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Was tun, wenn mein Kind in der Kita gebissen wurde?

Mutter hat Kind auf dem Schoß. Beide betrachten die Bissspuren des Kindes an der Hand.
Wenn das eigene Kind in der Kita gebissen wurde, löst das häufig eine Menge aus. / Bild © NDABCREATIVITY, Adobe Stock.

Wenn die Kita beim Abholen erzählt, dass das eigene Kind gebissen wurde, löst das zunächst eine Menge Gefühle aus. Wir erklären, was du jetzt tun und was eher lassen solltest.

Wurde das eigene Kind in der Kita gebissen, fragt man sich als Eltern schnell: „Warum gerade mein Kind?” Weint es beim Abholen oder trägt es sogar Bissspuren mit nach Hause, meldet sich das innere Gerechtigkeitsgefühl häufig noch stärker.

Vorweg: Dein Gefühl ist richtig, wichtig und völlig legitim. Schließlich geht es um das Wohlergehen deines geliebten Kindes.

Doch zuallererst empfehlen wir …

Ruhe bewahren!

Nimm die Situation erst einmal wahr und versuche (wir wissen, wie schwer das ist) sie nicht zu bewerten oder zu kommentieren.

Dein Kind wurde nicht absichtlich oder aus Boshaftigkeit gebissen. Das absichtsvolle Handeln beginnt je nach individueller Entwicklung erst im Vorschulalter (zwischen 4 und 6 Jahren).

Stattdessen ist Beißen im Kleinkindalter häufig ein Kommunikationsmittel, wenn die Worte fehlen. In der Kita passiert das meistens durch Streit ums Spielzeug oder durch Unstimmigkeiten der Kinder untereinander. Manchmal ist es aber auch so, dass das Kind, welches beißt, seine unerfüllten Bedürfnisse an anderen herauslässt (was natürlich trotzdem nicht in Ordnung ist).

Wichtig ist für dich als Elternteil jetzt zunächst …

Sei für dein Kind da: Mitgefühl statt Mitleid

Dein Kind sollte spüren, dass du es in seinen Gefühlen ernst nimmst, siehst und es begleitest. Statt das Kind zu bemitleiden – was im Übrigen nicht hilfreich ist – kannst du viel mehr mit-fühlen.

Nimm dir am besten direkt nach der Kita oder noch am selben Tag Zeit, das Ganze mit deinem Kind aufzuarbeiten und zu besprechen. 

Vielleicht hat es Fragen, möchte die Situation schildern oder seine Blessuren zeigen. Möglicherweise möchte es auch einfach nur von dir umarmt oder gehalten werden. Deine Nähe, Geborgenheit und Liebe alleine kann schon unglaublich viel ausmachen.

Alle anderen To-dos können gerade warten. Vor allem, wenn die Situation für dein Kind sehr intensiv war und ist. Schaue auch, dass euch im Außen gerade nichts ablenkt, damit ihr ohne Zeitdruck im Nacken in die Situation hineingehen könnt.

Wie du es begleitest, ist entscheidend

Wichtig ist, dass du deinem Kind vermittelst, dass du seine Gefühle ernst nimmst und gleichzeitig nicht in Panik oder Aufregung verfällst. Da dein Kind durch Nachahmung lernt und dich möglicherweise spiegelt, könnte das nämlich eher zur Folge haben, dass es die Situation bedrohlicher abspeichert, als sie war. 

Gleichzeitig ist es wichtig, allen Gefühlen des Kindes genügend Raum zu geben.

Wie so oft ist der goldene Mittelweg in Gesprächen mit deinem Kind hier hilfreich.

Ein Beispielgespräch

Sieh das folgende Gespräch lediglich als Inspiration. Wie du die Dinge formulieren möchtest, ist ganz dir überlassen.

  1. Spiegele die Mimik deines Kindes, ohne sie zu “spielen”: So vermittelst du deinem Kind, dass du es in seinen Gefühlen ernst nimmst. Fühle hier mit deinem Kind, aber nicht für es. Nimm ihm nichts vorweg oder lege deine eigenen Gefühle hinein. Dein Kind hat die Situation ganz individuell erlebt, nicht du. 
  2. Wiederhole mitfühlend, was dein Kind sagt: „Timmy hat dich heute in der Kita also gebissen. Das hat weh getan und tut es noch immer, das glaube ich dir.“
  3. Stelle Fragen zur Gefühlslage des Kindes: „Du hast dich bestimmt erst mal erschrocken, oder?“, „Wie hast du dich direkt danach gefühlt?“, „Wie geht es dir jetzt gerade?“
  4. Zeige Mitgefühl: „Ja, das hat wahnsinnig weh getan, das glaube ich dir. Ich verstehe, dass du wütend auf Timmy bist und dich sein Verhalten traurig macht.“
  5. Lass die Gefühle erst mal da sein – es braucht jetzt noch keine Lösung: „Ja, du bist richtig wütend und traurig. Das verstehe ich sehr gut.“ So lernt dein Kind, diese Situationen auszuhalten und seine Gefühle erst mal anzunehmen, ehe es direkt eine aktive Lösung dafür braucht. 
  6. Später oder zum Ende des Gesprächs – Stelle Fragen zur Situation: „Konnte Marcel dir helfen? War er für dich da, als du so traurig nach dem Biss warst?“, „Haben du und Timmy euch vorher gestritten?“ 

Die Situation möglichst wertfrei betrachten

Womöglich spürt dein Kind sowohl deine Gefühle als auch die der Kita-Fachkräfte und anderen Kinder darüber, dass es gebissen wurde. Allerdings sollte es dadurch keine “Rolle” (Opfer, Täter usw.) zugeschrieben bekommen, denn das ist absolut nicht hilfreich und könnte langfristig sogar seine Ich-Entwicklung negativ beeinflussen.

In der Regel wird das Kita-Personal dir ohnehin nicht erzählen, wer es gebissen hat, um genau diese inneren Rollenbilder zu vermeiden und Streit-Situationen nicht größer zu machen, als sie sind. Dasselbe gilt andersherum. 

Im Zweifel erzählt dein Kind dir allerdings schon beim Abholen oder spätestens zu Hause, wer es gebissen hat. Wichtig ist, dass du keinem der Beteiligten einen (unbewussten) Stempel aufdrückst, damit es die Entwicklung deines Kindes und das des anderen nicht beeinflusst. 

Bedenke immer: Du bist nicht der erste Elternteil eines Kindes, das in der Kita gebissen wurde, und auch nicht der Letzte. Es sagt nichts über seine Persönlichkeit, deine Erziehung oder dich als Elternteil aus, wenn dein Kind gebissen wurde.

Fragen des Kindes begegnen: „Mag Timmy mich etwa nicht?“

Jetzt ist deine Möglichkeit als Elternteil, die Weichen dafür zu stellen, wie dein Kind unangenehme Gefühle, Wahrnehmungen und Konflikte sieht, aushalten und für sich auflösen kann. 

Solche Situationen bieten ein großes Lernfeld fürs Leben.

Ehe du also Timmy in eine Schuld-Rolle drückst oder die Frage voreilig kommentierst, halte einmal kurz inne und frage dich, was du deinem Kind hier mit auf dem Weg geben könntest.

Beispielgespräch

Auch dieses Gespräch ist lediglich eine Inspiration:

  • Emotional differenzieren: „Ob Timmy dich mag oder nicht, hat nichts damit zu tun, dass er dich gebissen hat.“
  • Situation mit dem Kind einordnen: „Marcel aus der Kita hat mir erzählt, dass Timmy überfordert war, weil ihr euch vorher gestritten habt. Wie hast du das erlebt?“
  • Wertfreie Vermutungen: „Er konnte es dir nicht sagen und wusste sich in diesem Moment nicht anders zu helfen.“ 
  • Werte und Mitgefühl klar äußern: „Egal, was vorher zwischen euch war, es gibt Timmy kein Recht, dich zu beißen. Andere Menschen zu verletzen, ist absolut nicht in Ordnung.“
  • Wiederholt emotional differenzieren: „Ob er dich mag oder nicht, hat also nichts damit zu tun, dass er dich gebissen hat. Er hat dich also sehr wahrscheinlich aus Überforderung gebissen.“
  • Offener Vorschlag: „Wollen wir vielleicht noch einmal mit Timmy und seinen Eltern gemeinsam darüber sprechen? Würde dir das helfen?“

Wenn du mehr darüber wissen möchtest, schau gerne einmal hier vorbei:

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Falls dein Kind noch Wochen oder gar Monate danach darüber spricht, empfehlen wir …

Die Kita einbinden!

Das gilt besonders dann, wenn der Beiß-Vorfall besonders extrem war und nicht nur einmalig. In diesem Fall vereinbare zeitnah ein Elterngespräch mit der Kita. Am besten wählst du einen Termin, wo auch der andere Elternteil dabei sein kann.

Wichtig ist jetzt, dass ihr gemeinsam mit den pädagogischen Fachkräften herausfindet, wie die Dynamik zwischen dem beißenden Kind (wenn es immer dasselbe ist) und deinem Kind in der Kita ist. Dann könnt ihr auch viel besser verstehen, welche Ursache möglicherweise dahintersteckt.

Vielleicht findet ihr in diesem Gespräch auch bereits erste Ideen, wie sich die Situation beruhigen kann. 

Mehr zum Thema

Falls sich die Situation weiter zuspitzt …

Wenn dein Kind plötzlich regelmäßiger, heftiger oder von verschiedensten Kindern gebissen wird, solltest du wachsam bleiben.

Jetzt ist auch die Sicht und Begleitung der Kita entscheidend. Bleibt mit allen Beteiligten möglichst viel und gut im Austausch. Vielleicht gibt es ja auch Veränderungen in eurem Leben, die die Situation möglicherweise zusätzlich beeinflussen können (Trennung, Geschwisterzuwachs usw.). 

Zeigt dein Kind außerdem ein auffällig verändertes Verhalten im Alltag, empfehlen wir den Gang zur Kinderarztpraxis. Vielleicht ist es stark belastet von den Vorfällen oder es steckt sogar etwas Tieferes dahinter. Im Zweifel kann dich die Kinderarztpraxis an Fachstellen der Kinder- und Jugendpsychotherapie weiter verweisen, falls die Kita-Situation Auswirkungen auf seine mentale Gesundheit hat.

Wichtig ist dann, dass du auch dich selbst gut stabilisierst. Ist dein Kind belastet, hat das natürlich auch Auswirkungen auf dich. Sorgt jetzt einmal mehr gut für euch. 

Fazit

Wenn dein Kind in der Kita gebissen wurde, versuche zunächst, Ruhe zu bewahren und jetzt ganz bewusst für dein Kind da zu sein. 

Wenn du mit deiner Aufmerksamkeit voll bei ihm bist, seine Gefühle ernst nimmst und ihm seine Fragen beantwortest, bist du hier auf der sicheren Seite. Meist ist so ein Vorfall nur die Ausnahme statt der Regel und es steckt ein erklärbarer Konflikt dahinter. 

Ist dein Kind vom Vorfall stark belastet, binde die Kita mit ein und versuche die Situation zu verstehen. Ist die mentale Gesundheit deines Kindes betroffen, ist die Begleitung von Fachpersonal gefragt. 

Sein mentales wie körperliches Wohlergehen sollte immer an erster Stelle stehen.

Veröffentlicht von Leonie Illerhues

Leonie war nach ihrem Studium der Heilpädagogik lange im Schulhort-, Kita- und Krippenbereich tätig. Erziehungs- und Entwicklungsthemen im Baby- und Kleinkindalter sind deshalb ihr Steckenpferd. Seit 2022 ergänzt Leonie unser Team mit diesem Schwerpunkt.