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Die vorgeburtliche Bindung: Was sie stört und was sie fördert

Schwangere Frau spielt mit Teddy auf dem Babybauch
Die vorgeburtliche Bindung zwischen Mama und Baby kann gezielt gefördert werden. / Bild © C Mcdonald/peopleimages.com, Adobe Stock.

Die vorgeburtliche Bindung zwischen Eltern und Kind ist ein noch relativ junges Forschungsfeld. Doch eins scheint schon sicher: Bonding beginnt bereits in der Schwangerschaft und hat Auswirkungen auf das spätere Leben von Baby und Eltern. Welche das sind und wie du eine liebevolle Bindung zu deinem ungeborenen Baby fördern kannst, erfährst du hier.

Das Wichtigste in Kürze

  • Eine Bindung zwischen Eltern und Kind beginnt bereits in der Schwangerschaft.
  • Fördern kannst sie, indem du bewusst mit deinem Baby in Kontakt trittst, zum Beispiel durch das Streicheln des Babybauchs, Meditation, Yoga und andere Methoden.
  • Einige Faktoren können den Bindungsaufbau erschweren, zum Beispiel psychische Vorbelastungen der Eltern.
  • Gibt es Schwierigkeiten beim Bindungsaufbau, sollten die zugrunde liegenden Probleme gelöst werden. Möglicherweise braucht es dafür professionelle Hilfe.
  • Hast du Sorge, keine Bindung zu deinem ungeborenen Kind aufbauen zu können, wende dich vertrauensvoll an deine Hebamme oder Frauenärztin.

Darum ist Bonding so wichtig

Sicher hast du schon einmal von dem Begriff Bonding gehört. Gemeint ist damit das unsichtbare, emotionale Band zwischen Eltern und Kind, das sie spüren lässt: Wir gehören zusammen und wir sind füreinander da.

Von einer liebevollen Verbindung dieser Art profitiert das Kind ein Leben lang. Weil es um die Eltern weiß, die hinter ihm stehen und es lieben, geht es mit Selbstvertrauen in die Welt und kann stabile Beziehungen eingehen. Kinder mit einer sicheren Bindung zu ihrer Mutter zeigen bereits im jungen Alter ein höheres Maß an sozialer Kompetenz, Resilienz und der Fähigkeit, Konflikte zu bewältigen, im Vergleich zu Kindern, deren Bindung zur Mutter unsicher oder ambivalent ist.

Bisher wurde der Fokus beim Bonding immer auf die ersten Momente, Stunden, Tage und Wochen nach der Geburt gelegt. Hautkontakt, Ruhe und dem sensiblen Umgang mit den Bedürfnissen des Babys wurden in den vergangenen Jahrzehnten immer größere Relevanz zugesprochen.

Inzwischen weiß man: Bonding beginnt schon viel früher! Eine emotionale Verbindung von Eltern und Baby entsteht bereits, wenn es noch in Mamas Bauch ist. Man bezeichnet sie als vorgeburtliche Bindung, oder im Englischen als prenatal attachment

Welche Bedeutung hat die vorgeburtliche Bindung?

Diverse Studien kamen zum Ergebnis, dass pränatales Bonding der Wegbereiter für das Bindungsverhalten nach der Geburt ist: Für die Eltern beeinflusst die Bindung zu ihrem ungeborenen Kind die Wahrnehmung von und die Interaktion mit ihm. Nach der Geburt haben sie dann das Gefühl, ihr Kind bereits gut zu kennen. So bauen sie schnell eine sichere und gesunde Beziehung zu ihrem Neugeborenen auf. Das wiederum hat die bereits genannten positiven Effekte auf die Entwicklung des Kindes. Kurz gesagt: 

Die vorgeburtliche Eltern-Kind-Bindung prägt bereits ein Stück weit die spätere emotionale, soziale und kognitive Entwicklung des Kindes.

Eine weitere wichtige Erkenntnis aus den Forschungen der letzten Jahre: Scheinbar kann eine ausprägte Mutter-Kind-Bindung während der Schwangerschaft vor postpartalen Depressionen schützen. Außerdem gilt sie als wichtiger Faktor für den Verlauf der Schwangerschaft und Geburt.

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Wann beginnt das pränatale Bonding?

Einen genauen Zeitpunkt können Forscher natürlich nicht ausmachen, denn Bonding ist ein Prozess, der sich langsam entwickelt. 

Bei den Eltern kann bereits das Erkennen der Schwangerschaft der Anstoß dafür sein. Bei manchen dauert es ein paar Wochen länger, bis sie realisieren, dass da wirklich ein kleiner Mensch heranwächst, der bald Teil der Familie sein wird. Je größer der Bauchumfang wird und je näher der Geburtstermin rückt, desto konkreter wird aber ihre Vorstellung von ihrem Baby. Die ersten Kindbewegungen tragen ihren Teil dazu bei. Einen ordentlichen Push für die Bindung gibt es, wenn das Baby (scheinbar) auf die Berührungen von außen reagiert – eine erste Kommunikation findet statt!

Beim Baby spielt die Entwicklung der Sinne womöglich eine Rolle beim Aufbau einer vorgeburtlichen Bindung zur Mutter und anderen Familienmitgliedern. Sobald es hören kann, prägt es sich ihre Stimmen ein und erkennt sie nach der Geburt wieder. Auch der mütterliche Herzschlag wird zum vertrauten, akustischen Begleiter und kann später außerhalb von Mamas Bauch Trost spenden. In manchen Quellen wird daher von der 20. SSW als Startpunkt für pränatales Bonding ausgegangen.

Was kann die vorgeburtliche Bindung stören?

Leider ist es nicht jeder Schwangeren vergönnt, ganz von allein eine tiefe Bindung zu ihrem ungeborenen Kind aufzubauen. Verschiedene Faktoren können diesen Prozess stören, wie zum Beispiel:

  • Eine ungewollte Schwangerschaft: Ist das Baby nicht gewollt aus welchen Gründen auch immer, ist es unwahrscheinlich, dass die Mutter eine innige Bindung zu ihm aufbauen kann. Sind alle Gedanken an das Kind negativ besetzt, kann zunächst keine liebevolle Beziehung zu ihm entstehen.

    Eine verbreitete These lautet, dass auch das Baby spürt, wenn es nicht willkommen ist. Denn: Eine ungewollte Schwangerschaft geht mit negativen Gefühlen der Mutter einher. Angst, Stress, Wut und Traurigkeit lösen bestimmte Körperreaktionen aus und verändern die hormonelle Blutzusammensetzung, die über die Plazenta und Nabelschnur an das Baby weitergegeben wird. So erlebt auch das Baby diese Emotionen zu einem gewissen Grad, was sich – so die Theorie – auf seine emotionale Entwicklung auswirken könnte. Genaueres dazu ist bisher aber nicht bewiesen.

    Auch das „falsche“ Geschlecht des Babys kann unter Umständen zu Problemen beim Bindungsaufbau führen. Mehr dazu erfährst du in unserem Artikel über Gender Disappiontment.

  • Psychische Vorbelastungen: Dazu zählen neben Schicksalsschlägen, wie dem Verlust eines geliebten Menschen, einem Unfall oder Krankheiten in der Familie, auch Angststörungen und Depressionen, unter denen die werdende Mutter bereits vor der Schwangerschaft litt. Idealerweise werden mentale Probleme professionell aufgearbeitet und therapiert, bevor die Schwangerschaft eintritt. 
  • Schwangerschaftskomplikationen: Kommt es im Zuge der Schwangerschaft zu gesundheitlichen Schwierigkeiten bei der werdenden Mutter, kann das ebenfalls die Bindung stören. Welchen Einfluss Fehlbildungen oder Erkrankungen des Kindes auf die vorgeburtliche Bindung haben, ob positiv oder negativ, ist bisher nicht eindeutig belegt. Hier spielen vermutlich verschiedene persönliche Faktoren eine Rolle, ob die Mutter das Kind dennoch annehmen kann oder es ihr schwerfällt.
  • Keine oder eine schlechte Beziehung zum Partner, sowie die fehlende Unterstützung durch den Partner: Auch, wie der Partner zur Schwangerschaft steht, kann die vorgeburtliche Mutter-Kind-Bindung beeinflussen. Lehnt er die Schwangerschaft ab oder unterstützt er die werdende Mutter nicht, kann das zu Schwierigkeiten beim Bindungsaufbau führen.
  • Schlechte Erfahrungen aus der eigenen Kindheit: Missbrauch oder Vernachlässigung durch die eigenen Eltern kann einen Schatten auf die vorgeburtliche Bindung werfen.
  • Fehlende Unterstützung durch Familie und Freunde: Frauen, denen der soziale Support fehlt, können ambivalente Gefühle gegenüber dem Kind und ihrer nahenden Mutterrolle entwickeln. Fühlen sie sich allein und im Stich gelassen, zweifeln sie mitunter an ihrer Eignung als Mutter.

Eine ungewollte Schwangerschaft, mentale Vorbelastungen, eine schwierige Beziehung zur Partnerin sowie schlechte persönliche Erfahrungen aus der eigenen Kindheit können übrigens auch beim Vater zu Problemen beim vorgeburtlichen Bindungsaufbau führen.

Bitte Hilfe suchen!

Sind psychische Vorbelastungen oder kürzliche, schwere Schicksalsschläge der Mutter oder des Vaters eine Ursache für die Bindungsprobleme, sollten diese noch in der Schwangerschaft professionell therapiert und begleitet werden. Wende dich dafür bitte an deine Hebamme und/oder Frauenärztin.

Wie wirken sich traumatische Geburtserfahrungen auf die pränatale Bindung aus?

Das wollten Forschende der TU Dresden herausfinden. Ihre These lautete, dass sich vorangegangene traumatische Geburtserlebnisse negativ auf die vorgeburtliche Bindung in der neuen Schwangerschaft auswirken.

Doch das Ergebnis ihrer Studie überrascht: Mütter, die unter einer geburtsbezogenen posttraumatischen Belastungsstörungen litten, fühlten in der neuen Schwangerschaft eine besonders starke Bindung zu ihrem ungeborenen Kind. Eine mögliche Erklärung dafür könnte sein, dass die Frauen in der neuen Schwangerschaft eine Chance sehen, „die belastenden Vorkommnisse zu heilen“.

Trotzdem sollte in der Folgeschwangerschaft besonders sensibel auf den Bindungsaufbau geschaut werden. Gegebenenfalls sollte das Erlebte noch einmal mit professioneller Hilfe aufgearbeitet werden, sollte es sich zur Belastung für die neue Schwangerschaft entwickeln.

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Wie kann man die vorgeburtliche Bindung fördern?

Die gute Nachricht ist: Bei den allermeisten werdenden Eltern und ihren ungeborenen Kindern entwickelt sich ganz von allein eine innige Beziehung zueinander. Früher oder später erwachen bei den meisten die Mutter- bzw. Vaterinstinkte. Dazu trägt bei, dass im Verlauf der Schwangerschaft ein immer genaueres Bild in ihrem Kopf vom Nachwuchs entsteht. Dabei helfen vermutlich auch Ultraschalluntersuchungen, bei denen die werdenden Eltern das Baby sehen können.

Streichelst du gelegentlich deinen Babybauch? Redest du mit deinem kleinen Bauchbewohner? Hast du ihm einen süßen Spitznamen gegeben? Hast du vielleicht sogar schon einen Vornamen im Kopf und die ersten Babysachen gekauft? Das alles sind Zeichen dafür, dass du bereits eine liebevolle Beziehung zu deinem Kind aufgebaut hast.

Es gibt aber auch verschiedene Methoden, um ganz bewusst in Kontakt mit deinem Baby zu treten und so die Bindung zu fördern. Dafür können sich zum Beispiel eignen:

  • Meditation
  • positive Affirmationen
  • Atemübungen
  • Yoga
  • Hypnose
  • verschiedene Kurse zur Geburtsvorbereitung
  • spezielle Massagen (zum Beispiel Shiatsu Massagen)

Auch das regelmäßige Visualisieren deines Babys kann die Bindung zu ihm fördern. Lege dabei die Hand auf den Bauch und versuch dir vorzustellen, wie sich das kleine Wesen darin hineinkuschelt. Rede mit ihm, auch wenn du dir dabei vielleicht albern vorkommst. Nimm dir Zeit, dich ganz auf das Kind in deinem Bauch zu konzentrieren. Erzähle ihm von dir und der Welt da draußen, die auf sein Ankommen wartet. Wenn du nicht weißt, was du ihm erzählen sollst, lies ihm einfach etwas vor. Hauptsache, es kann deiner Stimme lauschen.

Wenn das alles allein nicht so recht klappen will, kann dir deine Hebamme bestimmt dabei helfen. Manche Hebammen und Doulas bieten spezielle Kurse mit Fokus auf die vorgeburtliche Bindung an. Zum Einsatz kommen da etwa Fantasiereisen, Gruppengespräche oder die sogenannte Bindungsanalyse nach Raffai

Bindungsanalyse nach Raffai

Hier handelt es sich um eine Methode zur vorgeburtlichen Bindungsförderung. Die Mutter wird in sogenannten Babystunden angeleitet, bewusst in Kontakt mit dem Ungeborenen zu treten. Dafür wird unter anderem auch die eigene Kindheit thematisiert, um etwaige mentale Blockaden zu lösen. Neben einigen Hebammen und Doulas bieten auch vereinzelte gynäkologische und psychotherapeutische Praxen die Bindungsanalyse an.

Hast du bereits Erfahrungen mit einer Bindungsanalyse sammeln können? Dann berichte uns gern davon in den Kommentaren!

Steckst du in einer schwierigen Situation?

Belastet dich etwas in der Schwangerschaft und du hast Schwierigkeiten, eine Beziehung zum Kind aufzubauen? Bitte verliere nicht den Mut. Wende dich vertrauensvoll an deine Hebamme, deine Frauenärztin / deinen Frauenarzt oder eine kostenlose SchwangerschaftsberatungsstelleDu musst da nicht allein durch! 

In vielen Fällen kann ein problematischer Anfang mit professioneller Hilfe noch zum guten Ende gewendet werden. Dafür braucht es nur den ersten Schritt von dir.

Wir wünschen dir und deinem Baby alles Gute!

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🎧 Podcast: Bonding – Bindung ist überlebenswichtig

Warum ist die Eltern-Kind-Bindung so wichtig und wie baut man sie auf? Das erfährst du im Babelli-Podcast von den beiden Bindungs-Expertinnen Manuela Apitzsch und Miriam Kleinhaus. Wenn dir unser Podcast gefallen hat, dann abonnier ihn direkt bei Spotify oder iTunes, um keine Folgen mehr zu verpassen.

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Quellen

✔ Inhaltlich geprüft am 05.11.2024
Dieser Artikel wurde von Emely Hoppe geprüft. Wir nutzen für unsere Recherche nur vertrauenswürdige Quellen und legen diese auch offen. Mehr über unsere redaktionellen Grundsätze, wie wir unsere Inhalte regelmäßig prüfen und aktuell halten, erfährst du hier.

Veröffentlicht von Carolin Severin

Carolin ist zweifache Mama und leidenschaftliche Familien-Redakteurin. Sie beschäftigt sich schon seit über 10 Jahren hauptberuflich mit allem, was (werdende) Eltern interessiert. Bei Babelli versorgt sie euch mit Informationen und News rund ums Thema Schwangerschaft. Dabei ist es ihr besonders wichtig, komplexe medizinische Themen verständlich und sensibel aufzubereiten und dabei möglichst Sorgen und Ängste zu nehmen. Dafür arbeitet sie eng mit unserer Expertin Hebamme Emely Hoppe zusammen.

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