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Der Hebammenkreißsaal: Das Beste aus zwei Welten

Hebamme mit Neugeborenem
Im Hebammenkreißsaal fühlen sich Schwangere wohl und Hebammen wertgeschätzt. / Bild @ stockmotion, Adobe Stock

Wo und wie möchtest du gebären? Der Hebammenkreißsaal vereint die Vorteile vom Geburtshaus und dem Klinik-Kreißsaal und ist deshalb bei Schwangeren und Hebammen sehr beliebt.  Wir erklären dir, worin sich der Hebammenkreißsaal vom “normalen” Kreißsaal unterscheidet.

News: Schwangere und Hebammen dürfen jubeln!

Oktober 2024 – Der Hebammenkreißsaal wurde im Krankenhausreformgesetz verankert und wird in Zukunft finanziell und fachlich gefördert. Der Hebammenverband ist über diese Entwicklung sehr zufrieden und feiert sie als “Meilenstein für die hebammen­geleitete Geburts­hilfe”.

Wenn du noch nie von dem Konzept Hebammenkreißsaal gehört hast, dann bist du hier genau richtig. Wir erklären dir, was es damit auf sich hat und worin die Unterschiede zum Geburtshaus und zum Klinik-Kreißsaal liegen.

Was ist ein Hebammenkreißsaal?

Ein Hebammenkreißsaal wird von Hebammen geleitet – so einfach, so gut. Was heißt das konkret? Verläuft die Geburt ohne Komplikationen, werden Mutter und Kind ausschließlich von Hebammen betreut: vom Eintreffen der Schwangeren im Kreißsaal bis zur Verlegung auf die Wöchnerinnenstation oder Verabschiedung nach einer ambulanten Geburt. Im Idealfall verlässt die Mutter den Kreißsaal mit Baby im Arm, ohne zwingend Kontakt mit einem Arzt oder einer Ärztin gehabt zu haben.

Im Gegensatz dazu muss bei einer Entbindung im Klinik-Kreißsaal spätestens zum Austritt des Kindes immer ein Arzt oder eine Ärztin anwesend sein, auch bei unkompliziertem Geburtsverlauf. 

Anders als das Geburtshaus befindet sich der Hebammenkreißsaal jedoch explizit im klinischen Setting. Es handelt sich dabei auch mehr um ein Konzept als einen speziellen Raum. Er kann in der normalen Geburtsstation betrieben werden oder aber in anderen Räumlichkeiten auf dem Klinikgelände. Die Hebammen dort sind Angestellte (oder Beleghebammen) der Klinik. 

Kommt es im Verlauf der Geburt im Hebammenkreißsaal zu Komplikationen und es wird medizinisches Eingreifen nötig (dazu zählt auch der Einsatz von Schmerzmitteln), stehen sofort ein Arzt oder eine Ärztin sowie das nötige Equipment parat. Die Weiterleitung vom hebammengeleiteten in den ärztlich-geleiteten Kreißsaal ist dann eher eine Formsache. Die Gebärende muss dafür normalerweise weder den Raum noch die sie betreuende Hebamme wechseln.

Vereinfacht gesagt kannst du dir einen Hebammenkreißsaal also vorstellen wie ein „Geburtshaus im Krankenhaus“. Er ersetzt dort nicht den ärztlich-geleiteten Kreißsaal, sondern ergänzt ihn. Beide Abteilungen und das gesamte geburtshilfliche Team arbeiten eng zusammen.

Warum ein hebammengeleiteter Kreißsaal?

Die meisten Schwangeren wünschen sich eine natürliche Geburt in entspannter, vertrauensvoller Atmosphäre. Gleichzeitig haben sie ein großes Sicherheitsbedürfnis, das sie dem Wunsch nach einer interventionslosen Geburt oft überordnen. Deshalb entscheiden sich am Ende mehr Frauen für die Geburtsklinik als das Geburtshaus. Der Hebammenkreißsaal will Gebärenden beide Bedürfnisse erfüllen.

Das oberste Ziel eines Hebammenkreißsaals ist es, Schwangeren eine selbstbestimmte, natürliche Geburt zu ermöglichen, mit durchgängiger Eins-zu-Eins-Betreuung durch eine ihnen vertraute Hebamme.

Gleichzeitig stärkt das Konzept auch die Bedeutung der Hebammen in der Geburtshilfe. Es bietet ihnen ein erfüllendes Arbeitsumfeld, in dem sie ihre Fachkenntnisse selbstständig und eigenverantwortlich einsetzen können. Das könnte den Hebammenberuf wieder attraktiver machen. Wenn zukünftig wieder mehr Menschen als Hebamme arbeiten würden, wäre das ein Gewinn für alle Schwangeren! Die Aufnahme des Hebammenkreißsaals ins Krankenhausreformgesetz ist ein erster Schritt in diese Richtung.

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Merkmale des Hebammenkreißsaals

Die genaue Struktur und Organisation des Hebammenkreißsaals kann von Klinik zu Klinik verschieden sein. Es gibt jedoch ein paar Grundprinzipien: 

  • Förderung der natürlichen Geburt
    Wie oben beschrieben ist es das vordergründige Ziel, den natürlichen Geburtsprozess abzuwarten und bei Bedarf zu unterstützen. Das geburtshilfliche Team des Hebammenkreißsaals sollte dafür ein entsprechendes, einheitliches Qualifikationsniveau aufweisen. Wobei die eigenständige Leitung einer normal verlaufenden Geburt (auch einer Beckenendlagengeburt) ohnehin zu den Berufspflichten einer Hebamme gehört.
  • Voraussetzung: Keine absehbaren Risiken
    Es gibt eine wichtige Voraussetzung: Die Schwangere und ihr ungeborenes Baby müssen gesund sein. Nur, wenn es keine absehbaren Risiken für die Geburt gibt, etwa durch bestimmte Schwangerschaftskomplikationen oder Erkrankungen, darf im Rahmen des Hebammenkreißsaals entbunden werden. Andernfalls ist die Gebärende in einem ärztlich-geleiteten Kreißsaal vorsichtshalber besser aufgehoben. Wobei auch dort das Ziel lautet (oder lauten sollte), möglichst wenig in den Geburtsprozess einzugreifen. Eine natürliche Geburt ist auch im “normalen” Kreißsaal möglich.

    Der Schwangerschaftsverlauf und der Gesundheitsstatus von Mutter und Kind werden vor der Geburt mehrmals kontrolliert. Dafür gibt es etwa spezielle Anamnesegespräche.
  • Hebammenbetreuung vor, während, nach der Geburt und im Wochenbett
    Das Konzept des Hebammenkreißsaals sieht vor, dass die Schwangeren vom ersten Trimester bis ins Wochenbett und während der Stillzeit von einem festen Hebammenteam betreut werden. 

    Das hat verschiedene Vorteile. Zum einen kann sich so zwischen der werdenden Mutter und ihrer Hebamme (ihren Hebammen) ein Vertrauensverhältnis entwickeln, was es der Frau erleichtert, sich zur Geburt zu entspannen und fallen zu lassen. Nicht zuletzt hilft es auch den Hebammen bei ihrer Arbeit, wenn sie die Gebärende und ihre Ausgangssituation gut kennen. So können sie sie individueller durch die Geburt begleiten, als es der Fall ist, wenn sie die Schwangere erst in den Wehen liegend kennenlernen, wie es auf normalen Geburtsstationen häufig der Fall ist.

    Um das Hebammenteam kennenzulernen, sollte es im Vorfeld verschiedene, regelmäßig stattfindende Angebote im Rahmen des Hebammenkreißsaals geben, wie etwa Kurse, Sprechstunden, Anwendungen, Vorträge oder Cafés. Bestenfalls wird im Vorfeld bereits geklärt, welche Hebamme die Schwangere vordergründig betreuen wird.
  • Eins-zu-Eins-Betreuung der Gebärenden
    Im Rahmen des Hebammenkreißsaals soll sich die Gebärende darauf verlassen können, durchgängig von einer vertrauten Hebamme begleitet zu werden. Sollte es zum Schichtwechsel kommen, wird sie bestmöglich darin einbezogen. Das kann zum Beispiel so aussehen, dass es eine ausreichend lange Übergangsphase gibt, zu der beide Hebammen anwesend sind. Zur Austrittsphase werden übrigens immer zwei Hebammen gleichzeitig an ihrer Seite sein.

Gibt es messbare Erfolge des Hebammenkreißsaals?

Es gibt einige Ergebnisse nationaler und internationaler Studien zum Konzept des hebammengeleiteten Kreißsaals. Die lesen sich sehr positiv. Beispielsweise ist dort im Vergleich zum normalen Kreißsaal die Rate für Spontangeburten höher. Außerdem kommt es seltener zu:

  • Geburtseinleitungen
  • medikamentöser Wehenförderung (“Wehentropf”)
  • Geburtsverletzungen
  • Medikamentengaben (dafür ein höherer Anteil an alternativen Schmerzbehandlungen)

Allerdings muss man bei den Ergebnissen berücksichtigen, dass nur Frauen mit unkomplizierten Schwangerschaften im Hebammenkreißsaal gebären. Für sie ist die Wahrscheinlichkeit einer interventionsarmen Geburt von vornherein größer als für Frauen mit bestehenden Risikofaktoren (wie etwa Mehrlinge, Lageanomalie oder Erkrankungen).

Bei der Geburtsdauer, den APGAR-Werten, dem Geburtsgewicht und dem Blutverlust wurden keine Unterschiede zu Geburten in ärztlich-geleiteten Kreißsälen festgestellt (Stand 2018). Jedoch sind die Frauen insgesamt zufriedener mit der Versorgung im Hebammenkreißsaal vor, während und nach der Geburt. Außerdem stillen sie “deutlich länger” als Frauen, die im ärztlich-geleiteten Kreißsaal entbunden wurden.

Klingt doch alles super. Warum gibt es nicht schon viel mehr Hebammenkreißsäle?

Weil es einige Hürden bei der Umsetzung des Konzepts gibt. Für Kliniken sind das in erster Linie finanzielle und organisatorische Aspekte. Unter anderem müsste das Personal auf den Geburtsstationen aufgestockt und entsprechend fortgebildet, müssten die Räumlichkeiten eingerichtet und bestehende Abläufe, Strukturen sowie der Mitarbeitereinsatz neu strukturiert werden. Ein großer Aufwand für Kliniken, von denen ohnehin schon viele ums wirtschaftliche Überleben kämpfen.

Der Hebammenverband ist jedoch der Auffassung, dass sich der große Aufwand zur Einführung eines Hebammenkreißsaals langfristig auch wirtschaftlich für die Kliniken lohnt.

Weiterhin herrschen zum Teil noch Zweifel am Konzept. Kritiker bemängeln, der Hebammenkreißsaal würde einen Keil zwischen Hebammen und der Ärzteschaft treiben. Die GEsCHICK-Studie am Universitätsklinikum Bonn kam jedoch zu einem gegenteiligen Ergebnis: „… nach elf Jahren blicken wir auf eine hohe Zufriedenheit bei Gebärenden, Hebammen und Ärzten zurück.“, so Prof. Dr. Ulrich Gembruch, geschäftsführender Direktor des dortigen Zentrums für Geburtshilfe und Frauenheilkunde. Anfängliche Zweifler des Forschungsprojekts seien im Verlauf zu Befürwortern geworden, fasst es auch der Abschlussbericht zusammen.

Es bleibt also zu hoffen, dass die finanziellen Hürden in Zukunft kleiner und der Mut der Kliniken größer wird.

Wo finde ich einen Hebammenkreißsaal?

Erfreulicherweise wächst die Zahl der Hebammenkreißsäle in Deutschland bereits. Eine aktuelle, interaktive Liste mit allen Standorten findest du auf der Webseite des Deutschen Hebammenverbands

Hast du Fragen oder Gedanken zum Hebammenkreißsaal? Hinterlasse uns gern einen Kommentar!

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Quellen

✔ Inhaltlich geprüft am 24.10.2024
Dieser Artikel wurde von Emely Hoppe geprüft. Wir nutzen für unsere Recherche nur vertrauenswürdige Quellen und legen diese auch offen. Mehr über unsere redaktionellen Grundsätze, wie wir unsere Inhalte regelmäßig prüfen und aktuell halten, erfährst du hier.

Veröffentlicht von Carolin Severin

Carolin ist zweifache Mama und leidenschaftliche Familien-Redakteurin. Sie beschäftigt sich schon seit über 10 Jahren hauptberuflich mit allem, was (werdende) Eltern interessiert. Bei Babelli versorgt sie euch mit Informationen und News rund ums Thema Schwangerschaft. Dabei ist es ihr besonders wichtig, komplexe medizinische Themen verständlich und sensibel aufzubereiten und dabei möglichst Sorgen und Ängste zu nehmen. Dafür arbeitet sie eng mit unserer Expertin Hebamme Emely Hoppe zusammen.

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