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Warum sich Eltern immer von ihrem Kind verabschieden sollten

Mutter verabschiedet ihr Baby, das auf dem Arm einer anderen Frau ist.
Es ist unglaublich wichtig für eure Bindung, dass du dich immer bewusst von deinem Kind verabschiedest. / Bild © polkadot, Adobe Stock.

„Am besten einfach gehen und nichts sagen.“ – hast du diesen Tipp auch schon mal von anderen Menschen bekommen, als du dich von deinem Kind verabschieden musstest? Wir klären, warum es wichtig ist, genau das Gegenteil zu tun. 

Die Schwere hinter Abschieden

Ob die erste Übernachtung bei Oma und Opa oder die Kita-Eingewöhnung: Ein Abschied vom Kind ist nicht einfach. Gerade, wenn du noch ein Baby oder Kleinkind hast, das die meiste Zeit des Tages mit dir verbringt. 

Doch Paarmomente, Me-Time, Hochzeitseinladungen oder einfach die morgendliche Verabschiedung in der Kita gehören natürlich auch zum Leben dazu. Diesen Prozess, auch mal ohne die Bindungspersonen – in der Regel die Eltern – zu sein, durchläuft also jedes Kind früher oder später. Und eben auch die Eltern. 

Denn in diesen Verabschiedungen übergibt man das wertvollste, was man im Leben hat, in andere Hände. Als Elternteil hat man dann keine andere Wahl, als darauf zu vertrauen, dass während der eigenen Abwesenheit alles gut geht. 

Das ist es letztlich, was das Thema „sich verabschieden“ so schwer macht.

Mythos „einfach gehen“

Vielleicht hast du selbst bereits belastende Abschiede erlebt. Oder aber du hast vorgelebt bekommen, dass mit Abschieden immer auch etwas Negatives einhergeht. Und natürlich erfordern sie viel Vertrauen und die Fähigkeit, mit gutem Gewissen auch mal loszulassen.

Insofern hält sich bei vielen Menschen der Mythos, das Ganze zu überspringen und möglichst gar nicht groß zu thematisieren. Sprich, einfach ohne Verabschiedung vom Kind zu gehen. 

Was, wenn wir dir jetzt sagen, dass das sogar richtig an der Eltern-Kind-Bindung und dem Urvertrauen deines Kindes zehren kann? Denn …

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Was beim Kind ankommt

Wenn du ohne Verabschiedung weggehst, hat das keinerlei Vorteile für dein Kind. Es macht ihm das „alleine woanders sein“ auch nicht leichter. 

Ganz im Gegenteil: Aus seiner Sicht wurde es „einfach so“ woanders gelassen. Es hat auch keine Sicherheit, wann oder ob du zurückkommst, selbst wenn du das einige Stunden zuvor noch gesagt hast. Diese Zeit ohne dich und ohne vorigen Abschied kann sich unendlich lang für dein Kind anfühlen, selbst wenn es nur einige Minuten sind. Je nachdem, wie sicher oder nicht sicher die Beziehung des Kindes zu den Menschen ist, bei denen dein Kind währenddessen bleibt, kann das den Effekt sogar noch verstärken. 

Bei deinem Kind können dadurch etwa diese Dinge ausgelöst werden: 

  • Unsicherheit: Wenn die Bindungsperson weg ist, ohne vorige Verabschiedung, kann das womöglich starke Angst oder sogar Panik auslösen. Selbst wenn dein Kind, das bisher nicht aussprechen kann oder sich nicht über Signale dazu äußert (schreien, weinen). Nur, weil es etwa nicht weint, seit du weg bist, ist nicht automatisch „alles in Ordnung“. Die inneren Prozesse können auch dann intensiv sein, wenn sie sich nicht unmittelbar zeigen. 
  • Fehlendes Vertrauen in dich: Kommt das Ganze regelmäßig vor, entwickelst du dich zu einer nicht verlässlichen Bindungsperson für dein Kind. Egal, was du sonst sagst und machst, dein Kind wird vermutlich weniger Vertrauen in dich haben und eure Eltern-Kind-Bindung leidet darunter. 
  • Zweifel an deiner Liebe: Letztlich kann das zur Folge haben, dass dein Kind eben auch an deiner Liebe zweifelt. Und ein Kind, was sich nicht geliebt fühlt, stellt nicht selten auch sich selbst, seine übrigen Mitmenschen und diese Welt infrage. 
  • Beschädigtes Urvertrauen: Situationen wie diese können für ein Kind, das auf die Liebe, Fürsorge und Begleitung der Bindungspersonen angewiesen ist – denn sie sichern letztlich sein Überleben hier – richtig traumatisch sein. Sie können sich zu Schlüsselmomenten entwickeln, wodurch das Urvertrauen in das Leben an sich massiv beschädigt wird. 

Je öfter sich das „nicht Verabschieden“ wiederholt, desto stärker wird die mögliche Belastung und die Folge für dein Kind. Du siehst: Eine gute Verabschiedung vom Kind ist das A & O!

Wie du deinem Kind und dir Verabschiedungen erleichterst

Am besten verabschiedest du dein Kind mit klaren Ritualen, die du bei einem jeden Abschied wiederholst. Also sowohl bei der Großeltern-Übernachtung als auch beim morgendlichen Verabschieden in der Krippe.

Was das für Rituale sind, ist dir und euch überlassen. Letztlich hängt das natürlich immer auch von deinen und euren Vorlieben, Interessen und (zeitlichen) Möglichkeiten ab. 

Wir können dir etwa diese 5 Rituale empfehlen:

1. Suche den Blickkontakt mit deinem Kind und benenne, was jetzt folgt.

Beispiele: 

  • „Lou, ich gehe jetzt zur Arbeit. So lange bist du in der Kita. Ich hole dich heute Mittag nach eurem Mittagessen wieder ab.“
  • „Kim, wir sind heute Abend auf einer Hochzeit. Deswegen schläfst du heute bei Oma. Wir holen dich morgen früh wieder ab, wenn ihr frühstückt.“
  • „Sascha, Mama und Papa gehen heute Abend zusammen ins Restaurant. Wenn die Sonne untergegangen ist, holen wir dich wieder ab. Solange kannst du mit Luka spielen.“

Beschreibe, wann du wieder kommst. So kann sich dein Kind darauf einstellen. Da es noch kein Zeitgefühl hat, könntest du wie in unseren Beispielen klare Geschehnisse benennen, die parallel zu deinem Wiederkommen stattfinden – „wenn die Sonne untergegangen ist“, „wenn ihr frühstückt“, „nach dem Mittagessen“.

Wichtig: Wenn du Zeitpunkte an Geschehnisse knüpfst, halte dich auch daran, damit dein Kind weiß, dass es dem, was du sagst, immer vertrauen kann. Falls du dich mal verspäten solltest, kannst du einfach bei der Betreuungsperson anrufen und Bescheid geben. Diese Person sollte das Ganze dann mit deinem Kind besprechen und den neuen Zeitpunkt benennen.

2. Körpersprache

Bleibe in deiner Körpersprache klar, gelassen und ruhig. Eine Verabschiedung sollte auch von der Körpersprache her nicht nur nebenbei geschehen, aber eben auch nicht zu wichtig gemacht werden. Denn deine eigene Haltung hat immer auch einen Einfluss auf dein Kind. 

3. Nähe

Jetzt könntest du dein Kind fest drücken und einen Verabschiedungskuss geben. So drückst du noch mal deine Liebe zu ihm aus. 

4. Euer persönliches Abschieds-Ritual

Hier sind eurer Kreativität keine Grenzen gesetzt. Überlegt euch etwas, was einen Abschied zwischen euch einläutet. Das könnte mit einem Kleinkind zum Beispiel auch ein spezieller Handkuss sein, oder auch dass Bäuche aneinander wackeln. Du kannst dir und deinem Baby auch dasselbe Symbol auf die Hand malen oder spezielle Armbänder für eure Verbindung besorgen.

5. Die Verabschiedung

Jetzt kannst du noch mal benennen „Tschüss, mein Schatz. Ich gehe jetzt. Bis später.“ und zum Abschied deinem Kind zuwinken. Halte beim gesamten Ritual möglichst den Blickkontakt mit deinem Kind.

Wichtig: Ziehe die Verabschiedungs-Rituale nicht allzu sehr in die Länge oder benenne 10-mal hintereinander, wann du wiederkommst. 

Je mehr Klarheit du über deine Worte, Handlungen und deine Stimmung deinem Kind vermittelst, desto leichter wird es ihm fallen, dich loszulassen. Dasselbe gilt im Übrigen auch für dich selbst. Wenn du dir darüber im Klaren bist, dass du dein Kind gut loslassen kannst, werden dir Abschiede künftig immer leichter fallen. 

Bedenke …

Abschiede verlaufen tagesformabhängig 

Es gibt Tage, da weint dein Kind beim Verabschieden bitterlich und andere Situationen, in denen es nur beiläufig die Hand hebt. Dasselbe kann sich auch bei dir zeigen. 

Denn wir Menschen fühlen uns natürlich nicht jeden Tag gleich. Und genau deswegen sind unterschiedliche Reaktionen an verschiedenen Tagen menschlich. 

Obendrein sind Abschiede auch immer von eurer individuellen Lebensrealität, euren Umständen und den Erfahrungen von dir und dem Kind abhängig. Das darfst du immer mitbedenken. Sei hier milde mit dir und vor allem auch mit deinem Kind, falls Abschiede deshalb jedes Mal schwerfallen.

Sobald du das Gefühl hast, dass die Reaktion deines Kindes auf Abschiede in irgendeiner Form ungewöhnlich sind, kläre das Ganze mit deiner Kinderarztpraxis ab.

Handelt es sich um eine seelische Belastung bei deinem Kind oder ein anderes Unwohlsein, wird dich die Kinderarztpraxis vermutlich zu einer Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie-Praxis überweisen. Hier werdet ihr bestmöglich beraten und begleitet.

Fazit

Dass ein Abschied leichter für das Kind ist, wenn du ohne Verabschiedung gehst, ist nicht nur ein Mythos, sondern auch riskant: Die möglichen Folgen für dein Kind und seine Entwicklung sind massiv. Obendrein schadet das Ganze vermutlich auch eurer Eltern-Kind-Bindung. 

Verabschiede dich deshalb immer von deinem Kind und nutze dafür Rituale, die sich gut für euch beide anfühlen. Gerade im Kleinkindalter kann das sogenannte „Übergangsobjekt“ zusätzlich Abhilfe bei Verabschiedungen schaffen. 

Wenn du wissen möchtest, was es damit auf sich hat, höre dir super gerne unsere Podcastfolge mit Experte und Pädagoge Cedric Teubl an:

19be2f7d2ca34f02b5271545b4f93bc7 - Warum sich Eltern immer von ihrem Kind verabschieden sollten
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Quellen

  • Davies, Uzodike, van Loon, Wirth (2022). Das Montessori Baby. Geborgen und mit offenen Sinnen ins Leben starten. Weinheim: Verlagsgruppe Beltz.
  • Largo, Remo H. (2016). Babyjahre. Entwicklung und Erziehung in den ersten vier Jahren (18. Auflage). München/Berlin: Piper Verlag GmbH.
  • Perls, Frederick S., Hefferline, Ralph F., Goodman, Paul (2015). Gestalttherapie. Grundlagen der Lebensfreude und Persönlichkeitsentfaltung. (9. Auflage). Stuttgart: Klett-Cotta Verlag.

✔ Inhaltlich geprüft am 09.08.2024
Dieser Artikel wurde von Emely Hoppe geprüft. Wir nutzen für unsere Recherche nur vertrauenswürdige Quellen und legen diese auch offen. Mehr über unsere redaktionellen Grundsätze, wie wir unsere Inhalte regelmäßig prüfen und aktuell halten, erfährst du hier.

Veröffentlicht von Leonie Illerhues

Leonie war nach ihrem Studium der Heilpädagogik lange im Schulhort-, Kita- und Krippenbereich tätig. Erziehungs- und Entwicklungsthemen im Baby- und Kleinkindalter sind deshalb ihr Steckenpferd. Seit 2022 ergänzt Leonie unser Team mit diesem Schwerpunkt.

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