Wird die Basis für emotionale Intelligenz schon im Kindesalter gelegt? Wir sind der Sache auf den Grund gegangen!
Warum emotionale Intelligenz im Leben unabdingbar ist
Kürzlich gab eine Studie Aufschluss darüber, dass emotionale Intelligenz und gute Schulnoten zusammenhängen könnten. Die Frankfurter Rundschau berichtete über die „OECD’s Survey on Social and Emotional Skills (SSES)“.
Doch um den Leistungsgedanken, der auch dahintersteckt, mal außer Acht zu lassen, möchten wir betonen: Emotionale Intelligenz im Kindesalter ist auch für alle anderen Lebensbereiche wichtig.
Warum? Nun …
Vorteile emotional intelligenter Menschen
Neben einer erhöhten Leistungsbereitschaft, wie in der Studie benannt, sind bei emotional intelligenten Menschen zusätzlich diese Eigenschaften und Qualitäten verstärkt ausgeprägt:
- Selbstwahrnehmung, Selbstbewusstsein, Körperbewusstsein, Ich-Bewusstsein und Selbstreflexion
- Mehr innere Ruhe, Gelassenheit, eine erhöhte Auffassungsgabe und Konzentration
- Soziale Fertigkeiten: Die Fähigkeit, zuzuhören, andere ausreden zu lassen und in Konflikten Kompromisse zu finden sowie ein Gespür für die Bedürfnisse und Gefühle anderer Menschen
- Flexibilität, Offenheit und Anpassungsfähigkeit – besonders bei Veränderungen oder Herausforderungen im Leben
Es ist für Eltern also mehr als empfehlenswert, die emotionale Intelligenz beim Kind aktiv zu stärken.
Die Voraussetzungen
Dafür ist es wichtig, zu wissen, dass die Entwicklung einer emotionalen Intelligenz von verschiedenen Faktoren abhängt.
Es ist ein Gemisch aus:
- Genetischer Veranlagung
- den neurologischen Voraussetzungen, dem Temperament und der individuellen Persönlichkeit des Kindes
- der Prägung durch die Erziehung und familiären Werte
- der Prägung durch das soziale Umfeld (Freunde, Kita, Schule, Freizeit)
- der Prägung durch die Kultur, in der das Kind aufwächst
- dem Einfluss von Medien, die das Kind konsumiert
- der bisherigen Lern- und Lebenserfahrungen (Schönes wie auch Krisen)
Du siehst bereits: Bestimmte Dinge kannst du hierbei gar nicht beeinflussen.
Was du allerdings immer tun kannst, ist …
Was du beeinflussen kannst: Vorbild sein
Kinder lernen mitunter durch das Nachahmen ihrer Herzensmenschen. Um die Fertigkeiten emotionaler Intelligenz vorzuleben, darfst du dir etwa klarmachen:
- Alle Gefühle sind erlaubt, richtig und wichtig: Es gibt kein „schlechtes“ Gefühl. Jedes Gefühl liefert immer eine Botschaft. Wenn du deinem Kind das vorlebst, lernt es das von Anfang an. Im besten Fall unterdrückt es dann nichts und erlaubt sich, alles zu fühlen, was da ist. So kann das Gefühl auch wieder ziehen, wenn es gefühlt wurde.
- Selbstbewusstsein vorleben: Sofern du dir deiner eigenen Vorlieben, Wünsche, Stärken und Schwächen bewusst bist, schaut sich dein Kind genau das von dir ab.
- Empathie zeigen: Wenn du Mitmenschen gegenüber einfühlsam agierst, wird dein Kind dich nachahmen. Das kann die Art sein, wie du handelst, wenn eine Freundin dich um Rat bittet und dein Kind das Ganze mitbekommt. Es kann auch der Moment sein, wenn du auf der Straße um Hilfe gebeten wirst. Oder wenn es deinem Kind nicht gut geht. Letztlich ist es sogar die Art, wie dich Emotionen in Filmen ansprechen.
- Umgang mit Konflikten und Kompromissbereitschaft: Wie du streitest, legt die Basis dafür, wie dein Kind es tut. Umso wichtiger, dass du deinem Kind vorlebst, wie gesunde Streits aussehen können und dass Konflikte zum Mensch-Sein dazugehören.
- Dir deiner Vergangenheit bewusst sein: Vielleicht ist dir schon bewusst, wie sehr unsere eigene Vergangenheit unser Verhalten prägt. Und dazu zählen die schönen Dinge genauso wie die Erfahrungen, die uns bis heute (unbewusst) belasten. Falls das etwas ist, was dir eher Bauchschmerzen bereitet, hole dir für diesen Weg gerne professionelle Unterstützung. Du musst ihn nicht alleine gehen und darfst dich immer entlasten lassen.
Und der wahrscheinlich größte und wichtigste Punkt emotionaler Intelligenz …
Deine Fähigkeit der Selbstreflexion
Bist du in der Lage, dich selbst zu hinterfragen und aus der Vogelperspektive zu betrachten? Einmal etabliert, wird auch dein Kind später weniger Probleme haben, sich selbst zu reflektieren, um Verzeihung zu bitten oder sein Verhalten bewusst zu verändern.
Übrigens: Eltern, die von ihren Kindern etwa fordern, sich nach „Fehlverhalten“ permanent zu entschuldigen, rufen häufig den gegenteiligen Effekt hervor: Das Kind entschuldigt sich zwar, wirklich verinnerlichen, was das bedeutet, kann es allerdings nicht. Denn letztlich ist „Entschuldigung“ nur ein Wort, was dann auf Abruf gesagt wird.
Viel eher dürfen Eltern versuchen, ihrem Kind eine bewusste Reflexionsfähigkeit vorzuleben. Und, dass sie „Fehler“ oder auch unschöne Erfahrungen machen müssen, damit sie lernen können.
Es ist utopisch zu denken, dass man als Mensch niemals Dinge macht, die das Gegenüber verletzen. Als Elternteil sind wir allerdings in der Verantwortung, wie wir mit unseren eigenen Verletzungen und denen unserer Kinder umgehen.
Machen wir unserem Kind Druck, sich ständig zu entschuldigen oder leben wir ihm aktiv vor, wie man das eigene Verhalten nachhaltig reflektiert?
Ist das Vorleben nur Aufgabe der Eltern?
Nein!
Es ist nicht einzig die Aufgabe von Eltern, dem Kind emotionale Fertigkeiten vorzuleben. Das sollte auch in Kita, Schule, Freizeit und Co. stattfinden, besonders, da das Kind dort häufig den Großteil des Tages verbringt.
Da sich das aber nicht von außen steuern lässt, empfehlen wir …
- wenn die Möglichkeit besteht, schaue (vorher) bewusst hin, welche Werte die Kita oder Schule den Kindern vorlebt
- gerne kannst du das auch bei Elternabenden hinterfragen und dich hier aktiv einbringen, falls du etwas verändern möchtest
- tausche dich über diese Themen gerne auch mit anderen Eltern und den Fachkräften aus und schaut, was ihr hier für die Kinder voranbringen könnt
- Überlege, bei welchen Freizeitaktivitäten dein Kind seine emotionale Intelligenz stärken könnte. Vielleicht ein Teamsport? Oder ist dein Kind so feinfühlig für die Stimmungen um sich herum, dass es eher eine Kleingruppen-Aktivität oder ein Hobby für sich alleine benötigt?
- Wie sieht es mit kreativ-musischen Hobbys aus? Was könnte die oben genannten Werte fördern, macht gleichzeitig Spaß und überfordert dein Kind nicht? Hier ist dein elterliches Bauchgefühl und dein Gespür für die Persönlichkeit deines Kindes gefragt.
Ja, gerade in Kita und Schule kann es gut sein, dass du auch auf Widerstand oder Konflikte stößt. Mach dir klar, dass dein Umgang mit diesen Konflikten wieder ein gutes Vorleben für dein Kind sein kann.
Wichtig: Egal, wie du dich in Kita, Schule und Co einbringst, letztlich ist das Ganze – wie oben beschrieben – auch immer von der Persönlichkeit deines Kindes abhängig.
Und sein freier Wille sollte immer Vorrang haben, zum Beispiel wenn du ihm eine Sportart als Hobby vorschlägst. Du kannst und solltest niemals etwas erzwingen, was dein Kind nicht will.
Die Rolle der Medien
Die Inhalte, die dein Kind über Medien konsumiert, haben einen direkten Einfluss auf seine emotionale Intelligenz. Das umfasst Bücher genauso wie Serien, Filme, Computer-Spiele, Apps oder ob dein Kind schon einen Zugang zu Social Media hat.
Was die Inhalte betrifft, hast du als Elternteil natürlich keine Handhabe. Du kannst die konsumierten Medien jedoch vorab auswählen und dein Kind während des Konsums begleiten.
Frage dich dafür selbst:
- Auswahl: Welche Bücher und Hörspiele kaufst du deinem Kind oder lässt du ihm schenken? Welche Inhalte werden hier vermittelt? Was willst du vermeiden, was ist dir besonders wichtig? Bei Schulkindern gilt das Ganze auch beim TV, Tablet und Handy. Welche Apps hat dein Kind auf seinem Handy und warum?
- Aktive Begleitung: Sprich mit deinem Kind über die Inhalte von Büchern, Serien, Filmen, Social Media und Spielen. So weißt du auch genau, welche Inhalte es überfordern, fragend zurücklassen oder was es begeistert.
Das Leben ist das beste Lernfeld
An dieser Stelle möchten wir betonen: Emotionale Intelligenz ist ein lebenslanges Lernfeld. Man ist nie „fertig“ damit.
Letztlich wird dein Kind im Leben ohnehin vor Herausforderungen gestellt, die es emotional wachsen lassen. In welcher Hinsicht auch immer. Das ist das Leben – Veränderung. Und steuern lässt sich das nicht. Vermutlich erlebst du dasselbe auch als erwachsener Mensch.
Vielleicht hilft dir dieser Gedankengang, gelassen und im Vertrauen an die Sache heranzugehen.
Fazit
Die Entwicklung von emotionaler Intelligenz ist von verschiedenen Faktoren abhängig.
Wenn du deinem Kind die wichtigen Elemente vorlebst, bist du immer auf der sicheren Seite. Dafür darfst du dich regelmäßig selbst reflektieren, dir über dich selbst bewusst werden und einfühlsam mit dir und anderen umgehen.
Emotionale Intelligenz wird auch in Kita, Schule, Freizeit und Co. erworben. Sorge für Hobbys und ein Umfeld, dass die Werte, die dir wichtig sind, widerspiegelt. Auch das Thema Medien spielt eine große Rolle. Am besten wählst du die Medien, die dein Kind konsumiert, bewusst vorher aus.
Ansonsten darfst du deinem Kind und dem Leben vertrauen, dass es alles, was es braucht, um ein emotional intelligenter Mensch zu sein, längst in sich trägt.
Quellen
- Bürgin, Dieter (1993). Psychosomatik im Kindes- und Jugendalter. Stuttgart: Gustav Fischer Verlag.
- Caby, Filip und Andrea (2011). Die kleine psychotherapeutische Schatzkiste. Tipps und Tricks für kleine und große Probleme vom Kindes- bis zum Erwachsenenalter. (2. Auflage). Dortmund: Borgmann Media.
- Dilling, Horst, Freyberger, Harald J. (2016): ICD-10. Taschenführer zur ICD-10-Klassifikation psychischer Störungen. (8. Auflage). Hogrefe Verlagsgruppe.
- Greving, Prof. Dr. Heinrich, Ondracek, Prof. Dr. Petr (2010): Handbuch Heilpädagogik. (2. Auflage) Troisdorf: Bildungsverlag EINS GmbH.
- Perls, Frederick S., Hefferline, Ralph F., Goodman, Paul (2015). Gestalttherapie. Grundlagen der Lebensfreude und Persönlichkeitsentfaltung. (9. Auflage). Stuttgart: Klett-Cotta Verlag.
- Siegel, Elaine V. (1997): Tanztherapie. Seelische und körperliche Entwicklung im Spiegel der Bewegung. Ein psychoanalytisches Konzept. (4. Auflage) Stuttgart: Klett-Cotta Verlag.