Schnalzen, Schmatzen oder ständiges Loslassen beim Stillen: Wenn das Saugen kaum klappen will, kann ein verkürztes Zungenbändchen schuld sein. In diesem Artikel erfährst du, was das bedeutet und wann Handlungsbedarf besteht.
Was ist ein Zungenbändchen?
Das Zungenbändchen (medizinisch: Frenulum linguae) ist ein Band aus Bindegewebe unter der Zunge, das sie mit dem Mundboden verbindet. Jeder Mensch hat es – doch bei manchen ist es verkürzt oder weit vorn angewachsen, dadurch kann sich die Zunge nicht frei genug bewegen. Dann spricht man von einer Zungenbandverkürzung oder Ankyloglossie. Je nach Studie kommt sie bei 2 bis 15 Prozent der Babys vor.
Wie erkennt man ein verkürztes Zungenbändchen?
Die Diagnose sollte immer durch Fachpersonal erfolgen. Das können z. B. Hebammen, Stillberaterinnen (IBCLC), Kinderärzte, HNO-Ärztinnen oder spezialisierte Zahnärzte sein. Kriterien sind:
- die eingeschränkte Beweglichkeit der Zunge
- Stillprobleme oder Auffälligkeiten beim Füttern
- eventuell eine runde oder herzförmige Zungenspitze
Woher kommen die Stillprobleme?
Eine frei bewegliche Zunge drückt die Brustwarze fest an den oberen Gaumen und streicht sie aus. Bei einer Zungenbandverkürzung kann dein Baby die Brustwarze eventuell nicht richtig erfassen oder hält sie nicht effektiv im Mund. Oft sind die Brustwarzen nach dem Stillen verformt.
Häufiges Loslassen, Luftschlucken, schmerzhaftes Stillen und ungenügende Milchaufnahme sind typische Anzeichen. Aber auch häufiges und langes Trinken als Dauerzustand können Hinweise sein.
Die Trinkprobleme können unterm Strich zu unzureichender Gewichtszunahme beim Baby und zu wunden Brustwarzen, Milchrückgang oder Milchstau bei dir führen. Sie können jedoch auch andere Ursachen haben.
Weitere denkbare Folgen eines verkürzten Zungenbändchens
Auch andere Folgen sind denkbar, werden wissenschaftlich jedoch kontrovers diskutiert:
Auswirkungen auf die Sprachentwicklung
- Der Einfluss eines zu kurzen Zungenbändchens auf die Sprachentwicklung ist nicht eindeutig belegt. Einige Studien deuten auf mögliche Auswirkungen auf die Artikulation hin, vor allem bei Lauten wie „l“, „t“, „d“ und „r“.
- Allerdings kompensieren viele Kinder mit kurzer Zunge ihre Probleme in der Aussprache durch andere Techniken. Deshalb ist jenseits der Stillzeit Abwarten angeraten.
Andere Einschränkungen
- Dein Kind kann z. B. die Zunge nicht über die Lippen hinausstrecken oder sie nicht nach oben an den Gaumen bewegen.
- Eine abweichende Ruheposition der Zunge (unten statt oben am Gaumen) kann zu Zahnfehlstellungen und später zu Kopf- und Nackenschmerzen führen, weil sich der Gaumenbogen nicht richtig ausbildet.
- Auch das Schlucken, Kauen und Reinigen der Zähne kann langfristig betroffen sein.
EINE Lösung: Das Zungenbändchen durchtrennen
Ein kurzes oder weit vorn angewachsenes Zungenbändchen muss ohne Beschwerden nicht zwingend behandelt werden (kann aber).
Trinkt dein Kind aufgrund des Zungenbändchens nicht ausreichend, kann eine erfahrene Stillberaterin eventuell auch ohne Eingriff weiterhelfen.
Bringt die Stillberatung nichts oder möchtest du mögliche Risiken minimieren, kann eine Frenotomie Abhilfe schaffen. Das ist ein kleiner Schnitt mit Schere oder Skalpell durch den vorderen und manchmal auch hinteren Teil des Zungenbändchens. Ein Laser kommt als Selbstzahlerleistung ebenfalls infrage.
Der Eingriff ist sehr kurz (30 Sekunden) und erfolgt ohne Narkose. Der Ablauf kann variieren, weil eine klare Leitlinie fehlt. Wichtig ist, dass die Behandlung von Fachpersonal durchgeführt wird und du dich vorher beraten lässt!
Es kann sein, dass du schon bei der U2 in der Klinik auf das verkürzte Zungenbändchen deines neugeborenen Babys hingewiesen und zu einer Entscheidung gedrängt wirst. Das kann ganz schön verunsichern. Du musst jedoch nicht sofort entscheiden und darfst das klar kommunizieren. Denn ob es Stillprobleme geben wird, zeigt sich erst nach Tagen oder sogar Wochen. Genug Zeit, um eine Stillberatung zu organisieren und das Für und Wider des Schneidens gründlich abzuwägen.
Aktives Wundmanagement: ja oder nein?
Nach dem Durchtrennen des Zungenbändchens empfehlen manche Fachkräfte (nicht alle!) „aktives Wundmanagement“. So soll das wunde Gewebe nicht erneut verkleben und die Zunge beweglicher bleiben. Allerdings konnten bei einer Studie von 2022 keine großen Unterschiede mit oder ohne Wundmanagement festgestellt werden. Ob Pflegemaßnahmen, wie
- die Zunge anzuheben,
- sie zu dehnen oder
- die Wunde zu massieren,
wirklich nötig sind, bleibt also unklar. Lass dich am besten beraten.
Gut zu wissen: Nicht immer löst die Frenotomie bestehende Stillprobleme. Es ist ratsam, auch zur Nachsorge eine Stillberaterin hinzuzuziehen, damit dein Baby lernt, effizienter zu trinken.
Gibt es Nachteile, wenn das Zungenbändchen durchtrennt wird?
Ja, die gibt es. Auch wenn der Eingriff an sich schnell vorüber ist, können Schmerzen mit entsprechender Stressreaktion, eine Infektion oder eine Blutung nie ganz ausgeschlossen werden.
Wird die Zunge danach nicht richtig bewegt, kann die Narbe unter Umständen stärker als zuvor verwachsen (nicht sicher). Nicht zuletzt handelt es sich möglicherweise um einen unnötigen Eingriff.
Deshalb ist es so wichtig, Fachkräfte hinzuzuziehen, die mit der Mini-OP kein Geld verdienen möchten.
Kritik aus der Fachwelt
In der Medizin gibt es Stimmen, die vor einer Überdiagnose und einer Art „Zungenbändchen-Trend“ warnen – vor allem in sozialen Medien oder bei kommerziellen Anbietern.
Studien wie diese zeigen, dass sich Stillprobleme bei nachgewiesener Einschränkung nach einer Frenotomie oft deutlich bessern. Langfristige Auswirkungen (Sprache, Kieferentwicklung, Haltung) sind jedoch bisher nicht eindeutig belegt und werden kontrovers diskutiert.
Fachgesellschaften wie die Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP) betonen deshalb, dass:
- nicht jedes kurze Zungenbändchen geschnitten werden muss,
- die Indikation immer gut begründet sein sollte,
- und dass interdisziplinäre Abklärung und Begleitung (Stillberatung, Pädiatrie, HNO, ggf. Logopädie) notwendig ist.
Was kannst du tun?
Wenn du den Verdacht hast, dass dein Baby ein zu kurzes Zungenbändchen hat:
- Beobachte das Trinkverhalten deines Babys genau.
- Hole dir Unterstützung bei einer zertifizierten Stillberaterin
- Lass dein Baby fachlich übergreifend untersuchen.
- Entscheide gemeinsam mit den Fachleuten, ob und welche Behandlung sinnvoll ist.
Fazit
Ein zu kurzes Zungenbändchen kann Stillprobleme verursachen, muss aber nicht automatisch ein Problem sein. Entscheidend ist, ob dein Baby wirklich eingeschränkt ist. Eine gute Diagnostik und einfühlsame Beratung helfen dir, die richtige Entscheidung zu treffen. Und keine Sorge: Du bist mit dieser Herausforderung nicht allein, und es gibt heute viele kompetente Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner, die dich und dein Baby unterstützen werden.
Quellen
- AWMF: S3-Leitlinie Stilldauer und Interventionen zur Stillförderung: https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/027-072 (abgerufen am 17.06.2025)
- Still-Lexikon: https://www.still-lexikon.de/zungenband/btat-tabby-literaturanalyse/ (abgerufen am 17.06.2025)
- DGPP: Zungenbändchen: https://dgpp.de/Service/FuerEltern/KindlicheSprechUndSprachentwicklung/Zungenbaendchen.htm (abgerufen am 17.06.2025)
- Apotheken-Umschau: Anzeichen für ein verkürztes Zungenbändchen: https://www.apotheken-umschau.de/familie/kinderernaehrung/stillen/verkuerztes-zungenbaendchen-792575.html (abgerufen am 17.06.2025)
- Zungenbandzentrum: Restriktives symptomatisches Zungenband als Symptomwandler: https://www.zungenbandzentrum.de/wp-content/uploads/OK_1-24_CME_Moghtader_V3159905_Nutzungsechte_Homepage_Wasserzeichen.pdf (abgerufen am 17.06.2025)













