtiger ist, dass du die Inhalte, die du deinem Kind gibst, vorab selbst anschaust.
Wenn du dein Kind kennst, wirst du wissen, was es aufregt, was es bewegt oder möglicherweise noch Tage beschäftigen wird. Gerade bei Kleinkindmedien lohnt es sich, sich vorab diese Extra-Zeit zu nehmen, weil sie ohnehin entsprechend kurz sind.
Alternativ und für absolute Notfall-Situationen empfehlen wir, dir die Handlungsübersicht der Kleinkindmedien, die dein Kind dann anschauen wird, durchzulesen und dann zu entscheiden. So bist du auf der sicheren Seite.
Falls du dir bei einer Kleinkindserie unsicher bist, kannst du vorab bei FLIMMO.de nachlesen, wie Expertenteams das Ganze sehen! FLIMMO ist ein Elternratgeber für TV, Streaming & YouTube.
Das wird dir wertvolle Zeit im Vorhinein ersparen. Vor allem, wenn du die gar nicht hast.
3. Das eigene Medienverhalten nicht hinterfragen
Kleinkinder lernen größtenteils durch Nachahmung.
Deshalb ist es so wichtig, als Elternteil auch das eigene Medienverhalten zu reflektieren. Medien sind längst ein so fester Teil unseres Alltags geworden, dass wir vieles gar nicht mehr hinterfragen. Deinem Kind zuliebe hilft es, das gelegentlich zu tun.
Frage dich daher gern:
- Wie viel Zeit verbringe ich am Tag vor Handy, Tablet, TV und Co.? – Tracker im Handy, Tablet oder auf dem Fernseher können hier hilfreich sein, um sich selbst besser zu reflektieren. Gehe hier in kleinen Steps voran und verurteile dich nicht, falls dich die Dauer schockiert. Erkenntnis ist immer der erste Schritt zur Veränderung.
- Was an meinem Medienverhalten finde ich gut, was will ich verändern? Ist es reine Gewohnheit oder bereitet es mir Freude?
- Welche Gefühle lösen bestimmte Medien in mir aus? Was ist meine “Wohlfühl-”Serie und warum? Wobei kann ich entspannen?
- Habe ich manchmal Albträume nach bestimmten Filmen oder Genres? Was regt mich eher auf oder beschäftigt mich noch Wochen nach dem Anschauen?
- Baue ich bestimmte Szenen in meine Tagträume ein, die ich vorher in einem Medium gesehen habe?
- Warum ist es mir überhaupt wichtig, dass das Kind Kindermedium XY konsumiert? Gäbe es auch eine individuellere Alternative?
Je ernster du die eigene Auswahl an Medien nimmst, die du konsumierst, desto achtsamer wirst du auch die Medien für dein Kleinkind auswählen.
Mach dir allerdings auch keinen Druck – das bringt häufig den gegenteiligen Effekt! Wir alle sind natürlich geprägt durch unser Umfeld und den (teils mediengesteuerten) Alltag. Ein Hinterfragen, Anpassen und Umdenken kann auch Schritt für Schritt und im eigenen Tempo stattfinden.
4. Die Beeinflussung durch andere unterschätzen …
“Familie X hat den neuesten Kleinkindfilm schon angeschaut und empfohlen. Außerdem geht er nur 30 Minuten – was soll schiefgehen? Schließlich wollen wir auch einen tollen Sonntagnachmittag erleben …”
Häufig unterschätzen wir, wie sehr wir uns von Empfehlungen oder Ratschlägen anderer beeinflussen lassen oder uns, die Lebensrealität oder das Kind “unbewusst” vergleichen.
Du siehst bereits: Auch hier geht die vorige Prüfung der Kindermedien wieder verloren. Entscheide sowohl für dein Kind als auch für euch als Familie immer individuell.
5. Das Gesehene nicht besprechen
Eine bewusste Nachbereitung ist das A&O. Unabhängig davon, was dein Kind gesehen hat: Wenn du es geprüft hast und weißt, dass es eine Situation oder Szene gibt, die dein Kind noch nicht kennt, bislang nicht einordnen kann oder die in irgendeiner Weise etwas auslösen könnte, solltest du das Gesehene immer mit deinem Kind nachbesprechen.
Möglicherweise hat dein Kind auch bei anderen Herzensmenschen oder Verwandten etwas gesehen, was du vorab nicht prüfen konntest, aber du spürst – das Gesehene bewegt es noch länger. In welcher Hinsicht auch immer.
Stelle dafür am besten gezielt Fragen und bleibe auch später offen für weitere Nachfragen deines Kindes.
Gerade im Kleinkindalter kann es gut sein, dass dein Schatz plötzlich aus dem Nichts heraus etwas zu einer Szene sagt, die es Tage zuvor gesehen hat. Auch das ist natürlich individuell und vom Kind abhängig.
Beispiele:
- “Wie hast du dich gefühlt, als der Teddy wütend auf seinen Freund war?”
- “Wow, die sind aber ganz schön schnell unterwegs, oder?”
- “Wie findest du die ‘böse Wolke‘?”
Fazit: Sieh hin, sprich und begleite Medien bewusst!
Medien für Kleinkinder, mögen sie auch ohne Altersbeschränkung freigegeben sein, können trotzdem “too much” für dein Kind sein oder etwas auslösen. Menschen nehmen Inhalte individuell wahr. Hier gibt es kein “richtig” oder “falsch”.
Wichtig ist, dass du dein Kind in seiner Individualität und seiner Wahrnehmung beobachtest und siehst. Hinterfrage auch dein eigenes Medienverhalten, deine Beeinflussung durch andere und prüfe Kindermedien, bevor du sie dein Kind anschauen lässt.
Besprich die Medien im Nachgang mit deinem Kind. So umgehst du eine belastende Beeinflussung und kannst Fragen, die dein Kind möglicherweise hat, direkt beantworten.
Falls du tiefer ins Thema einsteigen und dir snackable Tipps dazu abholen möchtest, höre unbedingt in unseren Podcast zum Thema mit Experte Clemens Beisel rein: