Kennst du das? Beim Abholen aus der Kita hat dein Kind scheinbar grundlos einen heftigen Gefühlsausbruch. Was dahinterstecken kann und wie du damit umgehen kannst, erfährst du jetzt.
Am Morgen war dein Kind noch ruhig, in der Kita schien es laut der Fachkräfte ebenfalls ausgeglichen. Beim Abholen zeigt sich plötzlich ein anderes Bild: Dein Kind schmeißt sich beim Anziehen auf den Boden, wird richtig wütend oder ist ziemlich aufgedreht.
Wir können dich beruhigen …
Gefühlsausbrüche nach der Kita sind ein gutes Zeichen
Dass dein Kind sich unmittelbar nach der Kita oder sogar noch in der Kita-Garderobe, wenn du es abholst, emotional entlädt, ist nichts Ungewöhnliches.
Ganz im Gegenteil: Es zeigt, dass sich dein Kind bei dir so geborgen und sicher fühlt, dass es sich alle seine Gefühle erlaubt und diese äußert – und zwar ungeschönt und echt. So wie sie eben gerade da sind.
Als Elternteil bist du vermutlich die Bindungsperson für dein Kind und es fühlt sich bei dir so gesehen, dass es jetzt wirklich ALLE Gefühle herauslassen kann, die beim Abholen von der Kita unbedingt aus seinem Körper herauswollen.
Du darfst diese plötzliche Entladung nach der Kita also immer auch als Kompliment ansehen. Wenn du mehr darüber wissen möchtest, schaue gerne mal bei diesem Artikel vorbei:
Doch zurück zu den emotionalen Ausbrüchen beim Abholen und der Frage …
Warum sind Entladungen nach der Kita überhaupt notwendig?
Meist steckt hinter plötzlichen Gefühlsausbrüchen beim Abholen aus der Kita eine Kombination aus diesen Dingen:
- Reize des Tages herauslassen: Sowohl der Morgen vor der Kita, als auch nach der Kita-Alltag selbst, ist voller Reize. Neben der Lautstärke, den anderen Kindern, Fachkräften und den gemeinsamen Aktionen gibt es viele weitere Dinge, die täglich auf dein Kind einprasseln. Das kann für das kindliche Nervensystem manchmal ziemlich viel zu verarbeiten sein.
- Soziale Situationen in der Kita verarbeiten: Soziale Interaktionen gibt es in der Kita eine ganze Menge. Neben Missverständnissen und Konflikten finden auch tolle Spielsituationen, verbindende Gemeinsamkeiten und erste Freundschaften statt. Das alles sind tägliche soziale Lernerfahrungen für dein Kind, die es zunächst integrieren muss.
- Eigene Entwicklungen (körperlich und mental): Dein Kind lernt in der Kita täglich in jeder noch so kleinen Situation. Das muss sein Körper erst mal verarbeiten. Ist im Körper des Kindes ohnehin gerade eine Menge los oder hat es aktive Wachstums- und Entwicklungsschübe, tun emotionale Entladungen zeitweise gut.
- Die Kita ist so anstrengend wie ein Arbeitstag: Ein Kita-Tag fühlt sich für dein Kind so an, wie ein Arbeitstag für uns Erwachsene. Und du kennst doch sicher den inneren Drang, nach einem anstrengenden Arbeitstag etwas Frust abzulassen, oder? Doch dafür braucht es erprobte Methoden …
- Aktuell erlernt dein Kind noch alternative Methoden: Die sozial-emotionale Entwicklung deines Kleinkindes ist noch im Aufbau. Das bedeutet, seine Gefühle ungeschönt und plötzlich herauszulassen, ist zurzeit noch eine der einzigen Methoden, um sich selbst zu entladen. Dementsprechend sind plötzliche Gefühlsausbrüche nach der Kita völlig alters- und entwicklungsentsprechend. Im Entwicklungsverlauf wird dein Kind weitere Methoden zum Entladen kennenlernen und nachahmen (emotionale Intelligenz).
- Es war noch mitten im Spiel: Wenn du hoch konzentriert inmitten einer Aufgabe steckst, dann aber plötzlich einen Termin hast oder etwas anderes ansteht, kennst du das bestimmt – das Gefühl, eigentlich lieber weiter machen zu wollen. Nichts anderes ist es hier. Vielleicht hat dein Kind kurz vor dem Abholen noch eine tolle Spielidee mit anderen Kindern geteilt und nun muss es plötzlich nach Hause. Und so ein Bruch von einem schönen Spiel kann natürlich erst mal Frust auslösen. Kinder sind tendenziell mehr im Hier und Jetzt als wir Erwachsene, weshalb sie das, was sie tun, intensiver und bewusster wahrnehmen. Diese Fähigkeit macht es ihnen etwas schwerer, sich einem äußeren Schema samt Uhrzeiten und Übergängen anzupassen.
Im Endeffekt ist es also sehr gesund, wenn dein Kind alles, was sich tagsüber innerlich so angesammelt hat, nach der Kita einmal entlädt. So schluckt es seine Gefühle nicht herunter oder unterdrückt sie.
Auch hier gilt wie so oft: Alles kann, nichts muss zu einem Gefühlsausbruch beim Abholen führen.
Kommt dir das Ganze allerdings auffällig oder ungewöhnlich vor?
Steht dein Kind in der Kita unter Stress?
Starke, ungewöhnliche oder auffällige Gefühlsausbrüche können (müssen aber nicht) immer auch ein Anzeichen von dauerhaftem Stress sein.
Hier können Konflikte mit anderen Kindern oder Fachkräften sowie seine Rolle in der Kita-Gruppe dahinterstecken. Oder aber, dein Kind ist in der Kita über- oder unterfordert, benötigt mehr oder deutlich weniger Reize. All das hängt immer auch mit seiner individuellen Entwicklung, seiner Lebensrealität und seiner Persönlichkeit zusammen.
Manchmal spielen auch die strukturellen Gegebenheiten vor Ort eine Rolle, wie etwa die Gruppendynamik, Gruppengröße oder vermehrte Krankheitsausfälle von befreundeten Kindern oder Bezugsfachkräften.
Es muss allerdings nicht nur an Dingen in der Kita liegen, wenn dein Kind dort unter Stress steht: Auch die Geburt des Geschwisterchens, ein Umzug oder sogar der aufregende runde Geburtstag der Oma können Stress auslösen und in der Kita innerlich noch einmal durchlebt werden.
Stress wird sehr individuell wahrgenommen.
Was du tun kannst, wenn Stress der Auslöser ist – 5 Schritte!
Hast du das Gefühl, dass dauerhafter Stress hinter den Entladungen deines Kindes steckt, könntest du etwa so vorgehen:
- Suche zunächst das Gespräch mit dem anderen Elternteil und anderen Bezugspersonen: Nimmst nur du diese Entladungen wahr? Was sagen der andere Elternteil oder weitere Bezugspersonen, wenn sie das Kind von der Kita abholen? Entlädt sich das Kind auch hier? Schaut ehrlich gemeinsam hin und habt dabei immer das seelische Wohl des Kindes im Blick.
- Bitte dann um ein Elterngespräch mit den Kita-Fachkräften: In diesem Elterngespräch kannst du deine Beobachtungen und Wahrnehmungen mit den Kita-Fachkräften abgleichen. Sucht gemeinsam nach Lösungsstrategien, die das Kind zeitnah entlasten.
- Mögliche Stressoren finden: Ob ein hektischer Alltag, viele Termine nach der Kita, eine schwierige Gruppendynamik in der Gruppe deines Kindes oder zu viele Reize – was es auch ist, was dein Kind aktuell stressen könnte, sucht nach Kompromissen und verringert gemeinsam die möglichen Stressoren. Schaffe vor und nach der Kita sowie auch am Wochenende möglichst viel Zeit für Entspannung, Langeweile und Freispiel.
- Gemeinsam Lösungen ausprobieren: Sprich mit deinem Kind altersgerecht über die Änderungen und hinterfrage regelmäßig, wie es sich fühlt. Beobachtet gemeinsam, ob sich etwas verändert und probiert verschiedene Lösungen zur Stressreduktion und Entspannung aus. Bleibt hier auch möglichst geduldig mit dem Kind. Nehmen die Gefühlsausbrüche tendenziell ab, ist das ein gutes Zeichen und ihr habt die Auslöser für den Stress möglicherweise gefunden.
- Einbindung der Kinderarztpraxis: Bleiben die Gefühlsausbrüche stark und sind sie weiterhin auffällig, binde die Kinderarztpraxis ein. Vielleicht steckt etwas Organisches oder eine seelische Belastung dahinter, die es abzuklären gilt. Im Zweifel kann die Kinderarztpraxis dich auch zu einer Kinder- und Jugendpsychotherapie-Praxis weiterverweisen. Vielleicht benötigt dein Kind auch einfach eine alternative Methode, um seine Wut zu entladen? Auch hier können beide Praxen möglicherweise weiterhelfen. Alles kann, nichts muss dahinterstecken. Bleibe möglichst gelassen und im Vertrauen, dass ihr gemeinsam einen Weg finden werdet, um dein Kind dauerhaft emotional zu entlasten.
Fazit
Plötzliche Gefühlsausbrüche nach der Kita oder beim Abholen sind zunächst ein gutes Zeichen.
Dein Kind fühlt sich bei dir so sicher und geborgen, dass es seine Emotionen ungeschönt herauslässt und sein inneres System nach einem Tag voller Eindrücke dadurch wieder regulieren kann.
Sobald dir die Ausbrüche allerdings ungewöhnlich vorkommen, ist es wichtig, den Auslöser zu suchen. Bei dauerhaftem Stress deines Kindes solltest du darauf achten, mögliche Stressoren zu verringern.
Ein ehrliches Hinschauen ist hier der Schlüssel, der das Wohlergehen deines Kindes sichert.
Quellen
- Davies, Uzodike, van Loon, Wirth (2022). Das Montessori Baby. Geborgen und mit offenen Sinnen ins Leben starten. Weinheim: Verlagsgruppe Beltz.
- Largo, Remo H. (2016). Babyjahre. Entwicklung und Erziehung in den ersten vier Jahren (18. Auflage). München/Berlin: Piper Verlag GmbH.
- Perls, Frederick S., Hefferline, Ralph F., Goodman, Paul (2015). Gestalttherapie. Grundlagen der Lebensfreude und Persönlichkeitsentfaltung. (9. Auflage). Stuttgart: Klett-Cotta Verlag.