Was du über das “Ausflippen” deines Kindes wissen solltest – und was dich daran vermutlich überraschen wird!
Das Wichtigste in Kürze
- Da das Kleinkind bestimmte Gefühle zum ersten Mal oder intensiv spürt, kann das Unsicherheiten und Überforderung in ihm auslösen, die sich durch “Ausflippen” zeigen.
- Ein notwendiger Entwicklungsschritt, denn: Das Kind lernt gerade erst noch, seine Gefühle zu regulieren.
- Gerade in der Autonomiephase ist “Ausflippen” häufig. Das Kind spürt jetzt: “Ich habe eigene Bedürfnisse, Wünsche und Interessen, die sich von denen anderen Menschen unterscheiden können.”
- Die Regulation lernt es nur, indem das Kind sich damit ausprobiert. Und, wenn die Eltern es ihm durch Vorleben und aktive Begleitung Alternativen zeigen.
- Gelassenheit, Vertrauen und eine Prise Humor können Eltern helfen, das “Ausflippen” besser auszuhalten.
Wichtig: Die Rubrik “Das Wichtigste in Kürze” ist nur ein Überblick. Sie kann niemals die Komplexität von Themen widerspiegeln. Situationen oder Herausforderungen im Kleinkindalter sollten immer individuell und ganzheitlich betrachtet werden. Wir möchten dich daher dazu ermutigen, dir den ganzen Artikel durchzulesen, für alle Infos zu diesem Thema.
Mögliche Hintergründe vom “Ausflippen”
Beispiel: Dein Kind möchte ohne Schuhe und Socken zur Kita. Es sind 3 Grad. Du erklärst deinem Kind liebevoll und umsichtig, warum es beides anziehen muss. Dein Kind flippt aus.
Womöglich fragst du dich: “Warum muss es bei so Kleinigkeiten jetzt so ausflippen?”
Zunächst einmal: Wir verstehen dich! Aus Eltern-Sicht sind solch starke Reaktionen des Kindes teilweise nicht nachvollziehbar.
Allerdings ist das sogenannte “Ausflippen” eine völlig alters- und entwicklungsentsprechende Reaktion. Gerade im Kleinkindalter. Meist kommen hier viele mögliche Ursachen zusammen, warum das Kind “ausflippt”:
1. Die Autonomiephase des Kindes
Etwa im Alter von 12-18 Monaten beginnt die Autonomiephase. Die erste Ablöse von den Eltern. Das Kind spürt: “Ich kann andere Bedürfnisse, Gefühle und Wünsche haben als andere Menschen.”
Es nimmt sich in dieser Zeit erstmalig als eigenständige Person wahr und das zeigt sich mitunter über starke Gefühlsausbrüche. Dieser Entwicklungsschritt ist also notwendig, damit dein Kind zu einem selbstwirksamen und eigenständigen Menschen heranwachsen kann.
2. Überforderung oder Unsicherheit
Zurück zu unserem Beispiel: Das Kind möchte partout nicht seine Socken und Schuhe anziehen und kann nicht verstehen, dass du genau das von ihm einforderst. Hier stößt sein Bedürfnis nach “Selbstbestimmung” gegen deine elterliche Grenze.
Die Folge? Sein inneres “System” rebelliert und dein Kind fühlt sich von dir unverstanden. Um das schwere Gefühl aus dem Körper zu lassen, flippt es aus.
Einfach, weil es bislang noch keine anderen Handlungsmethoden entwickelt hat, um starken Gefühlen Raum zu geben. Ein Fakt, der absolut alters- und entwicklungsentsprechend ist.
3. Die Sprachentwicklung ist noch im Aufbau
Hinzu kommt, dass Kleinkinder ihren Sprachschatz gerade noch aufbauen und sich noch nicht so ausdrücken können, wie sie möchten.
Und sicherlich kennst du das auch von dir: Fühlt man sich absolut unverstanden vom Gegenüber – dann wird man irgendwann richtig wütend! Und diese Wut muss früher oder später aus dem Körper raus. Alles andere wäre ungesund.
4. Ein unerfülltes Grundbedürfnis
Hinter dem “Ausflippen” kann auch ein unerfülltes Grundbedürfnis, wie Nähe, Geborgenheit, Durst, Hunger oder Schlaf stecken. Oder aber, dein Kind ist einfach überreizt vom Tag, den Eindrücken, seinen Träumen oder dem, was gerade in seinem Leben passiert.
Um das herauszufinden, darfst du deinem Kind offene Fragen stellen und Angebote machen. Darauf gehen wir weiter unten noch ein.
Regulation muss jeder Mensch lernen – du gibst den Weg vor
Wichtig ist beim “Ausflippen” des Kindes zunächst, als Elternteil die Ruhe zu bewahren und sich selbst zu regulieren. Hier können verschiedenste Techniken helfen (auch hier gilt: Du kennst dich selbst am besten).
Was wir empfehlen können:
- Durchatmen!
- Inneres Selbstgespräch: “Ich bleibe jetzt in meiner Ruhe, Geduld und Kraft.”
- Dich daran erinnern: “Dass mein Kind ausflippt, hat nicht allein etwas mit mir oder der Situation zu tun. Mein Kind lernt erst noch, seine Gefühle zu regulieren. Ich kann mein Kind jetzt hier gut durchbegleiten.”
- Gelassenheit und Vertrauen: Sei dir sicher, was du gerade erlebst, durchleben alle Kleinkind-Eltern. Bleibe im Vertrauen in die individuelle Entwicklung deines Kindes.
- Eine Prise Humor kann nie schaden! Manche Gründe für das “Ausflippen” sind so absurd, dass man es kaum glauben kann, oder? Humor bedeutet übrigens nicht, dass du das Kind nicht ernst nehmen sollst in seinen Gefühlen. Sondern lediglich, dass du eine andere Ebene einnimmst, die es dir möglicherweise erleichtert, damit umzugehen.
Beispiele: Deine Begleitung und selbstsicheres Vorleben
Wir möchten betonen, dass wir hier nur Beispiele zur Inspiration anbringen. Wie du mit diesen Situationen umgehst, ist völlig dir überlassen und du kennst dich, dein Kind und eure Lebenssituation am besten.
Wie du mit starken Gefühlen umgehst, diese zulässt und sie bei dir selbst regulierst, wird sich dein Kind früher oder später von dir abschauen. Denn es lernt hauptsächlich durch Nachahmung. Das macht ehrliche Selbstreflexion als Elternteil so wichtig.
Zusätzlich ist es wichtig, dass du es aktiv begleitest beim “Ausflippen”. Schließlich nimmst du es in seinen Gefühlen ernst.
Beispiel – Die Situation oben begleiten:
- Komme auf Augenhöhe des Kindes.
- Beobachte wachsam: Möchte mein Kind grad noch sein Gefühl rauslassen? Oder kann ich es bereits ansprechen?
- Ist zweiteres der Fall, begleite es aktiv sprachlich: “Ich verstehe, dass es dir wichtig ist, ohne Socken und Schuhe in die Kita zu gehen. Allerdings ist es sehr kalt, weswegen das heute nicht möglich ist.” – Hier klare, liebevolle Grenzen zu setzen, gibt deinem Kind Sicherheit.
- Schlage einen Kompromiss zur Mitbestimmung vor! Im Kleinkindalter kann das 2-Optionen-Prinzip wahre Wunder wirken: “Allerdings kannst du gerne auswählen, ob du die roten oder die blauen Winterschuhe anziehen möchtest.” Lege dem Kind beide zur Auswahl hin. Nun kann es auf die Schuhe zeigen, die es anziehen möchte. So kommst du seinem Bedürfnis nach Mitbestimmung entgegen.
- Stelle offene, gezielte Fragen, falls du ein unerfülltes Grundbedürfnis vermutest: “Hast du vielleicht noch Durst, ehe wir aufbrechen?”
- Abschluss: “Brauchst du grad noch was, um die Wut gehen zu lassen? Vielleicht eine feste Umarmung von mir?”
- Allgemein: Ist es möglich, irgendwo anders den Druck rauszunehmen und dem Kind mehr Selbstwirksamkeit zu ermöglichen? So muss sich sein Feuer nicht allzu oft entladen, weil sich weniger aufstaut.
Kennst du schon unseren Podcast zum Thema?
In dieser Folge mit Expertin Lea Wedewardt gehen wir nochmal näher auf das Thema “Emotionen begleiten” ein. Sie ist snackable, spannend und voller Input für dich:
Fazit: “Ausflippen” nicht überbewerten, aber begleiten!
Wenn dein Kind bei Kleinigkeiten ausflippt, ist das ein Ausdruck seiner emotionalen Entwicklung. Es lernt gerade erst, mit Gefühlen umzugehen.
Was es jetzt braucht: deine Ruhe, dein Verständnis – und dein Vorbild.
Du musst nicht perfekt reagieren. Aber wenn du präsent bleibst und dein Kind liebevoll begleitest, schenkst du ihm etwas sehr Wertvolles: die Fähigkeit, sich selbst zu verstehen und seine eigenen Gefühle wahrzunehmen, anzunehmen und zu regulieren.
Und das ist ein Geschenk fürs Leben.













