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Lob war gestern: Wie Wertschätzung dein Kind fördert!

Zwei Väter spielen mit ihrem Kind auf dem Boden.
Eine aufrichtige Wertschätzung des Kindes ist das neue Lob. / © Bild Sergio, Adobe Stock.

„Das hast du aber toll gemacht! Ich bin stolz auf dich.“ – warum du statt dein Kind oft zu loben, besser auf ehrliche Wertschätzung zurückgreifen darfst …

Viele Eltern denken, dass sie ihre Kinder öfter loben sollten, um sie für positives Verhalten oder persönliche Erfolge zu bestärken. Und zunächst scheint der Gedanke nachvollziehbar. Schließlich hören wir alle ja gerne Worte, die uns guttun, Mut machen und uns in unserem Können bestätigen.

Allerdings ist reines Loben für die Kindesentwicklung nicht nachhaltig. Denn …

Lob ist nur eine Form von Motivation

Wir loben das eigene Kind, um es zu bestimmten Tätigkeiten zu motivieren und Verhaltensweisen, Worte oder Leistungen, die wir toll finden, zu verstärken. Das macht Lob zu einer extrinsischen Motivation (von außen kommend).

Intrinsische Motivation (von innen aus dem Kind heraus kommend) ist jedoch die Art von Motivation, die bleibt.

Auf die Dosis kommt es an

Lob ist damit letztlich eine Bestätigung und Motivation von Außen. In Bezug auf uns Erwachsene kann Lob etwa eine Gehaltserhöhung sein, welche die eigene Motivation weiter fördert. 

Extrinsische Motivation ist deshalb natürlich nicht nur schlecht. Es kommt allerdings immer auf die Dosis an. 

Wird ein Kind einzig von Außen für gutes Verhalten gelobt und für schlechtes Verhalten gemieden, abgewertet oder gar gestraft, kann das sehr riskant sein …

Regelmäßiges Loben: Die 3 gefährlichsten Risiken

1. Verlust der Intuition und eigenen Stimme

Möglicherweise verlernt das Kind, auf seine ihm angeborene, innewohnende Stimme zu hören und seinen tatsächlichen Interessen, Bedürfnissen und Wünschen nachzugehen, wenn seine Motivation rein von äußerem Lob abhängig ist. 

2. (Unbewusste) Abhängigkeit von äußerer Bestätigung

Das Kind benötigt möglicherweise eine dauerhafte Bestätigung von außen, ehe oder damit es einer Tätigkeit nachgehen kann. Es entwickelt womöglich Entscheidungsschwierigkeiten. 

3. Infrage stellen des eigenen Selbst und Selbstwertes

Es denkt – langfristig gesehen – dass es nur dann geliebt wird, wenn es von außen Lob bekommt. Obendrein könnte es verinnerlichen, dass Liebe von erwünschter Leistung abhängt. Es könnte sich selbst (unbewusst) abwerten, wenn es dieser “Leistung” nicht nachkommt oder nachkommen kann. Außerdem könnte es seine Ich-Entwicklung, Stabilität, Glückseligkeit und innere Zufriedenheit letztlich vom Grad des äußeren Lobs abhängig machen.

Doch warum loben wir unsere Kinder dann überhaupt?

Wo das Lob seinen Ursprung hat – einfach erklärt

Lob in der Erziehung kommt aus der Zeit des Behaviorismus (ab 1913) und geht auf den Psychologen John Watson zurück. Ein bekanntes Beispiel aus dieser Zeit ist der „Pawlowsche Hund“: Der Mediziner Iwan Pawlow erforschte, dass man Tieren bestimmte Verhaltensweisen antrainieren kann – und übertrug diese Erkenntnis auf den Menschen.

Später entdeckte der Forscher B.F. Skinner die operante Konditionierung. Er fand heraus:

  • Lob verstärkt gewünschtes Verhalten, z. B. wenn ein Kind sich an “Regeln” hält.
  • Bestrafung verringert unerwünschtes Verhalten, also wenn sich ein Kind nicht an “Regeln” hält.
  • Laut Skinner ist Lob eine positive Verstärkung – es sorgt also dafür, dass ein erwünschtes Verhalten häufiger auftritt.

Allerdings sagt die Methodik auch sehr viel über das Bild des Kindes und des Menschen aus. Aus heutiger Sicht befeuert es zudem Formen von Manipulation, Abhängigkeit und Adultimus

  • Denn worauf kommt es im Leben an? Darauf, dass ein Kind von dir erwünschtes Verhalten einzig durch Lob (extrinsische Motivation) wiederholt? 
  • Und wer bestimmt eigentlich, was “erwünschtes” und “unerwünschtes” Verhalten ist?

Die wichtigste Frage jedoch lautet: Wie können wir Verhaltensweisen wertschätzen und gleichzeitig die innere Motivation des Kindes erhöhen, ohne es zu loben?

Wertschätzung statt Lob: 3 Beispiele, die alles verändern

Wichtig: Das hier sind lediglich Inspirationen. Wie du Wertschätzung definierst und das Ganze handhabst, ist immer dir selbst überlassen.

  1. Kim (2) malt ein schönes Bild und zeigt es – sichtlich stolz – herum: „Kim, das Bild zu malen, hat dir viel Spaß gemacht, kann das sein? Es freut mich so sehr, dass du so viel Freude daran hattest, es zu malen. Und vor allem, dass es dir selbst so gefällt. Das macht mich glücklich. Es sieht wirklich toll aus!“
  2. Luca (3) räumt ungefragt seinen Teller nach dem Abendbrot weg: „Danke, Luca. Es tut mir gut, dass du deinen Teller selbst abräumst. Dadurch teilen wir uns den Aufwand und sparen Zeit. Das ist sehr aufmerksam von dir.“
  3. Sascha (5) hat im Sommerurlaub spontan schwimmen gelernt. „Wow, Sascha. Du hast Schwimmen gelernt. Das ist der Wahnsinn. Du hast das aus eigener Kraft und Antrieb gemacht. Ich freue mich so sehr für dich und deinen Erfolg! Wie fühlst du dich?“

Die 3 größten Vorteile von ehrlicher Wertschätzung

  1. Langfristige Motivation, ohne Druck: Das Kind befasst sich gerne, lange und aus eigenem Antrieb heraus mit Dingen. Es handelt damit ohne Druck und macht sich nicht abhängig von äußerer Bestätigung.
  2. Fokus auf das Tun, statt auf das Ergebnis: Durch Wertschätzung wird der Fokus wieder auf den Prozess gelegt und nicht auf das Ziel. Das Kind macht sich dann nicht vom Ziel einer Sache abhängig, sondern geht den Weg dorthin selbstbewusst und mit mehr Ausdauer, Konzentration und Leichtigkeit. 
  3. Schutz vor Manipulation oder Abhängigkeit: Das Kind ist möglicherweise eher geschützt vor jeglichen Formen von Manipulation und Abhängigkeit, da es sich, sein Glück und seinen Selbstwert nicht so stark von äußeren Faktoren wie Lob und Anerkennung abhängig macht. 

Wie wir unser eigenes Glück von Lob abhängig machen

Wir Menschen loben (unbewusst) häufig nicht nur Kinder, sondern auch andere Menschen. Etwa, wenn wir einen Freund für eine tolle Charaktereigenschaft bestärken wollen oder ein Arbeitsprozess mit der Lieblingskollegin reibungslos verlief. Schnell hängt uns da ein „Das hast du echt toll gemacht! Ich bin stolz auf dich.“ auf den Lippen.

Das ist zunächst nicht nur schlecht.

Allerdings ist das auch tendenziell (unbewusst) übergriffig. Denn wenn du Menschen von oben herab für etwas lobst, was du toll findest, sagst du letztlich nichts anderes als „Brav! Du hast etwas gemacht, was ich toll finde. Dafür belohne ich dich jetzt mit Worten.“

Vielleicht bist du aber auch der Mensch, der gerne von anderen für sein Verhalten gesehen und gelobt wird, deswegen immer 200 % in allen Lebensbereichen gibst und über die eigenen Grenzen gehst, um diese äußere Bestätigung zu erhalten.

Da 95 % unserer Handlungen und Worte aus unserem Unterbewusstsein stammen, ist das meiste, was wir sagen und tun – so auch übertriebene Abhängigkeit von Lob oder häufiges Loben anderer Menschen – ein Resultat unserer individuellen Erfahrungen sowie unserer eigenen Prägung und Erziehung

Wenn wir uns das bewusst machen, haben wir die Kraft, etwas zu verändern und neues Verhalten – statt ausschließlich des Lobs und Gelobt-Werdens – zu ergänzen.

Die eigene Konditionierung auf Lob loslassen – Schritt für Schritt

Schritt 1: Die Überdosierung „Loben“ erkennen

Erkenne, dass du lobst – oder Lob erwartest/wünschst – und werte dich dafür nicht ab. Nimm dir Zeit, es wahrzunehmen und nachzuspüren, wann und warum du genau gelobt hast. Das ist der erste Schritt zur Veränderung. 

Im Übrigen nicht nur gegenüber anderen, sondern auch bei dir selbst. Hier könnten dir diese Reflexionsfragen möglicherweise weiterhelfen:

  • In welchen Momenten “belohnst” du dich selbst und womit? 
  • Wann „bestrafst“ du dich, indem du dir etwas nicht „erlaubst“? Möglicherweise, weil dir etwas nicht so gut gelungen ist?
  • Wieso wählst du in diesen Momenten die Belohnung oder “Bestrafung”? Wie kamst du auf diesen Gedankengang? Woher kommt deine Überzeugung?

Schritt 2: Lob umformulieren als Wertschätzung

Überlege, wie du das Lob als Wertschätzung umformulieren könntest. 

Beispiel: Dein Kind hilft vor der Kita einem anderen Kind, dessen Rucksack heruntergefallen ist.

  • Statt: „Ich bin so stolz auf dich. Das hast du aber toll gemacht!“
  • Lieber: „Es ist so wunderbar, dass du gesehen hast, dass das Kind Hilfe braucht. Hast du gesehen, wie sehr es sich gefreut hat? Es macht mich richtig glücklich, zu sehen, wie hilfsbereit du bist.“

Schritt 3: Üben und druckfreies Dranbleiben

Hier hilft es, dich auch mit dem anderen Elternteil und deinen Herzensmenschen auszutauschen. Vielleicht öffnet das Thema ganz neue Welten eurer Kommunikation und ihr könnt diesen Weg fortan gemeinsam gehen und euch ehrliche Rückmeldungen geben, frei von Wertungen. 

Fazit

Lob ist eine tolle Form, das Kind zu bestärken, sollte aber niemals die einzige Art von Zuspruch oder Motivation sein. 

Weitaus nachhaltiger und besser für das Kind ist deine aufrichtige Wertschätzung. 

Um das umsetzen zu können, braucht es ein ehrliches Hinterfragen, wie man selbst mit Lob umgeht, sowie ein schrittweises Vorgehen ohne Druck und Bewertung. Vielleicht können unsere Beispiele dir hier eine Inspiration bieten.

Wie wertschätzt du dein Kind? Lass es uns gerne wissen und hinterlasse uns einen Kommentar hierzu!

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Quellen

Veröffentlicht von Leonie Illerhues

Leonie war nach ihrem Studium der Heilpädagogik lange im Schulhort-, Kita- und Krippenbereich tätig. Erziehungs- und Entwicklungsthemen im Baby- und Kleinkindalter sind deshalb ihr Steckenpferd. Seit 2022 ergänzt Leonie unser Team mit diesem Schwerpunkt.