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Schadet eine lange Kita-Betreuungszeit meinem Kind?

Schläfriges Kind liegt in der Kita auf Spielzeug.
Ob die Betreuungszeit für das Kind zu lang ist, hängt von vielen verschiedenen Faktoren ab … / Bild © Mariakray, Adobe Stock.

Kann eine zu lange Kita-Betreuungszeit das Kind belasten? Und wie zeigt sich das? Wir haben Antworten!

Stehst du gerade vor der Frage, welches Betreuungsmodell für dein Kind das Richtige ist?

Oder besucht dein Kind schon eine Krippe oder Kita und du fragst dich, ob ihm die lange Betreuungszeit eher schadet?

Tatsächlich hat eine Studie aus dem Jahr 2023 herausgefunden, dass lange Betreuungszeiten Kindern nicht pauschal schaden. Viel entscheidender sei laut Studie die Qualität der Betreuungszeit. Denn …

Personelle Engpässe & Fachkraft-Kind-Beziehung

Damit das Kind sich in der Kita sicher, geborgen und in seinen Bedürfnissen gesehen fühlt, braucht es verlässliche Beziehungen. In der Eingewöhnung wird die Beziehung zwischen dem Kind und ein oder mehreren Fachkräften so gestärkt, dass das Kind sich in der Kita stabil fühlt. Nur so kann es dort freie Bildungs- und Beziehungserfahrungen machen und sich ungehemmt entfalten.

Muss die Kita durch strukturelle Engpässe und Krankheitsfälle öfter bis regelmäßig schließen oder kann die Bezugsfachkraft nicht ausreichend für ein Kind da sein, weil sie alleine mehrere Kinder betreuen muss, fühlt sich das Kind (langfristig betrachtet) möglicherweise nicht mehr so sicher in der Kita, wie zuvor.

Ja, in diesem Fall kann – muss aber nicht – die lange Betreuungszeit vor Ort dem Kind (langfristig) schaden.

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Die katastrophale Lage für Kita-Personal in Deutschland ist kein Geheimnis und spielt hierbei eine große Rolle. Schlechte Arbeitsbedingungen, eine hohe Arbeitsbelastung, niedrige Personalschlüssel, eine dürftige Bezahlung, hohe Erkrankungsraten (körperlich wie psychisch) und überlastete Fachkräfte sind nur ein Teil dessen, was regelmäßig zu personellen Engpässen, Betreuungszeitverknappung und ganzen Gruppenschließungen führen kann.

Die Frage ist also, was muss sich an den strukturellen Gegebenheiten verändern, damit dieser – längst zur Normalität gewordene – Zustand nicht weiter zur chronischen Belastung aller Beteiligten wird?

Kita-Konzept 

Eine Kindertagesstätte ist eine Betreuungs- und Bildungseinrichtung. Das Kind wird hier nicht nur beim Spielen beaufsichtigt, es macht hier vor allem wertvolle Lernerfahrungen, die für seine Entwicklung wichtig sind. 

Je länger das Kind am Tag in der Kita ist, desto wichtiger ist also, was dort gemacht und angeboten wird. Häufig wird das Kita-Konzept samt Bildungsansatz bereits in den Kita-Vorgesprächen klar. 

Ist das nicht so, frage ruhig aktiv nach oder tausche dich mit Familien aus, die schon länger in der Kita sind. 

Denn wenn dein Kind ganztags in der Kita ist, ist es im Schnitt länger dort als zu Hause. In diesem Fall solltest du wissen, welche Werte und Normen in der Kita gelebt und vermittelt werden. 

Beispiele:

  • Wie werden etwa die Kinderrechte thematisiert?
  • Was gibt es in der Kita für Schutzkonzepte?
  • Wie sieht es mit musisch-kreativer Bildung und Zeit in der Natur aus?
  • Welche Spielmaterialien wurden angeschafft und wieso?
  • Inwiefern können die Kinder den Alltag mitbestimmen?

Neben der Qualität der Betreuung ist bei der oben gestellten Frage allerdings auch entscheidend …

Die Persönlichkeit und Lebensrealität des Kindes

Die Persönlichkeit des Kindes spiegelt seine Bedürfnisse, Vorlieben, Interessen und Wünsche wider. Als Elternteil wirst du vielleicht schon ein Gefühl dafür haben, ob eine zu lange Betreuungszeit eher schädlich für dein Kind ist oder nicht. 

Versuche dafür, dein Kind möglichst aus einer Vogelperspektive zu betrachten, um es nicht zu über- aber auch nicht zu unterschätzen.

Auch die individuelle Lebensrealität, samt Familienkonstellationen, Alltag und Umgebung, spielt bei der oben genannten Frage eine Rolle.

Das Alter des Kindes mitbedenken

Was nicht stimmt: „Das Kind sollte mindestens X Jahre alt sein, um in eine Ganztagskita zu gehen.“

Hier werden die anderen Faktoren wie die individuelle Persönlichkeit des Kindes, seine Lebensrealität und die Qualität der Kita nicht mitgedacht.

Was stimmt: „Das Alter spielt eine Rolle bei der Frage, ob eine Betreuungszeit zu lang ist und dem Kind schaden könnte.“

Laut der Bindungstheorie von John Bowlby erleben Kinder sich bis etwa zum 15.-18. Lebensmonat als Einheit mit den Bindungspersonen (in der Regel die Eltern). Erst in der Autonomiephase verstehen sie sich allmählich als Individuum mit eigenen Bedürfnissen, Vorlieben und Wünschen. Diese Zeit der schrittweisen, langsamen Ablösung der Eltern ist deshalb unglaublich wichtig für die Kindesentwicklung. 

Obendrein durchleben Kleinkinder viele Entwicklungsschritte in kürzester Zeit. Um diese vollständig zu integrieren, braucht es viel (freie) Zeit. 

Im Alter zwischen 1 bis 3 Jahren ist also eher eine kürzere Kita-Betreuungszeit empfehlenswert, auch hier wieder unter Berücksichtigung der anderen Faktoren.

Das schließt im Übrigen nicht aus, dass eine lange Betreuungszeit für ein 5-jähriges Kind genauso zu viel sein könnte. 

Du siehst, diese Frage ist immer individuell zu betrachten. Wie etwa hier …

Individuelle Beispiele 

  • Kim (2) stellt zu Hause viele Fragen, schließt gerne Kontakte, hat einen großen Wissensdurst und einen ausgeprägten Bewegungsdrang, der in der kleinen Stadtwohnung ohne Garten nicht gut gestillt wird. Hier könnte eine lange Betreuungszeit eher förderlich sein, damit Kims Bedürfnisse nach Sozialkontakten, Bildung und Bewegung erfüllt werden können.
  • Nova (5) geht gerne in die Ganztagskita, hat dort viel Freude und geht offen auf andere Kinder zu. Die Fachkräfte melden den Eltern genau das zurück. Nach der Kita ist sie jeden Tag „wie ausgewechselt.“ Sie wirkt wütend und braucht viel Zeit, um in den Schlaf zu kommen, trotz ihrer Erschöpfung. Hier könnte es sein, dass für Nova eine verkürzte Betreuungszeit besser wäre, damit sie mehr Zeit nach der Kita bekommt, um ihre Eindrücke zu verarbeiten und sich zu entspannen. 
  • Luca (4) ist Teil einer Großfamilie. Am liebsten beschäftigt er sich alleine in seinem Zimmer mit seinen Malsachen. Er ist schnell erschöpft, wenn er mit seinen vielen Geschwistern Zeit verbringt oder wenn zusätzlicher Besuch da ist. Nach der Kita möchte er direkt in sein Zimmer. Beim Abendessen fällt es ihm schwer, wach zu bleiben. Je nach Lucas Wünschen wäre hier eine kürzere Betreuungszeit sinnvoller, da Luca dann mehr Erholungszeit hätte. So würden die Gruppenkontexte, die er im Leben ohnehin schon viel hat, ihm nicht allzu sehr die Energie rauben. Eher ungeeignet wären für Luca jetzt offene Kita-Konzepte ohne klare Gruppenstruktur. 
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Woran du Belastungen durch eine zu lange Kita-Zeit erkennst

Wenn dein Kind schon eine Kita besucht, gibt es Merkmale, an denen du spüren kannst, dass die Betreuungszeit möglicherweise zu lang ist. 

Diese können etwa sein: 

  • Dein Kind ist nach der Kita beinahe täglich wütend, ungehalten, überdreht, unausgeglichen, erschöpft und beschwert sich lautstark auf verschiedenste Weise.
  • Es ist am Abend beinahe täglich zu wenig bis nichts mehr in der Lage, schläft schon weit vor der Schlafenszeit ein oder hat Probleme, trotz seiner Erschöpfung, ein- oder durchzuschlafen. 
  • Das Kind verliert plötzlich oder schleichend Interesse an vorher geliebten Tätigkeiten.
  • Das Kind wirkt verändert oder „nicht bei sich“.
  • Neben Apathie und Lustlosigkeit kann sich auch völlig das Gegenteil, wie eine schlagartige Wut, Freude, Trauer oder ein auffällig ausgeprägter Bewegungsdrang zeigen.

Du siehst bereits: Alles kann, muss aber nicht, auf eine zu lange Betreuungszeit hinweisen. Merkmale, die beinahe täglich und sehr intensiv auftreten, können ein Warnsignal sein. Wenn dein elterliches Bauchgefühl zusätzlich Alarm schlägt, nimm das auf jeden Fall ernst. 

Wie du jetzt vorgehen kannst

  1. Suche das Gespräch mit dem anderen Elternteil sowie ggf. weiteren engen Bezugspersonen und tauscht eure Beobachtungen aus.
  2. Binde die pädagogischen Fachkräfte ein und frage nach einem zeitnahen Elterngespräch. Hier könnt ihr eure Beobachtungen abgleichen, damit für das Kind schnellstmöglich eine Lösung gefunden wird. 
  3. Bei einer anschließenden Entscheidung sollte immer das Wohlergehen des Kindes im Vordergrund stehen. Ist die Betreuungszeit für dein Kind offensichtlich zu lang, möchten wir dich ermutigen, sie zu verkürzen.

Die Betreuungszeit ist für dein Kind zu lang, du bist aber auf sie angewiesen?

Wäre es eine Option für dich, die Betreuungszeit trotzdem zu verkürzen und nach einer Betreuung durch Freunde, Verwandte, Babysittern, Leihgroßeltern usw. Ausschau zu halten? 

Meist sind es der Gruppenkontext und die strukturelle Gegebenheit in der Kita, die für das Kind im langen Alltag zu viel sind. Im 1:1 Kontakt mit Babysitter und Co. fühlt es sich möglicherweise eher geborgen, in seinen Bedürfnissen gesehen und sicher.  

Fazit

Es gibt keine allgemeingültige Antwort, ob eine lange Kita-Betreuungszeit dem Kind schadet oder nicht. 

Diese Frage müssen sich Eltern immer wieder individuell stellen, indem sie ihr Kind nach der Kita wachsam beobachten und alle anderen Faktoren seines Lebenssystems mitbedenken. Auch die Gegebenheiten in der Kita spielen hier eine große Rolle.

Im Zweifel sollte immer zum Wohlergehen des Kindes entschieden werden. 

Bei Betreuungszeit-Kürzungen können Freunde, Verwandte, Babysitter und Co. möglicherweise Abhilfe schaffen. Hier kann der 1:1 Kontakt wertvoll sein, ohne dass er das Kind zusätzlich überfordert. 

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Quellen

  • Davies, Uzodike, van Loon, Wirth (2022). Das Montessori Baby. Geborgen und mit offenen Sinnen ins Leben starten. Weinheim: Verlagsgruppe Beltz.
  • Largo, Remo H. (2016). Babyjahre. Entwicklung und Erziehung in den ersten vier Jahren (18. Auflage). München/Berlin: Piper Verlag GmbH.
  • Perls, Frederick S., Hefferline, Ralph F., Goodman, Paul (2015). Gestalttherapie. Grundlagen der Lebensfreude und Persönlichkeitsentfaltung. (9. Auflage). Stuttgart: Klett-Cotta Verlag.
  • Verlag Herder GmbH, Susanne Stegmeier (2021): Grundlagen der Bindungstheorie. https://www.kindergartenpaedagogik.de/fachartikel/psychologie/grundlagen-der-bindungstheorie/ (abgerufen am 05.11.2024).
  • Society for Research in Child Development (2023): Do more hours in center-based care cause more externalizing problems? A cross-national replication study. https://srcd.onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/cdev.13871 (abgerufen am 30.10.2024).
Veröffentlicht von Leonie Illerhues

Leonie war nach ihrem Studium der Heilpädagogik lange im Schulhort-, Kita- und Krippenbereich tätig. Erziehungs- und Entwicklungsthemen im Baby- und Kleinkindalter sind deshalb ihr Steckenpferd. Seit 2022 ergänzt Leonie unser Team mit diesem Schwerpunkt.

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