Kaum die Frauenarzt- oder Hebammenpraxis betreten, schon hast du einen Becher in der Hand und wirst zu den Toiletten geschickt. Warum wird eigentlich bei jeder Vorsorgeuntersuchung dein Urin kontrolliert? Hier gibt’s die Antwort!
Einmal in den Becher pinkeln, bitte! Warum eigentlich?
Die regelmäßige Kontrolle deines Urins ist ein fester Bestandteil der Schwangerschaftsvorsorge, da sich im Urin Anzeichen für Erkrankungen und andere Probleme zeigen können. Das heißt, du wirst in der Arzt- oder Hebammenpraxis
- bei jedem Vorsorgetermin (alle vier Wochen, ab der 32. SSW alle zwei Wochen) sowie
- beim Nachsorgetermin sechs bis acht Wochen nach der Geburt
darum gebeten, vor Ort etwas Urin in einem Becher aufzufangen.
Per Teststreifen ermittelt die Arzthelferin oder die Hebamme dann den Gehalt von Zucker und Eiweiß in deinem Urin. Je nach Art der Teststreifen kann manchmal auch auf Blut oder Leukozyten getestet werden. In den Mutterschaftsrichtlinien ist jedoch lediglich der routinemäßige Test auf Zucker und Eiweiß vorgeschrieben.
Die Ergebnisse der Urinuntersuchungen werden stets in deinem Mutterpass notiert.
Wichtig für dich zu wissen: Nicht immer bedeuten auffällige Urintests auch, dass es Probleme gibt. Nur in Kombination mit weiteren Werten, wie dem Blutdruck und im Zweifel den Blutwerten, lassen sich konkrete Diagnosen stellen. Eine auffällige Urinprobe kann erste Hinweise auf bestehende Probleme liefern, genauso gut aber auch keine relevanten Ursachen haben.
Bei deiner ersten Vorsorgeuntersuchung wird dein Urin zusätzlich auf Chlamydia trachomatis untersucht, einem Bakterium, das zu schweren Schwangerschaftskomplikationen führen kann und sofort behandelt werden müsste. Dafür wird eine Urinprobe ins Labor geschickt. Die Auswertung erhält deine Frauenärztin oder dein Frauenarzt wenige Tage später. Das Ergebnis wird ebenfalls in deinem Mutterpass festgehalten (Seite 3).
Vor einigen Jahren war auch noch die regelmäßige Kontrolle deines Urins auf Bakterien und Sedimente fest in den Mutterschaftsrichtlinien verankert. Inzwischen gilt diese Empfehlung nicht mehr. Bestehen im Verlauf der Schwangerschaft erhöhte Risiken oder der Verdacht auf eine Infektion oder Entzündung des Urogenitaltrakts, kann deine Ärztin oder dein Arzt selbstverständlich trotzdem umfangreichere Tests veranlassen.
Risikofaktoren oder Anzeichen, die zusätzliche Urinuntersuchungen rechtfertigen, sind unter anderem:
- Symptome wie Juckreiz, Brennen, Unterbauchschmerzen und Schmerzen beim Wasserlassen
- wiederkehrende Harnwegsinfekte vor der Schwangerschaft
- eine Frühgeburt in der vorherigen Schwangerschaft
Darum wird dein Urin auf Zucker untersucht
Ein erhöhter Zuckeranteil in deinem Urin kann auf Störungen des Zuckerstoffwechsels hindeuten und damit ein Symptom für einen Schwangerschaftsdiabetes sein. Wohlgemerkt: kann. Denn gegen Ende der Schwangerschaft kann sich auch Zucker im Urin befinden, ohne dass ein Diabetes vorliegt.
Schlägt der Urintest auf Zucker an, werden deshalb weitere Tests folgen, um einen Gestationsdiabetes nachzuweisen oder auszuschließen.
Je früher entdeckt, desto besser lässt sich dieser behandeln. Deshalb gehört die Analyse der Urinzuckerwerte zur routinemäßigen Schwangerschaftsvorsorge.
Darum wird dein Urin auf Eiweiß untersucht
Eiweiß im Urin kann (!) ein Marker für eine Präeklampsie sein, eine ernst zu nehmende Schwangerschaftserkrankung. Sie geht in der Regel auch mit erhöhtem Blutdruck und Wassereinlagerungen einher und kann schwerwiegende Folgen haben.
Ein Ziel der regelmäßigen Urinuntersuchung ist es, eine mögliche Präeklampsie frühzeitig zu entdecken, um sie schnellstmöglich therapieren und ihre Auswirkungen eindämmen zu können. Deshalb gehört der Test auf Eiweiß-Bestandteile in deinem Urin ebenfalls zu den Routineuntersuchungen in der Schwangerschaft.
Urin auffangen: Wie stelle ich das am besten an?
Für die regelmäßige Urinprobe wirst du normalerweise gebeten, den Mittelstrahlurin aufzufangen (außer beim Chlamydien-Test, dafür wird Erststrahlurin gebraucht). Das bedeutet, dass du nur den mittleren Anteil des Urins im Becher sammelst. Den ersten Teil und den Rest setzt du also ganz normal in die Toilette ab und hältst zwischendurch den Strahl kurz an, um den Becher zu platzieren und wieder zu entfernen.
Zugegeben, mit wachsendem Bauch wird diese Übung von Mal zu Mal anspruchsvoller. Nicht zuletzt sieht man gegen Ende der Schwangerschaft da unten rein gar nichts mehr. Aber glaub’ uns: Bis dahin wirst du wirklich geübt darin sein, in einen Becher zu pinkeln. Das geht dann auch ganz ohne zu gucken.
Quellen
- Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die ärztliche Betreuung während der Schwangerschaft und nach der Geburt. https://www.g-ba.de/downloads/62-492-3335/Mu-RL_2023-09-28_iK-2023-12-19.pdf (abgerufen am 12.12.2024)
- BFV, DGGG (Frauenärzte im Netz): Wann wird ein Urintest durchgeführt? https://www.frauenaerzte-im-netz.de/diagnostik/urin-untersuchung-urin-analyse/wann-wird-ein-urintest-durchgefuehrt/#c311 (abgerufen am 12.12.2024)
- DGfN: Schwangerschaftsuntersuchungen umfassen nach wie vor die Urintests auf Eiweiß und Zucker. https://www.dgfn.eu/pressemeldung/schwangerschaftsuntersuchungen-umfassen-nach-wie-vor-die-urintests-auf-eiweiss-und-zucker.html (abgerufen am 12.12.2024)
- IQWiG: Urintests verstehen. https://www.gesundheitsinformation.de/urintests-verstehen.html (abgerufen am 12.12.2024)
- LADR: Labordiagnostik in der Schwangerschaft. https://www.ladr.de/fuer-aerztinnen/fachinformationen/ladr-informiert/gynaekologie-und-geburtshilfe/labordiagnostik-in-der-schwangerschaft (abgerufen am 12.12.2024)