Für die Kinder zusammenbleiben? Oder ist schon jegliche Chance vertan? Wenn du an dieser Frage aktuell verzweifelst, bist du hier genau richtig.
Die Entscheidung, sich als Elternpaar zu trennen, gehört zu den schwierigsten, die man im Leben treffen kann. Besonders, wenn Kinder im Spiel sind.
Aber was, wenn die Beziehung nicht mehr funktioniert? Wann ist eine Trennung das geringere Übel, und wann ist der richtige Zeitpunkt? In diesem Artikel beleuchten wir Fragen, die du dir stellen kannst. Wir listen Gründe für und gegen eine Trennung sowie Alarmzeichen, und wir nennen wichtige Anlaufstellen.
Bei den Fragen und Gründen hat uns die Paarpsychologin Anouk Algermissen inspiriert. Sie ist mit Büchern, Podcast und Beratungsangebot eine DER Ansprechpartnerinnen zum Thema Partnerschaft und Trennung.
Fragen, die man sich vor einer Trennung stellen sollte
Grübelst du darüber nach, ob eure Beziehung noch tragbar ist und ob ihr für die Kinder zusammenbleiben solltet? Wir unterstützen dich beim Nachdenken!
Eine Trennung ist ein einschneidender Schritt, der gut überlegt sein sollte. Daher ist es wichtig, sich verschiedene Fragen zu stellen:
- Was lässt mich an der Beziehung zweifeln?
Manchmal sind es bestimmte Verhaltensweisen oder Konflikte, die uns ins Wanken bringen. Wichtig ist, zu verstehen, was genau an der Beziehung dich unzufrieden macht. Sind es oberflächliche Missverständnisse oder tiefere, ungelöste Konflikte? - Welche Bedürfnisse werden mir nicht erfüllt?
In jeder Beziehung gibt es Bedürfnisse, die erfüllt werden müssen, um ein Gefühl der Sicherheit und Zufriedenheit zu erleben. Fehlt es dir an emotionaler Nähe, körperlicher Zuneigung oder Unterstützung im Alltag? Zu erkennen, was du brauchst und nicht bekommst, ist der erste Schritt, um für dich zu entscheiden, ob es noch Raum für Veränderung gibt. - Sind wir als Partner noch ein Team?
Stemmt ihr das Projekt Familie gemeinsam oder arbeitet ihr gegeneinander oder gar jeder für sich? Wenn ihr nicht am gleichen Strang zieht oder sich nur noch ein Elternteil verantwortlich fühlt, stimmt die Basis nicht (mehr). - Könnten wir diese Dinge verändern? Kann man gemeinsam an den Problemen arbeiten?
Wenn beide Partner bereit sind, an sich selbst zu arbeiten und die Beziehung zu verbessern, gibt es möglicherweise noch Hoffnung. Hilfreich ist auch, wenn Hilfe von außen nicht rigoros abgelehnt wird. - Was müsste passieren, damit ich mehr Sicherheit und Vertrauen in der Beziehung erlebe?
Vertrauen ist das Fundament jeder Partnerschaft. Wenn dein Vertrauen erschüttert ist, solltest du dich fragen, was nötig wäre, um es wieder aufzubauen und ob das überhaupt geht. - Bin ich bereit, diese Schritte zu gehen?
Eine Trennung sollte nicht als einzige Lösung gesehen werden, ohne dass man vorher alles versucht hat. Bist du bereit, an der Beziehung zu arbeiten, und bist du bereit, auch selbst – sofern angebracht – Veränderungen vorzunehmen? - Ist mein Partner bereit, diese Schritte zu gehen?
Eine Trennung wird oft nicht nur von einer Person getragen. Wenn dein Partner nicht bereit ist, ebenfalls an der Beziehung zu arbeiten, könnte dies ein entscheidender Punkt sein.
Und nun: Nimm dir einen Moment Zeit, schließe die Augen und stelle dir vor, wie es ohne deinen Partner oder deine Partnerin wäre. Welches ist das erste Gefühl bei diesem Gedanken? Unser Bauchgefühl verrät uns viel mehr, als wir hören wollen.
Paartherapie – eine große Chance
Eine Paartherapie kann eine wertvolle Gelegenheit sein, um deine Beziehung zu retten oder das Feuer und die Liebe wieder neu zu entfachen. Sie bietet einen sicheren Raum, in dem ihr beide eure Anliegen offen ansprechen könnt, eigene Muster, Trigger und Themen, sowie Konfliktmuster verstehen lernt und Lösungen findet.
Oft gibt es in einer Beziehung Hinderliches, das tief verwurzelt ist und sich ohne Hilfe schwer durchbrechen lässt. Nicht selten wurde es durch Kindheitserlebnisse verankert, die uns im Alltag kaum bewusst sind. Eine erfahrene Therapeutin und selbst ein Familiencoach können helfen, diese Blockaden und Glaubenssätze zu erkennen und gemeinsam an einer besseren Kommunikation und einem neuen Miteinander zu arbeiten.
Wichtig ist, dass du erkennst: Du wirst deinen Partner nicht ändern können, du kannst nur an dir selbst arbeiten. Das Gleiche gilt natürlich für den anderen auch.
Wenn beide Partner bereit sind, sich auf den Prozess einzulassen, kann eine Paartherapie dazu beitragen, das Vertrauen wieder aufzubauen und eine gesunde, funktionierende Partnerschaft zu schaffen, von der auch eure Kinder profitieren werden.
Gründe, warum sich Eltern (und andere Paare) trennen sollten
Es gibt jedoch auch klare Indikatoren, dass eine Trennung unvermeidlich sein könnte:
- Psychische oder körperliche Gewalt:
Jede Form von Gewalt in der Beziehung – sei es körperlich oder psychisch – stellt einen klaren Punkt dar, an dem eine Trennung nicht nur empfohlen, sondern dringend erforderlich ist. Niemand sollte in einer Beziehung bleiben, die sie, ihn oder die Kinder verletzt.
Soforthilfe: Im Fall von Gewalt kannst du dich kostenfrei, vertraulich und anonym vom Weißen Ring beraten und unterstützen lassen: www.weisser-ring.de / Opfer-Telefon 116 006
- Wenn man dauerhaft als einziger kämpft:
Eine Beziehung ist immer eine gemeinsame Anstrengung. Wenn einer der Partner keine Bereitschaft zeigt, zu kämpfen oder sich zu verändern, kann das auf Dauer eine krankmachende Belastung für die andere Person sein. - Wenn man zu viel von sich selbst aufgibt:
In einer gesunden Beziehung gibt es Raum für beide Partner, sich selbst zu entfalten und ihre Bedürfnisse zu leben. Wenn jedoch nur noch das Wohl des anderen zählt und die eigenen Wünsche und Bedürfnisse auf der Strecke bleiben, kann das langfristig zu berechtigter Frustration führen. Und wir haben nur dieses eine Leben. - Unglückliche Eltern, unglückliche Kinder:
Wenn die Kinder unter den Streitigkeiten sehr leiden oder ein Elternteil (oder beide) dauerhaft unglücklich ist, kann eine gut geplante Trennung gesünder sein, als krampfhaft zusammenzubleiben. Denn letztlich entscheiden wir, welche Art der Beziehung wir unseren Kindern vorleben wollen.
Wann man sich (noch) nicht trennen sollte
Nicht immer ist eine Trennung der einzige Ausweg. Manchmal lohnt es sich, an der Beziehung zu arbeiten:
- Zweifel, aber beide bereit, etwas zu ändern:
Wenn beide Partner Zweifel an der Beziehung haben, aber bereit sind, daran zu arbeiten, kann das ein Zeichen dafür sein, dass sich eine Trennung noch abwenden lässt. Gespräche, Kompromisse und gemeinsames Wachstum können helfen, die Krise zu überwinden und gestärkt darauf hervorzugehen. - Aktive Mitarbeit:
Bereitschaft ist das eine, Tun das andere. Wenn beide aktiv an sich und der Zukunft der Beziehung arbeiten, kann eine Trennung vermieden werden. Dazu ist es nötig, sich selbst ehrlich zu hinterfragen, eigene Themen zu erkennen und aufzuarbeiten sowie schädliche Muster abzulegen. Und: sich selbst und dem anderen zu vergeben! - Wenn sich die Liebe verändert hat:
Liebe verändert sich mit den Jahren. Das allein muss kein Grund für eine Trennung sein, es sei denn einer der Partner kann so nicht weiterleben und ihr findet gar nicht mehr zusammen. Und vielleicht kommt ja eine andere Form der Partnerschaft für euch infrage – beispielsweise eine offene oder polyamouröse Partnerschaft, mit der alle zufrieden sind.
Finanzielle Abhängigkeit ist KEIN Grund zusammenzubleiben
Tatsächliche oder gefühlte finanzielle Abhängigkeit kommt vor allem bei Frauen viel zu oft vor, sollte aber kein Grund sein, in einer unglücklichen Beziehung zu verharren – auch wenn ihr Eltern seid.
Ja, die wirtschaftlichen Herausforderungen können zunächst überwältigend erscheinen. Jedoch gibt es in Deutschland Unterstützung, die es auch dem finanziell schwächer gestellten Elternteil ermöglicht, nach einer Trennung mit den Kindern ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Der Bundesverband alleinerziehender Mütter und Väter (VAMV) stellt dazu etliche Informationen bereit. Die darunter vereinten Landesverbände können dich beraten.
Ja, alleinerziehend zu sein, ist oft anstrengend und finanziell herausfordernd. Aber der Zustand wird wahrscheinlich nicht ewig währen. Und in einer Beziehung zu bleiben, weil man sich finanziell abhängig fühlt, kann zu langfristiger Unzufriedenheit führen. Und diese beeinflusst möglicherweise das seelische Wohl deiner Kinder negativ. Nichtzuletzt werden sie mit der Last groß, irgendwie “schuld” daran zu sein, dass ein Elternteil immer zurückstecken musste. Denn Kinder übernehmen elterliche Gefühle wie Schuld, Scham und Unzufriedenheit unbewusst, weil sie sich lange mit ihnen als Einheit wahrnehmen. Manche fühlen sich dadurch für das Wohlergehen ihrer Bezugspersonen verantwortlich (Parentifizierung). Kind und Eltern tauschen quasi Rollen. Das sollte so nicht sein!
Dazu kommt: Viele Frauen finden in Partnerschaften bereits wenig Unterstützung und agieren schon wie Alleinerziehende, ohne es bewusst zu spüren. Dann würde die zusätzliche emotionale Belastung durch die Partnerschaft wegfallen.
Eine Trennung kann in all diesen Fällen eine Chance sein, aus einem ungesunden Verhältnis herauszutreten und sich weiterzuentwickeln. Und wer weiß, vielleicht stehst auch du bald auf eigenen Beinen, einfach, weil es nötig ist. Du kannst das!
Wichtig wäre nur, dass du dich rechtlich beraten lässt. Wenn du über wenig oder keine finanziellen Mittel verfügst, kannst du beim Amtsgericht einen „Beratungsschein“ beantragen. Im Falle einer Scheidung gibt es für Menschen mit keinem oder wenig Einkommen Prozesskostenhilfe.
>> Hier findest du Informationen zu Beratungshilfe und Prozesskostenhilfe.
Vorzeichen, die auf eine tiefergehende Krise hindeuten
Wenn in einer Beziehung eine Krise besteht, zeigen sich oft bestimmte Muster. Die deuten darauf hin, dass die Kommunikation nicht funktioniert und eventuell die Grundeinstellung eines oder beider Partner nicht hilfreich ist:
- Mauern: Wenn sich Partner über Monate bis Jahre emotional zurückzuziehen und allen Gesprächen ausweichen, selbst sensibel formulierte Einwände ignorieren oder Diskussionen abblocken, ist das oft ein Zeichen für das Ende der emotionalen Verbindung. Die Kommunikation bricht ab und gegenseitiges Verständnis kann nur schwer wiederhergestellt werden.
- Abwertung: In gesunden Beziehungen respektieren sich die Partner gegenseitig. Wenn jedoch einer der Partner den anderen permanent subtil oder ganz offen abwertet, die Meinung des anderen herunterspielt oder gar verspottet, zeigt sich eine tiefe Störung in der Beziehung und in der Persönlichkeit des Überheblichen.
Manchmal ist es Narzissmus:
Wirst du in deiner Beziehung vom anderen immer wieder abgewertet und fühlst dich irgendwie manipuliert? Dann solltest du dich eventuell mit Narzissmus beschäftigen. Dieser Wesenszug ist gar nicht so selten und es gibt verschiedene Narzissmus-Typen. Der am schwersten zu erkennende ist verdeckter Narzissmus (covert narcissism). Wir können dir dieses Buch dazu empfehlen: „Verdeckter Narzissmus in Beziehungen“ von Turid Müller
- Persönliche Angriffe: Wenn Diskussionen zunehmend persönlich werden und es nicht mehr um die Lösung von Problemen geht, sondern um gegenseitige Angriffe, Beschuldigungen und Vorwürfe, kann dies ein sehr schlechtes Zeichen sein.
- Verteidigung statt Lösung: Wenn Gespräche nicht mehr dazu führen, Lösungen zu finden, sondern nur noch eine defensive Haltung eingenommen wird, verliert die Beziehung an Substanz.
Kinder und Trennung – Belastung oder Chance?
Bevor Elternpaare sich trennen, ist es besonders wichtig, das Wohl der Kinder zu berücksichtigen. Oft fürchten Eltern, dass eine Trennung die Kinder negativ beeinflussen könnte.
Beeinflussen wird es sie, so viel steht fest. Aber genauso kann eine nicht funktionierende Partnerschaft Kinder so prägen, dass sie negative Verhaltensmuster für ihr Leben und ihre späteren Partnerschaften übernehmen.
In einem Interview betont die Psychotherapeutin für Kinder und Familien Sabine Brunner sogar, dass Kinder in vielen Fällen von der Trennung ihrer Eltern profitieren könnten, wenn sie in einer von Konflikten geprägten Umgebung leben.
Ständige Streitereien oder eine unglückliche Atmosphäre würden mehr Schaden anrichten, als eine wohlüberlegte Trennung, die den Kindern ermöglicht, in einem harmonischeren Umfeld aufzuwachsen. Eine Trennung könnte den Kindern sogar die Möglichkeit bieten, von den Eltern zu lernen, wie man gesunde Beziehungen führt – sowohl zu sich selbst als auch zu anderen.
Mache dir also bewusst, dass eure Kinder oft nicht nur unter der Trennung, sondern auch unter einem unausgewogenen Elternverhältnis leiden können. Wenn die Beziehung zwischen euch Eltern emotional oder sogar physisch schädlich wird, ist eine Trennung in vielen Fällen das kleinere Übel.
Fazit
Die Frage, ob sich Eltern trennen sollten, ist komplex und von vielen Faktoren abhängig. Wichtig ist, dass beide Partner ehrlich zu sich selbst sind und ihre eigenen Bedürfnisse sowie die der Kinder ernst nehmen.
Wenn eine Beziehung nicht mehr funktioniert und beide Partner sich nicht mehr gegenseitig unterstützen können oder möchten, kann eine Trennung notwendig sein.
Gleichzeitig gibt es auch viele Fälle, in denen eine Krise in der Beziehung mit einer gemeinsamen Anstrengung und möglicherweise Hilfe von außen überwunden werden kann.
Wer sich jetzt wichtige Fragen stellt, trifft später eine Entscheidung, die im besten Fall zu einem glücklichen Leben für alle Beteiligten führt – auch und vor allem für die Kinder.
Quellen
- Website von Anouk Algermissen: https://www.anoukalgermissen.de/ (abgerufen am 07.04.2025)
- Beratungshilfe und Prozesskostenhilfe: https://service.justiz.de/ (abgerufen am 07.04.2025)
- Verband alleinerziehender Mütter und Väter: https://vamv.de/de/ (abgerufen am 07.04.2025)
- Weißer Ring: https://weisser-ring.de/ (abgerufen am 07.04.2025)
- Die Trennung der Eltern kann für Kinder auch eine Chance sein: https://www.fritzundfraenzi.ch/psychologie/die-trennung-der-eltern-kann-fuer-kinder-auch-eine-chance-sein/ (abgerufen am 07.04.2025)
- Ich wünschte, meine Eltern hätten sich getrennt, als ich klein war: https://www.spiegel.de/panorama/trennung-der-eltern-meine-eltern-haetten-sich-trennen-sollen-als-ich-klein-war-a-0405616a-5239-40be-98d0-fb012d060bae (abgerufen am 07.04.2025)