Ballons, Konfetti, Rauchbomben und Torten mit farbiger Füllung sind die Basics jeder gut inszenierten Gender Reveal Party. Doch der Hype rund um das Enthüllen des Baby-Geschlechts ist nicht unumstritten. Was als süßer Trend begann, wirft heute ethische, gesellschaftliche und sogar sicherheitstechnische Fragen auf.
Was ist eine Gender Reveal Party?
Bei einer Gender Reveal Party erfahren die werdenden Eltern sowie die eingeladenen Familienmitglieder und Freunde (oder Follower) das Geschlecht des Babys im Bauch. Mädchen oder Junge? Die Antwort wird meist überraschend und manchmal auch besonders spektakulär inszeniert.
Typisch sind etwa das Abfeuern von Konfettikanonen oder das Zerplatzen von Ballons, aus denen es dann jeweils blaues (für einen Jungen) oder pinkes (für ein Mädchen) Konfetti regnet. Häufig sieht man das Elternpaar auch eine Torte anschneiden, deren Inneres rosa oder blau eingefärbt ist.
Die Kreativität der Enthüllungsmethoden kennt aber kaum Grenzen: Rauchkanonen, Piñatas, Flugzeuge, die farbige Streifen in den Himmel malen, sich duellierende Familienmitglieder in rosa oder blauen Baby-Kostümen – sogar Alligatoren kamen schon zum Einsatz.
Doch die Partys sind weit mehr als bloße Farbspektakel. Sie sind ein kulturelles Phänomen, das inzwischen große Kritik erntet. Zu Recht?
Ursprünge: Wie entstand der Trend?
Der Begriff „Gender Reveal Party“ tauchte erstmals 2008 auf, als die US-amerikanische Bloggerin Jenna Karvunidis einen Kuchen mit rosa Füllung anschnitt, um Freunden und Familie zu zeigen, dass sie eine Tochter erwartet. Sie postete Bilder davon auf ihrem Blog; der Rest ist Social-Media-Geschichte.
Schnell entwickelte sich daraus ein virales Format auf Plattformen wie YouTube, Facebook und Instagram. Je aufwendiger und emotionaler die Enthüllung, desto höher das Potenzial für Likes, Shares, Reichweite und letztlich auch Profit.
Doch der Trend wurde nicht nur durch Kreativität, sondern auch durch tragische Unfälle bekannt: So verursachten Gender Reveal Aktionen schon Waldbrände, Verletzungen und sogar Todesfälle. Und: Unmengen an Müll.
Und was sagt die versehentliche Trendsetterin Karvunidis dazu? „Ich hätte nie gedacht, dass aus meinem Kuchen ein globaler Brandherd wird – im wörtlichen und übertragenen Sinne.“ Sie bereut heute, dass ihre harmlose Idee eine weltweite Bewegung ausgelöst hat und spricht sich selbst gegen Gender Reveal Partys aus.
Warum feiern Menschen solche Partys?
Die Enthüllung des Geschlechts ist für viele Eltern ein besonderer Moment, vielleicht sogar der Höhepunkt ihrer Schwangerschaft. Mit dem Wissen, ob sie ein Mädchen oder einen Jungen erwarten, wird für viele Paare die Vorstellung vom Baby und der zukünftigen Familienkonstellation noch konkreter. Und damit steigen naturgemäß Vorfreude und Aufregung.
Da liegt es eigentlich nahe, diesen Moment besonders zelebrieren und nahestehende Personen daran teilhaben lassen zu wollen. Wie bei einer traditionellen Babyparty geht es also darum – oder sollte es darum gehen – das Baby-Glück mit anderen zu teilen und zu feiern.
Kathi, 32, erzählt:
„Ich hatte Tränen in den Augen und extremes Herzklopfen, als der Rauch aufstieg. Für uns war es einfach ein schöner Moment, den wir mit Freunden und Familie teilen wollten. Das Geschlecht war dabei gar nicht so wichtig – es ging um die Vorfreude und darum, dass unsere Liebsten unser Glück mit uns feierten. Die Farbe war bei dem Ganzen nur ein Symbol, das uns ein Stück näher zu unserem Baby brachte.”
In dieser Lesart erscheint die Gender Reveal Party als willkommener und harmloser Anlass für eine gemeinsame Feier mit Familie und Freunden. Vielleicht sollte man einfach nicht viel mehr hineininterpretieren.
Kritik: Menschen sind mehr als ihr Geschlecht
Doch Kritikerinnen und Kritiker sehen in Gender Reveal Partys mehr als ein harmloses Get-together. Aus der Soziologie und Gender-Forschung kommt der Vorwurf, der “Rosa oder Blau?”-Trend würde stereotype Geschlechterrollen zementieren.
Laut einer Studie von 2021 prägt die Art, wie Eltern das Geschlecht ihres Babys verkünden, schon vor der Geburt Erwartungen an Verhalten, Interessen und sogar Zukunft des Kindes.
Es entsteht eine sogenannte „Gendered Environment“, in dem Blau für Abenteuer und Stärke, Rosa für Sanftheit und Schönheit stehen.
Ein weiterer Kritikpunkt betrifft die fehlende Unterscheidung zwischen biologischem Geschlecht und sozialem Gender. Ersteres kennt lediglich Mann oder Frau. Das soziale Geschlecht dagegen ist ein komplexer Mix aus Identität, gesellschaftlichen Rollen und Selbstwahrnehmung. Gender Reveal Partys würden bloß eine binäre Welt feiern, eine Welt der Zweigeschlechtlichkeit, die nicht der Lebenswirklichkeit aller Menschen entspricht und queere Personen ausschließt.
Lena, 29, entschied sich bewusst gegen eine Gender Reveal Party:
„Mir war klar: Ich will mein Kind nicht mit einer Farbe definieren. Ich habe selbst erlebt, wie einengend diese Rollenbilder sein können. Warum also schon vor der Geburt damit anfangen?“
Nicht zuletzt mahnen Kritiker: Wird das Gender Reveal auf den sozialen Netzwerken öffentlich geteilt und/oder extra dafür inszeniert, wird das Kind bereits exponiert und zur (profitablen) Selbstdarstellung ausgenutzt, bevor es überhaupt auf der Welt ist.
Risiken und reale Folgen
Neben ideologischer Kritik gibt es auch ganz praktische Einwände gegen Gender Reveal Partys. Tatsächlich sollten sich Paare vor der öffentlichen Enthüllung fragen, ob sie vielleicht einen bestimmten Geschlechterwunsch haben. Denn fliegt blaues statt des erhofften pinken Konfettis, reagiert man vielleicht anders als erwartet. Das kann belastende Folgen haben, wenn andere die eigene Reaktion bewerten; beispielsweise zu Schuldgefühlen und Rechtfertigungsdruck.
Zudem zeigen mehrere Fälle aus Amerika, dass das Streben nach dem spektakulärsten, viralsten Video zu gefährlichen Situationen führen kann. Waldbrände, Flugzeugabstürze und Explosionen haben schon Schlagzeilen gemacht.
Auch ökologische Aspekte sind zu bedenken: farbige Rauchbomben, Konfetti aus Plastik, Luft- und Heliumballons – all das produziert unnötigen Müll und CO2. Unvergessen in diesem Zusammenhang auch das brasilianische Paar, das in Dürrezeiten eine wichtige Trinkwasserquelle gefährdete, weil es einen Wasserfall blau färbte.
In Deutschland ist der Trend zwar noch nicht so extrem eskaliert wie in den USA, doch auch hier wachsen die Events in ihrer Inszenierung, inklusive professioneller Fotos, Drohnenaufnahmen und Eventplanung.
“Gender Neutral Reveals” als Gegenbewegung
In den sozialen Medien wächst dafür inzwischen nicht nur die Kritik, sondern gleich eine ganze Gegenbewegung. Statt Gender Reveals feiern einige Eltern „Gender Neutral Reveals“, bei denen sie bewusst keine Farben verwenden oder die Feier nutzen, um auf Geschlechtervielfalt hinzuweisen.
Andere verzichten ganz auf die Enthüllung und betonen, dass ihr Kind später selbst entscheiden solle, wie es sich identifiziert.
Fazit: Beim Gender Reveal trifft Emotion auf Inszenierung
Halten wir fest: Gender Reveals und ganze Geschlechts-Enthüllungs-Partys spalten die Gemüter. Für die Einen ist es ein emotionaler Moment in der Schwangerschaft, den sie mit Nahestehenden (oder der ganzen Welt) teilen wollen. Andere sehen in der Fokussierung auf das Geschlecht des ungeborenen Kindes ein gesellschaftliches Problem – und zwar gerade jetzt, wo die Themen Diversität und Inklusion zwar mehr Aufmerksamkeit, aber noch lange nicht genug Akzeptanz finden.
Wie also umgehen mit der Frage nach “Junge oder Mädchen”? Fakt ist: Schon vor dem ganzen Reveal-Hype in den sozialen Netzwerken wollten die meisten Elternpaare wissen, ob sie einen Sohn oder eine Tochter erwarten. Vielen hilft diese Information dabei, sich emotional besser auf das Kind vorzubereiten und eine tiefere Verbindung zu ihm aufzubauen.
Problematisch finden wir in jedem Fall, was auf Social Media daraus gemacht wird: immer höher, immer schneller, immer weiter. Jedem Elternpaar sei die Vorfreude und das Teilen der persönlichen Höhepunkte gegönnt. Doch die übertriebenen Inszenierungen nerven nur noch und hinterlassen nicht selten einen faden Beigeschmack, wie real die zur Schau gestellten Gefühle der Beteiligten wirklich sind.
Letztlich sollten wir die emotionale Bedeutung einer Gender Reveal Party anerkennen, ohne die berechtigte Kritik aus den Augen zu verlieren, die sie begleitet.
Oder wie die Erfinderin des Trends, Jenna Karvunidis, heute sagt: „Vielleicht sollten wir nicht das Geschlecht enthüllen, sondern die Liebe – für das Kind, so wie es ist.“
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Was bedeutet eigentlich geschlechtsneutrale Erziehung und warum ist sie so wichtig für Kinder? Darüber spricht babelli Pädagogin Leonie Illerhues mit der Kindheitspädagogin Johanna Wiemeyer. Sie erklärt die Hintergründe, teilt praktische Beispiele aus dem Alltag und zeigt, wie geschlechtersensible Erziehung ganz unkompliziert im Familienleben umgesetzt werden kann.
Quellen
- Wikipedia: Gender Reveal Party. https://de.wikipedia.org/wiki/Gender_Reveal_Party (abgerufen am 29.04.2025)
- The Guardian: I started the ‚gender reveal party‘ trend. And I regret it. https://www.theguardian.com/lifeandstyle/2020/jun/29/jenna-karvunidis-i-started-gender-reveal-party-trend-regret (abgerufen am 29.04.2025)
- V. Nair (The Centre for Sexualities, AIDS and Gender): Gendering the Bun in the Oven: Gender Reveal Parties and their Impacts. https://www.csagup.org/2021/05/30/gendering-the-bun-in-the-oven-gender-reveal-parties-and-their-impacts/ (abgerufen am 29.04.2025)
- M. Radu: Baby Bumps and Big Reveals: Exploring the Gender Reveal. https://www.everydaysociologyblog.com/2024/11/baby-bumps-and-big-reveals-exploring-the-gender-reveal.html (abgerufen am 29.04.2025)
- T. Toles-Patkin (2021): Gender reveal parties and the construction of the prenatal gendered environment. In: Explorations in Media Ecology, Volume 20, Issue Gender and Media Ecology, Jun 2021, p. 175 – 193. DOI: https://doi.org/10.1386/eme_00083_1 (abgerufen am 29.04.2025)
- Yahoo!life: Umweltsünde: Paar färbt für Gender-Reveal-Party Wasserfall blau. https://de.style.yahoo.com/umweltsunde-paar-farbt-fur-gender-reveal-party-wasserfall-blau-115420021.html (abgerufen am 29.04.2025)