Für unsere mit * gekennzeichneten, redaktionell unabhängigen Produktempfehlungen erhält Babelli ggf. eine Provision vom Händler, die den Preis jedoch nicht erhöht. Mehr dazu
„Ihr Kind hat heute Timmy gebissen.“ – Wenn das eigene Kind in der Kita plötzlich beißt, ist das häufig nicht leicht auszuhalten. Wir erklären, weshalb Scham- und Schuldgefühle dich jetzt absolut nicht weiterbringen und was du stattdessen tun kannst.
Erst einmal: Nein, du hast nichts falsch gemacht. Beißen im Kleinkindalter ist kein Zeichen einer „schlechten Erziehung“ oder gar einer „Bösartigkeit” des Kindes.
Denn …
Warum Kleinkinder überhaupt beißen
Kleinkinder beißen oft aus einem Reflex heraus. Meist ist es eine Reaktion auf einen Reiz im Außen. In den meisten Fällen ist es ein vorheriger Konflikt mit einem anderen Kind, bei dem das Kind sich irgendwann nicht mehr anders zu helfen weiß. Es kann aber auch einfach ein starkes, kaum aushaltbares Gefühl im Körper des Kindes dahinterstecken.
Die sozial-emotionale und die geistige Entwicklung des Kindes befinden sich in diesem Alter noch im Aufbau. Daher versteht das Kind auch nicht, dass sein Beißen ein anderes Kind verletzen könnte.
Sprich …
Es ist nicht seine Absicht, sein Gegenüber zu verletzen
Ein Kleinkind KANN noch gar nicht aus Absicht einem anderen Menschen Schaden zufügen. Absichtsvolles Handeln beginnt je nach individueller Entwicklung erst im Vorschulalter.
Stattdessen ist Beißen ein Kommunikationsmittel, wenn die Worte fehlen.
Beißen kann sich deshalb auch dann zeigen, wenn dein Kleinkind bereits sprechen kann.
Das kennst du sicher auch als erwachsener Mensch, oder? Situationen, in denen du gesagt hast „Da fehlen mir die Worte.” – können beim Kind ebenso vorkommen.
Nur seine Reaktion darauf darf sich noch ändern und von dir achtsam und bewusst begleitet werden. Kommunikation ist ein Übungsfeld, und man ist niemals fertig damit.
Was du jetzt wirklich tun kannst – 3 Schritte!
Klar ist also: Das Kind beißt in der Kita durch ein starkes Gefühl, welches es mit Worten nicht ausdrücken kann. Welches das ist, das gilt es jetzt herauszufinden.
Wir empfehlen daher:
1. Vereinbare ein Elterngespräch mit der Kita
Wenn dich die Kita über die Beiß-Vorfälle informiert und sie nicht nur einmalig, sondern mehrmals vorkommen, vereinbare zeitnah ein Elterngespräch. Am besten wählst du einen Termin, wo auch der andere Elternteil dabei sein kann.
Wichtig ist jetzt, dass ihr gemeinsam mit den pädagogischen Fachkräften herausfindet, wie es zum Beißen kam und was davor vorgefallen ist. Dann könnt ihr auch viel besser verstehen, welche Ursache möglicherweise dahintersteckt.
2. Das Kind einbinden
Kann das Kind schon sprechen, erfrage das Ganze kindgerecht.
Beispiel:
- Vorwurfsfrei die Situation erfragen: „Heute hat mir Sabine erzählt, dass du Timmy gebissen hast. Kannst du mir erklären, wie es dazu kam?“
- Deine Begleitung (wiederholen und Fragen stellen): „Du hast Timmy also gebissen, weil du wütend auf ihn warst. Gibt es denn noch eine andere Möglichkeit, wie du demnächst darauf reagieren kannst, wenn du wütend auf ihn bist?“
- Mitgefühl äußern: „Ich verstehe, dass du wütend auf Timmy warst.”
- Timmys Lage erklären: „Allerdings ist es nicht in Ordnung, Timmy zu beißen. Beißen tut weh und verletzt andere Menschen.“
- Werte kindgerecht formulieren: „Und andere Menschen zu verletzen, weil wir wütend sind, ist nicht in Ordnung.”
- Alternativen erfragen: „Wie könntest du beim nächsten Mal reagieren, wenn du wieder wütend bist? Hast du eine Idee?”
- Alternativen bieten: „Was wenn du es ihm beispielsweise sagst?“
Manche Kinder können ganz genau sagen, warum sie beißen, andere fühlen es, können es aber bislang nicht ausdrücken. Hier spielt natürlich auch das Alter, die individuelle Entwicklung und Persönlichkeit eine Rolle. Vielleicht macht dein Kind auf Nachfragen auch komplett dicht – auch das ist legitim.
3. Gehe mit dem anderen Elternteil auf Ursachenforschung
Mögliche Ursachen, warum dein Kind in der Kita beißt, können etwa sein:
- Geistige Lernprozesse und entwicklungsbedingtes Beißen: Ausprobieren von Ursache-und-Wirkung: „Was passiert, wenn ich Timmy in den Arm beiße?“
- Ohnmacht und Hilflosigkeit in sozialer Interaktion: Ein Gefühl des „Nicht-weiter-Wissens“, „Sich-nicht-anders-zu-helfen-Wissens“ in dem Konflikt mit einem anderen Kind (Spielzeuge werden weggenommen oder aus Spielsituation heraus)
- Unerfüllte emotionale Bedürfnisse: Frust, Trauer, Wut oder das Bedürfnis nach Zuwendung und Nähe, sich aber nicht äußern können.
- Reizüberflutung: Zu viele Angebote, Anforderungen oder Reize in der Kita und/oder im Alltag.
- Plötzliche Lebensveränderungen, Druck oder übermäßige Erwartungen: Beißen kann eine Ausdrucksform sein, angestaute Emotionen loszulassen. Wie du damit umgehen kannst, erklären wir weiter unten.
- chronischer Stress, seelische Belastungen und Traumata: Das Beißen kann auch eine Traumareaktion des Körpers sein oder ein Symptom von chronischem Stress. Wir gehen weiter unten darauf ein, wie du jetzt vorgehen kannst.
Auch hier gilt, wie so oft: Alles kann, nichts muss dahinterstecken!
Besprich dich mit dem anderen Elternteil zu den möglichen Ursachen. Ziehe, wenn nötig, auch die Beobachtungen weiterer Bezugspersonen hinzu. Bleibt weiterhin mit der Kita im Austausch, um das Kind im Alltag und in der Kita aktiv zu entlasten, damit es andere Handlungsmöglichkeiten findet, als das Beißen.
Vielleicht kann dir auch dieser Artikel zum Thema weiterhelfen:
Dem „Schuld“-Thema keinen Raum geben
Womöglich spürt dein Kind sowohl deine Gefühle als auch die der Kita-Fachkräfte und Kinder über sein Verhalten. Das lässt sich manchmal nicht vermeiden, allerdings sollte es dadurch keine “Rolle” zugeschrieben bekommen oder tiefe Schuldgefühle spüren müssen.
Wie oben beschrieben, beißt es aus einer absichtslosen Reaktion heraus und kann Schuld, Scham oder Vorwürfe noch gar nicht in sein System integrieren.
Im Gegenteil: Das kann seine Ich-Entwicklung und seinen Selbstwert beeinflussen und möglicherweise sogar verringern.
Den Eltern des gebissenen Kindes begegnen
In der Regel wird das Kita-Personal den Eltern des gebissenen Kindes ohnehin nicht erzählen, wer das Kind gebissen hat, um genau diesen Effekt zu vermeiden.
Können die Kinder schon sprechen, kann es natürlich trotzdem dazu kommen, dass eine Situation herumerzählt wird. Im Zweifel und wenn du dich damit besser fühlen solltest, suche vorweg das Gespräch mit den Eltern des gebissenen Kindes.
Wenn das Beißen lediglich einmalig oder insgesamt nur kurzweilig vorkam, empfehlen wir allerdings, es nicht größer zu machen, als es ist – für alle Beteiligten.
Bedenke immer: Du bist nicht der erste Elternteil eines Kindes, das in der Kita beißt, und auch nicht der Letzte. Dass dein Kind in der Kita beißt, sagt nichts über seine Persönlichkeit, deine Erziehung oder dich als Elternteil aus.
Solange du weiter Ursachenforschung betreibst und dein Kind aktiv begleitest, ist alles in Ordnung. Lebe ihm dafür vor, wie man Konflikte löst, Kompromisse bildet, mit verletzendem Verhalten umgeht und gewaltfrei kommuniziert.
Geschichten sind die größten Lernfelder
Wir Menschen lernen am meisten und liebsten über Geschichten.
Deshalb empfehlen wir dir (gerade, wenn dein Kind bisher nicht sprechen kann), von Herzen dieses Buch* zum Thema. Hier findet ihr tolle Alternativen, wenn die Gefühle im Körper einfach zu viel werden.
Langfristiges Beißen: Im Zweifel zur Kinderarztpraxis
Wenn das Beißen eher stärker wird und die Gruppendynamik in der Kita beeinflusst (Beispiel: Dein Kind wird gezielt ausgeschlossen, weil es so viel beißt), empfehlen wir den Gang zur Kinderarztpraxis. Dasselbe gilt, falls dein Kind plötzlich auch zu Hause damit beginnt.
Auch hier gilt: Alles kann, nichts muss hinter dem Beißen stecken. Versuche zunächst, im Vertrauen zu bleiben und nicht sofort in die Angst zu gehen, denn auch das wird dein Kind spüren.
Weitere Fachstellen
Wenn eine seelische Belastung hinter dem Verhalten steckt, kann dich die Kinderarztpraxis an Fachstellen der Kinder- und Jugendpsychotherapie weiter verweisen.
Möglicherweise kann auch eine kostenlose Familienberatung Abhilfe leisten, wenn das Beißen des Kindes ein Resultat von Stress oder eines Traumas innerhalb der Familie ist (Trennung, Tod usw.).
Auch hier geht es nicht um Schuld oder die Frage nach „Was stimmt hier nicht?“, sondern eher darum, die Belastung nun zunächst für das Kind und dann für alle Beteiligten langfristig zu verringern, damit dein Kind andere Handlungsoptionen für sich finden kann.
Wenn du mehr zum Thema wissen willst, höre super gerne in unseren Podcast mit Kindheitspädagogin, Autorin und 2-fach-Mama Lea Wedewardt rein:
Fazit
Wenn das eigene Kind in der Kita beißt, ist das erst mal unschön – für alle Beteiligten.
Viel wichtiger ist jetzt, dass du deinem Kind und dir keine unbewussten Schuldzuweisungen vermittelst. Im Kleinkindalter ist Beißen noch eine Ausdrucksform, wenn Worte fehlen und es zu wenig Handlungsalternativen gibt.
Indem du diese deinem Kind aktiv vorlebst, Ursachenforschung betreibst, mit ihm ins Gespräch gehst und im regen Austausch mit der Kita bleibst, bist du auf der sicheren Seite.
Falls das Beißen zu einem „Beißverhalten“ wird und womöglich etwas Anderes dahintersteckt, zögere den Gang zur Kinderarztpraxis oder weiteren Fachstellen nicht heraus. Wichtig ist jetzt das Wohlergehen deines Kindes und das der anderen Kinder in der Kita.