Eine akute Mittelohrentzündung (Otitis media) ist eine typische Erkrankung im Baby- und Kleinkindalter. Meistens ist sie harmlos und heilt innerhalb weniger Tage von selbst aus. Trotzdem sollte sie ärztlich abgeklärt werden, denn sie birgt gewisse Risiken. Hier erfährst du alles, was du über die Mittelohrentzündung bei Babys und Kleinkindern wissen musst.
Das Wichtigste in Kürze
- Eine akute Mittelohrentzündung trifft vorwiegend Kinder zwischen 6 Monaten und 6 Jahren.
- Sie ist nicht ansteckend.
- Oft heilt sie selbstständig innerhalb von 2 bis 3 Tagen aus.
- Bei sehr jungen Kindern und bei schweren Verläufen müssen Antibiotika eingesetzt werden.
- Unentdeckt und unbehandelt kann sie unter Umständen zu langfristigen Hörstörungen führen.
- Vorbeugend wirken das Stillen, der Verzicht auf den Schnuller und das Vermeiden von Passivrauchen.
Mittelohrentzündung bei Baby oder Kleinkind ist keine Seltenheit
Eine akute Mittelohrentzündung ist einer der häufigsten Gründe, warum Eltern die Kinderarztpraxis aufsuchen. Man schätzt, dass sie über 80 Prozent der Kinder in den ersten Lebensjahren mindestens einmal durchmachen, viele Kinder sogar mehrmals. Sie tritt vorwiegend im Alter zwischen 6 Monaten und 6 Jahren auf. Am häufigsten erwischt es wohl Kinder im 1. und 2. Lebensjahr. Hauptsaison hat die Mittelohrentzündung übrigens von Dezember bis März. Sie ist nicht ansteckend.
Die gute Nachricht zuerst: In den allermeisten Fällen heilt eine Mittelohrentzündung im Baby- und Kindesalter von selbst aus. Nur selten kommt es zu Komplikationen, die wir hier der Vollständigkeit halber erwähnen wollen. Eine unentdeckte oder unbehandelte Otitis media kann sich im schlimmsten Fall ausbreiten (siehe auch: Bakterielle Meningitis). Weniger dramatisch, aber auch nicht ganz folgenlos wäre eine längerfristige Hörstörung. Gerade im Baby- und Kleinkindalter kann sie für Verzögerungen in der Sprachentwicklung sorgen.
Mittelohrentzündung erkennen: Symptome
Eine Mittelohrentzündung tritt meist während oder nach einem Infekt der oberen Atemwege (Erkältung oder Schnupfen) auf. Sie beginnt in der Regel mit einem schmerzlosen Völlegefühl im Ohr. Später macht sie sich durch zum Teil starke, stechende Ohrenschmerzen bemerkbar.
Leider kann dir dein Baby oder Kleinkind noch nicht sagen, wenn sich sein Ohr komisch anfühlt oder wehtut. Dazu kommt, dass die Symptome für eine Mittelohrentzündung in diesem jungen Alter sehr variabel sein können. Manchmal verläuft die Erkrankung auch ganz ohne erkennbare Symptome.
Mögliche Anzeichen für eine Mittelohrentzündung bei Babys und Kleinkindern:
- Greifzwang zum Ohr
- Unruhe & Schlaflosigkeit
- Weinen & Schreien
- Schmerzsignale insbesondere im Liegen und nachts
- Appetitlosigkeit
- Fieber
- Bauchschmerzen, Durchfall, Erbrechen
- Ohrfluss (Otorrhö)
Ohrfluss
Läuft plötzlich gelbliches Sekret aus dem Ohr, ist das ein Zeichen dafür, dass das Trommelfell infolge des erhöhten Drucks durchgebrochen ist. Das ist kein Notfall, sondern ein gutes Zeichen. Die Schmerzen sollten nun schlagartig besser werden und die Entzündung sowie das Loch im Trommelfell schnell ausheilen.
Wann zum Arzt?
Ohrenschmerzen sollten immer ärztlich abgeklärt werden. Auch wenn Mittelohrentzündungen im Kindesalter meist von selbst ausheilen, gibt es doch Risiken für Komplikationen. Vermutest du eine Mittelohrentzündung bei deinem Kind, solltest du den Gang in die Arztpraxis antreten, wenn:
- Dein Kind jünger als 2 Jahre ist.
- Dein Kind sehr krank und matt wirkt.
- Die Symptome länger als 2 Tage anhalten und keine Besserung zeigen.
- Dein Kind starkes Fieber bekommt und/oder sich eine schmerzhafte und gerötete Schwellung hinter dem Ohr zeigt. In diesem Fall bitte sofort zum Arzt oder in die Klinik!
- Wenn nach Durchbruch des Trommelfells (Ohrfluss) keine zügige Besserung der Symptome auftritt.
Ursachen für eine Mittelohrentzündung
Die Erkrankung wird von Viren oder Bakterien ausgelöst, die aus dem Nasen-Rachen-Raum über die Ohrtrompete ins Mittelohr gelangen. Das ist der Teil, der hinter dem Trommelfell liegt. Kleinkinder und Babys sind dafür besonders anfällig, da die Ohrtrompete noch recht kurz ist und die Gewebeflüssigkeit schlechter abfließen kann als bei einem Erwachsenen. Ein einfacher Schnupfen kann bei ihnen schon dazu führen, dass sich die Ohrtrompete entzündet und die Schleimhäute anschwellen. In der Folge kann das Sekret gar nicht mehr abfließen und verstopft das Innenohr (Paukenerguss). Dort übt es Druck auf das Trommelfell aus, was zu einer vorübergehenden Hörminderung führt. Gleichzeitig bietet festsitzendes Sekret im Mittelohr Keimen den perfekten Nährboden. Typische Erreger einer Mittelohrentzündung sind unter anderem Grippeviren und Pneumokokken.
Es gibt bestimmte Risikofaktoren, die die Neigung zur (wiederholten) Mittelohrentzündung steigern:
- Vergrößerte Nasenpolypen oder Rachenmandeln
- Immundefekte und genetische Veranlagung
- Neigung zu Allergien
- Gaumenspalte
- Häufiger Gebrauch des Schnullers
- Passivrauchen
Behandlung einer Mittelohrentzündung beim Baby oder Kleinkind
Eine Mittelohrentzündung heilt oft innerhalb von 24 bis 48 Stunden von selbst aus. Der genaue Verlauf hängt unter anderem vom Alter, dem Erreger und der Stärke des Immunsystems ab. Bei Kindern über 2 Jahren entscheiden sich Ärzte heute meistens fürs Abwarten. Das heißt, dass zunächst nur die Schmerzen behandelt werden und der Verlauf der Entzündung beobachtet wird.
Um ein Abheilen zu unterstützen, werden zum Beispiel abschwellende Nasentropfen und schleimlösende Mittel verschrieben. Nehmt sie bitte nach genauer Anweisung des Arztes oder der Packungsbeilage ein. Sie sollen dabei helfen, das Sekret besser abfließen zu lassen.
Ohrentropfen helfen bei einer Mittelohrentzündung übrigens nicht, da das Trommelfell dazwischenliegt. Sie haben nur eine Auswirkung bei einer Entzündung der äußeren Gehörgänge.
Was tun gegen die Schmerzen?
Ohrenschmerzen gehören zu den unangenehmsten Schmerzen überhaupt. Deinem Kind zuliebe solltest du deshalb nicht zögerlich mit der Gabe altersgerechter Schmerzmittel (Ibuprofen oder Paracetamol) sein. Hole dir im Zweifel ärztlichen Rat dazu ein oder lasse dich in der Apotheke hinsichtlich der Einnahme beraten.
Wann sind Antibiotika sinnvoll?
Mittelohrentzündungen können auch von Viren ausgelöst werden, gegen die Antibiotika nicht wirken. Deshalb wäre es sinnlos, sofort ein Antibiotikum einzusetzen, ohne den Erreger zu kennen. Unter bestimmten Voraussetzungen könnte der Arzt oder die Ärztin jedoch sofort Antibiotika verschreiben:
- Kinder unter 6 Monaten
- Kinder unter 2 Jahren mit beidseitiger Mittelohrentzündung und Fieber
- Starke Ohrenschmerzen
- Fieber ab 39 Grad
- Anhaltender, eitriger Ohrfluss
- Vorliegen bestimmter Risikofaktoren (etwa Immunschwäche)
Wichtig ist, dass ihr das Mittel genau nach ärztlicher Verordnung einnehmt. Ein vorzeitiges Abbrechen der Therapie könnte zum Wiederaufflammen der Infektion und zu Resistenzen führen.
Welche Hausmittel helfen bei Mittelohrentzündung?
Solange sich die Symptome in Grenzen halten und es deinem Kind grundsätzlich gut geht, kannst du eine Mittelohrentzündung auch erst mal mit Hausmitteln behandeln. Tritt nach spätestens 2 Tagen jedoch keine Besserung ein, sucht bitte die Kinderarztpraxis auf.
Schmerzlindernd wirkt Wärme (Rotlichtlampe, Traubenkernkissen). Ansonsten ist die Zwiebel dank ihrer desinfizierenden und abschwellenden Wirkung das Hausmittel der Wahl. Für Zwiebelwickel schneidest du eine Zwiebel klein und wickelst sie in ein Stofftaschentuch, Geschirrtuch oder eine Mullwindel. Das fertige Säckchen legst du auf und hinter das erkrankte Ohr. Zum Fixieren eignet sich ein schneller Kopfverband, eine Mütze oder ein Stirnband. Das Ganze kannst du eine Stunde oder länger einwirken lassen. Wiederhole die Prozedur gern 2 x täglich.
Ein weiterer Tipp sind isotonische Nasentropfen, die du recht schnell selbst machen kannst. Löse dafür 9 Gramm Salz in 1 L abgekochtem Wasser auf. Wem das zu aufwendig ist, der besorgt sich ganz einfach Kochsalzlösung (0,9 % NaCl Ampullen) aus der Apotheke. Mithilfe einer Pipette tröpfelst du deinem Kind 2 bis 5 Tropfen davon in jedes Nasenloch. Etwa 5 Minuten später kannst du den verflüssigten Schleim vorsichtig (!) mit einem Nasensauger absaugen. So löst sich bestenfalls das festsitzende Sekret.
Einer Mittelohrentzündung vorbeugen
Gestillte Säuglinge sind deutlich weniger von Mittelohrentzündungen betroffen. Deshalb ist das Stillen für mindestens 3 bis 6 Monate eine der besten Maßnahmen zur Vorbeugung.
Ansonsten gilt es, die bekannten Risikofaktoren zu vermeiden. Passivrauchen beispielsweise. Auch der Schnuller steht in dringendem Verdacht, anfälliger für Mittelohrentzündungen zu machen. Beim Schlafen sollte man ihn dem Kind aus dem Mund nehmen. Außerdem sollte er noch im 1. Lebensjahr abgewöhnt werden.
Ein ausreichender Impfschutz, insbesondere gegen Grippeviren und Pneumokokken, sollte die Gefahr einer Infektion verringern.
Bei wiederkehrenden Mittelohrentzündungen (rezidivierende Otitis media) sollte überprüft werden, ob dein Kind störende Nasenpolypen hat. Eventuell würde es helfen, die vergrößerten Rachenmandeln operativ zu entfernen. Zudem könnte der Arzt oder die Ärztin ein Paukenröhrchen empfehlen. Es würde unter einer kurzen Narkose ins Trommelfell eingebracht werden und dort verlässlich für die Belüftung des Mittelohrs sorgen. Über das Röhrchen könnte außerdem ein bestehender Paukenerguss abfließen, der sonst das Hörvermögen beeinträchtigt.
Musstest du Erfahrungen mit einer Mittelohrentzündung bei Babys oder Kleinkindern sammeln? Schreib uns deine Tipps in die Kommentare!
Quellen
- Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ): Mittelohrentzündung (Otitis media). https://www.kinderaerzte-im-netz.de/krankheiten/mittelohrentzuendung-otitis-media/was-ist-eine-mittelohrentzuendung-otitis-media/ (abgerufen am 24.06.2022)
- J.P. Thomas, R. Berner, T. Zahnest, S. Dazert: Strukturiertes Vorgehen bei akuter Otitis media. Erschienen in: Deutsches Ärzteblatt International 2014. https://www.aerzteblatt.de/archiv/155701/Strukturiertes-Vorgehen-bei-akuter-Otitis-media (abgerufen am 24.06.2022)
- K. Götte, T. Nicolai (Hrsg.): Pädiatrische HNO-Heilkunde. Erschienen im Urban & Fischer Verlag.1. Auflage, 2010.
- D. Kammerer: Die ersten drei Lebensjahre. Ein Elternbegleitbuch. Erschienen in Deutschen Taschenbuch Verlag. 2010.
- G. Brehmer, B. Beland: Aus der Praxis einer Kinderärztin. Sanfte Heilmethoden. Gesundes Leben, Sinnvoll impfen. Erschienen im Rowohlt Verlag. 7. Auflage, 2014.
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