Beim letzten Ultraschall wurde bei deinem Kind eine Erweiterung des Nierenbeckens festgestellt? Wir erklären dir, was eine Nierenbeckenerweiterung beim Baby bedeutet und wie sich die Diagnose in der Schwangerschaft und nach der Geburt auswirken kann.
Das Wichtigste in Kürze
- Eine Erweiterung des Nierenbeckens entsteht, wenn bei einem Baby der Abfluss des Urins gestört ist.
- Die Hydronephrose kann oft bereits im Rahmen der pränatalen Ultraschall-Diagnostik festgestellt werden.
- In Verbindung mit weiteren Auffälligkeiten kann die Nierenbeckenerweiterung beim Baby ein Softmarker für einen Gendefekt sein, nicht aber, wenn sie isoliert auftritt; in den meisten Fällen ist die Diagnose vollkommen harmlos.
- Die Auffälligkeit bildet sich häufig von selbst zurück; manchmal kann eine Operation notwendig sein.
Was bedeutet die Diagnose Nierenbeckenerweiterung beim Baby?
Deine Frauenärztin vermutet eine Nierenbeckenerweiterung bei deinem Baby? Ein solcher Anfangsverdacht kann in der Schwangerschaft beängstigend sein. Aber: Eine Erweiterung des Nierenbeckens führt nicht zwangsläufig zu gesundheitlichen Problemen. Sie kann sich sogar spontan zurückbilden – und tut dies auch häufig. Nur bei etwa einem von 600 Kindern ist die Nierenbeckenerweiterung behandlungsbedürftig. Atme also tief durch und bleibe ruhig.
Zunächst einmal bedeutet die Diagnose lediglich, dass die Nieren deines Babys im weiteren Verlauf der Schwangerschaft regelmäßig kontrolliert werden. Betrachte die vermehrten Kontrollen positiv. Sieh es als Möglichkeit, dein Baby häufiger als vorgesehen im Ultraschall sehen zu können.
Nierenbeckenerweiterung KEIN spezifischer Hinweis auf das Down-Syndrom!
Eine Nierenbeckenerweiterung kann ein Softmarker für chromosomale Störungen wie Trisomie 21 (Down-Syndrom) sein. Dadurch sind viele Eltern verunsichert, wenn sie die Diagnose erhalten. Aber: Tritt die Nierenbeckenerweiterung isoliert auf, also ohne weitere Auffälligkeiten, besteht bezüglich einer chromosomalen Störung in der Regel kein Grund zur Sorge! Eine Erweiterung des Nierenbeckens ist in den allermeisten Fällen vollkommen harmlos.
Wie kommt es zu einer Erweiterung des Nierenbeckens?
Du fragst dich: Was ist eine Nierenbeckenerweiterung überhaupt? Das Nierenbecken ist über die Harnleiter mit der Harnblase und der Harnröhre verbunden. Eine Nierenbeckenerweiterung entsteht, wenn diese Verbindung gestört ist. Dann kann der Urin nicht richtig ablaufen und staut sich. Infolgedessen weitet sich das Gewebe. Eine solche Erweiterung des Nierenbeckens und/oder der Nierenkelche wird in der Fachsprache als Hydronephrose bezeichnet.
Mögliche Ursachen einer Nierenbeckenerweiterung
Die Harnleiter eines Babys sind noch sehr eng und klein. Das kann den Urinablauf erschweren und eine Nierenbeckenerweiterung begünstigen. In den meisten Fällen handelt es sich bei einer Nierenbeckenerweiterung beim Baby daher lediglich um eine vorübergehende physiologische Veränderung, die sich verwächst und mit zunehmender Reifung des ableitenden Harnsystems von allein verschwindet. Als weitere Ursachen kommen eine Obstruktion (Abflussstörung) oder ein Reflux (Rückfluss von Harn) in den ableitenden Harnwegen infrage. Nur selten steckt eine Fehlbildung dahinter.
- Obstruktion: Der Urinabfluss ist durch eine Verengung gestört. Das Abflusshindernis kann sich an verschiedenen Stellen befinden, etwa im Harnleiter (Harnleitermündungsstenose), in der Harnröhre oder am Nierenbeckenabgang (Nierenbeckenabgangsstenose).
- Reflux: Seltener ist die Erweiterung des Nierenbeckens auf einen Urinrückfluss aus der Harnblase zu den Nieren zurückzuführen (Vesico-Urethraler-Reflux).
- Fehlbildung: Bei männlichen Feten kann der Urinabfluss auch durch eine Fehlbildung an der Harnröhre (Harnröhrenklappen) behindert werden. Harnröhrenklappen treten jedoch nur sehr selten auf.
Eine Erweiterung des Nierenbeckens kann einseitig oder beidseitig auftreten. Rund 1 bis 3 Prozent der Babys werden mit einer Nierenbeckenerweiterung geboren. Jungs sind häufiger betroffen als Mädchen.
Wie wird die Diagnose gestellt?
Eine Hydronephrose wird meist bereits im Rahmen der pränatalen Ultraschall-Diagnostik festgestellt. Zur Beurteilung der Nierenbeckenerweiterung beim Baby in der Schwangerschaft werden folgende Werte herangezogen:
- Milde Nierenbeckenerweiterung bei ≤ 7 mm im 2. Trimester und/oder ≤ 9 mm im 3. Trimester
- Moderate Nierenbeckenerweiterung bei 7–10 mm im 2. Trimester und/oder 9–15 mm im 3. Trimester
- Schwere Nierenbeckenerweiterung bei > 10 mm im 2. Trimester und/oder > 15 mm im 3. Trimester.
Manchmal zeigen sich auch erst nach der Geburt Auffälligkeiten. Je nachdem, ob eine Nierenbeckenerweiterung vor oder nach der Geburt festgestellt wird, wird sie als pränatale oder postnatale Hydronephrose bezeichnet.
Was sind bei einer Nierenbeckenerweiterung die Symptome?
Während der Schwangerschaft verursacht die Nierenbeckenerweiterung beim Baby in der Regel keine Symptome und beeinträchtigt dein Kind nicht. Auch nach der Geburt haben Säuglinge normalerweise keine Beschwerden. Es besteht jedoch ein erhöhtes Risiko für Harnwegsinfektionen.
Bei älteren Kindern können wiederholte Bauch- und/oder Flankenschmerzen ein Hinweis auf eine Nierenbeckenerweiterung sein.
Wie wird eine Hydronephrose behandelt?
Wird die Hydronephrose bereits in der Schwangerschaft erkannt, behält dein Arzt oder deine Ärztin die Entwicklung im Blick. Oft bildet sich eine Nierenbeckenerweiterung bereits vor der Geburt von allein wieder zurück. Sollte die Nierenbeckenerweiterung bei deinem Baby zunehmen, wird man dich bereits während der Schwangerschaft ausführlich über die Behandlungsmöglichkeiten informieren. Die Behandlung erfolgt jedoch erst, wenn dein Baby auf der Welt ist. Nur in sehr seltenen Ausnahmefällen müssen vorab Maßnahmen ergriffen werden, etwa bei Verdacht auf Harnröhrenklappen und Oligohydramnion (zu wenig Fruchtwasser).
Ursachenforschung
Die Therapie richtet sich nach der zugrundeliegenden Ursache der Nierenbeckenerweiterung. Um die Ursache ausfindig zu machen, kann unter anderem mit einer Röntgenkontrastuntersuchung und einer Computertomografie überprüft werden, ob der Harnabfluss beim Baby etwa durch eine angeborene Fehlbildung oder Nierensteine behindert wird. Bei Verdacht auf eine Harnabflussfehlbildung kann eine Nierenszintigrafie notwendig sein. Eine mögliche Nierenfunktionsstörung kann zudem mittels Labordiagnostik (Überprüfung der Nierenwerte) erkannt werden.
Auch das Ausmaß der Hydronephrose spielt bei der Therapiefestlegung eine Rolle. Die Nierenbeckenerweiterung wird entsprechend ihres Ausdehnungsgrads folgendermaßen klassifiziert:
- Grad 1 = Nur das Nierenbecken ist erweitert.
- Grad 2 = Das Nierenbecken und die Nierenkelche sind leicht erweitert, aber ohne jegliche Verplumpung.
- Grad 3 = Das Nierenbecken und die Nierenkelche sind deutlich erweitert und teilweise verplumpt.
- Grad 4 = Die Nierenkelche sind stark verplumpt, das Nierengewebe ist stark ausgedünnt. Eine solch extreme Ausprägung wird auch als Wassersackniere bezeichnet.
Behandlungsmöglichkeiten
Die gute Nachricht: Die allermeisten Hydronephrosen müssen zwar länger beobachtet, aber nicht behandelt werden. Eine Nierenbeckenerweiterung kann sich sogar von selbst auflösen, wenn das Baby größer wird. Bei Nierenbeckenerweiterungen, die mit Harnwegsinfekten einhergehen, genügt manchmal eine niedrig dosierte Antibiotikatherapie, um die Beschwerden in den Griff zu bekommen.
In schwereren Fällen ist jedoch eine Operation unumgänglich, um die Abflussbehinderung zu beseitigen.
Bei hochgradigen Hydronephrosen: OP
Je nachdem, wo sich die Verengung befindet, stehen unterschiedliche operative Verfahren zur Verfügung:
- Nierenbeckenplastik
- Harnleiterneueinpflanzung in die Blase
- Blasenspiegelung mit Unterspritzung der Harnleitermündungen in der Blase.
Zugegeben, diese Eingriffe klingen beängstigend. Aber: Die Prognose für Babys mit einer Nierenbeckenerweiterung ist auch dann gut, wenn eine Operation erforderlich ist. Die OP erfolgt bei Babys normalerweise als offene Operation. Bei älteren Kindern kann der Eingriff per Laparoskopie (Schlüsselloch-OP) durchgeführt werden. Eine Operation dauert circa eine Stunde. Mehr erfährst du in diesem Video, das du dir in der ARD Mediathek anschauen kannst.
Was, wenn eine Nierenbeckenerweiterung unbehandelt bleibt?
Wird eine hochgradige Nierenbeckenerweiterung nicht behandelt, ist das Risiko von wiederholten fieberhaften Harnwegsinfekten und Nierenbeckenentzündungen erhöht. Es kann außerdem zu einer dauerhaften Schädigung des Nierengewebes bis hin zu Nierenversagen (Niereninsuffizienz) kommen. Dank der heutzutage frühen Diagnostik sind solche schwerwiegenden Komplikationen jedoch sehr selten.
Fazit: Eine Nierenbeckenerweiterung beim Baby ist gut behandelbar
Eine Hydronephrose bildet sich oftmals spontan zurück. Rechtzeitig entdeckt und behandelt, ist die Prognose für Babys mit einer Nierenbeckenerweiterung auch dann gut, wenn sie sich nicht verwächst. Es stehen verschiedene Therapien zur Verfügung, um die Erweiterung in den Griff zu bekommen. Bei erfolgreicher Behandlung kommt es meist innerhalb weniger Tage oder Wochen zu einer vollständigen Normalisierung der Nierenfunktion. Also: Lass dich durch die Diagnose nicht verunsichern und genieße deine Schwangerschaft!
FAQ: Häufige Fragen zur Nierenbeckenerweiterung beim Baby
Verursacht eine Nierenbeckenerweiterung Schmerzen?
Selbst hochgradige Hydronephrosen verursachen bei Säuglingen normalerweise keine Schmerzen. Daher werden Nierenbeckenerweiterungen beim Baby in den meisten Fällen rein zufällig im Rahmen der Ultraschall-Routineuntersuchungen während der Schwangerschaft oder nach der Geburt festgestellt.
Wo finde ich Eltern, die mit der Nierenbeckenerweiterung beim Baby Erfahrungen haben?
Über die knw-Elterndatenbank kannst du dich mit Gleichbetroffenen vernetzen. Außerdem teilen viele Eltern in Foren ihre Erfahrungen mit der Nierenbeckenerweiterung beim Baby. Auch dort kannst du dich mit anderen Eltern austauschen.
Können auch Schwangere selbst eine Hydronephrose entwickeln?
Ja, auch bei Schwangeren kann eine vorübergehende Hydronephrose entstehen – und zwar dann, wenn die Gebärmutter auf den Harnleiter drückt. Nach der Geburt bildet sich die Nierenbeckenerweiterung in der Regel von selbst wieder zurück.
Quellen
- Klinik für Allgemein-, Viszeral-, Thorax- und Kinderchirurgie: Auffällige Nierenbeckenerweiterung (vor oder nach Geburt) = pränatale oder postnatale Hydronephrose
https://www.rkh-gesundheit.de/fileadmin/user_upload/Kinder/X0422_Merkblatt_auffällige_Nierenbeckenerweiterung_03.05.2021_rz_A4_für_Dr._Eberlein.pdf (abgerufen am 12.09.2024) - Oberschwaben Klinik: Nierenbeckenerweiterung – ein Krankheitsbild aus der Kinderurologie
https://www.oberschwabenklinik.de/service/aktuelles/detailseite/nierenbeckenerweiterung-ein-krankheitsbild-aus-der-kinderurologie.html (abgerufen am 12.09.2024) - Deutsche Hebammen Zeitschrift: Nur bei Jungen und immer harmlos?
https://www.dhz-online.de/no_cache/archiv/archiv-inhalt-heft/archiv-detail-abo/artikel/nur-bei-jungen-und-immer-harmlos/ (abgerufen am 12.09.2024) - Deutsche Hebammen Zeitschrift: Jonglieren mit Wahrscheinlichkeiten
https://www.dhz-online.de/no_cache/archiv/archiv-inhalt-heft/archiv-detail-abo/artikel/jonglieren-mit-wahrscheinlichkeiten/ (abgerufen am 12.09.2024) - Ordensklinikum Linz: Elterninformation Kinderurologie Hydronephrose – Was versteht man unter einer Hydronephrose?
https://www.ordensklinikum.at/fileadmin/user_upload/3_downloads/patienten/Elterninformation_Kinderurologie_Hydronephrose_01.pdf (abgerufen am 12.09.2024) - Kliniken Köln: Hydronephrose
https://www.kliniken-koeln.de/templates/documents/downloads/311_0_WEB_Nierenbecken.pdf (abgerufen am 12.09.2024) - knw Kindernetzwerk e.V.: Hydronephrose
https://www.kindernetzwerk.de/images/glossar/Krankheitsbeschreibungen/Hydronephrose.pdf (abgerufen am 12.09.2024) - ERKNet – The European Rare Kidney Disease Reference Network: Hydronephrose
https://www.erknet.org/patient_info/Hydronephrose.pdf (abgerufen am 12.09.2024)