Dein Kind hält plötzlich den Stuhlgang zurück? In diesem Artikel klären wir, was es damit möglicherweise auf sich hat und wie du ihm jetzt helfen kannst.
Manchmal halten Kinder auf einmal ihren Stuhlgang zurück. Die genauen Ursachen lassen sich selten konkret feststellen.
Je nachdem, ob das Ganze nur gelegentlich oder regelmäßig vorkommt, gibt es Dinge, die dahinterstecken können …
Der harmlose Grund: Das Kind probiert sich aus
Manchmal probiert das Kind sich schlichtweg aus und hält deswegen seinen Stuhl zurück. Es spürt: „Oh, ich kann das ja steuern.“
Hinzu kann kommen, dass dein Kind eine reguläre Angst hat, vor …
- Der Toilette: Manche Kinder haben Angst vor der Toilettenspülung oder unschöne Toiletten-Situationen erlebt – ob zu Hause oder in der Öffentlichkeit – weshalb sie Toiletten meiden, wenn sie können. Auch Hygiene spielt eine große Rolle. Ekelt sich dein Kind vor der Toilette, hält es seinen Stuhlgang vielleicht eher zurück.
- Sozialer Ausgrenzung: Vielleicht kann dein Kind sich im Spiel in der Kita, Schule oder Zuhause nicht so gut losreißen. Möglicherweise ist es in seinem Spiel sehr vertieft oder hat Sorge vor der Ablehnung der anderen, wenn es sich zur Toilette zurückziehen muss.
- Dem Verpassen: Auch das „Ich könnte etwas Wichtiges verpassen, wenn ich jetzt zur Toilette gehe“ spielt hier eine große Rolle.
Sollte das Kind sich also gerade einfach ausprobieren und seinen Stuhl deswegen gelegentlich anhalten, erkläre ihm, wie wichtig es ist, zur Toilette zu gehen, wenn der Kot kommt.
Beispiel: „Wie wir den Müll bei uns zu Hause herausbringen, sobald er voll ist, funktioniert auch der Körper. Irgendwann muss der Müll raus. Am besten gehst du dann sofort zur Toilette, damit sich nicht noch mehr Müll im Körper ansammelt. Denn je mehr Müll obendrauf kommt, desto schwerer wird das Herausbringen.“
Unsere Empfehlung: Erkläre deinem Kind nur das, was es tun soll und nicht das, was es nicht machen soll (Einhalten). Vielleicht kennst du das Beispiel, „jetzt bloß nicht an einen rosa Elefanten zu denken!“, was es umso schwerer macht, nicht an diesen rosa Elefanten zu denken. Genauso ist es auch mit Bitten an dein Kind.
Emotionale Ursachen
Insbesondere wenn das Einhalten regelmäßig vorkommt, steckt womöglich etwas Emotionales dahinter, wie etwa …
- Angst vor Schmerzen: Die letzten Stuhlgänge waren schmerzhaft für das Kind. Harter Stuhlgang kann so heftige Schmerzen bereiten, dass dein Kleines möglicherweise große Angst davor entwickelt.
- Lebensveränderungen: Finden im Leben des Kindes gerade große Veränderungen statt, wie ein neues Baby, die Trennung der Eltern, der Kita-Wechsel oder ein Umzug, kann das Einhalten des Stuhlgangs eine (unbewusste) emotionale Möglichkeit sein, in all der Überforderung die Kontrolle zu behalten.
- Druck, übermäßige Erwartungen und erzieherische Maßnahmen: Lasten auch sonst viel Druck, Erwartungen und Leistungsgedanken auf dem Kind, kann das Einhalten des Kots eine Kontrollmöglichkeit sein, mit all diesen Einflüssen und Gefühlen von außen umzugehen. Ist das der Fall, steht dein Kind aktuell vermutlich unter hoher emotionaler Belastung. Wie du damit umgehen kannst, erklären wir weiter unten.
- Sauberkeitserziehung: Ein Zurückhalten des Kots kann sich auch dann zeigen, wenn die Sauberkeitserziehung mit viel Druck und Hektik verlief und nicht im individuellen Tempo des Kindes. Dann stellt sich dieser Entwicklungsschritt quasi noch mal wie zurück.
- seelische Belastungen und Traumata: Hat das Kind ein oder mehrere Traumata durchlebt, steht es unter dauerhaftem Stress oder ist ein Familienmitglied kürzlich verstorben, kann das Einhalten auch eine Traumareaktion des Körpers sein. In diesem Fall gilt ebenfalls: Das Kind ist maximal belastet und sein Körper spricht mit den Symptomen zu dir. Wir gehen weiter unten darauf ein, wie du jetzt vorgehen kannst.
Der Teufelskreis beim Einhalten
Durch das Einhalten kann leider ein schmerzhafter Teufelskreis entstehen …
Das Kind hält den Kot zu lange ein, im Darm wird eine Verstopfung ausgelöst, dadurch schmerzt das Koten stark und aus Angst vor diesem Schmerz hält das Kind den kommenden Kot erneut „zu lange“ ein.
Weitere mögliche Folgen vom Einhalten
Viele Kinder, die ihren Stuhl regelmäßig zurückhalten, beginnen dann auch wieder, sich unkontrolliert einzukoten (Enkopresis) oder einzunässen (Enuresis) – obwohl sie zuvor bereits das Töpfchen oder die Toilette besucht haben.
Das kann passieren, wenn der Stuhl etwa ständig zurückgehalten und eine dauerhafte Verstopfung ausgelöst wird. Der überfüllte Darm entleert sich dann unbemerkt und auf eigene Weise, manchmal mit dünnflüssiger Konsistenz und in kleinen Mengen mehrmals am Tag.
Außerdem kann die Situation auch Essstörungen begünstigen. Denn wenn unten nichts mehr herauskommt und sich Bauch, Darm und Körper aufgebläht anfühlen und schmerzen, dann hat das Kind möglicherweise große Ängste, weitere Nahrung zu sich zu nehmen.
Wir empfehlen deshalb …
Zuerst: ab zur Kinderarztpraxis!
Wenn dein Kind seinen Stuhlgang regelmäßig zurückhält, solltest du schnellstmöglich die Kinderarztpraxis aufsuchen und das Ganze ärztlich abklären lassen. Denn dann leidet dein Kind vermutlich auch unter großen körperlichen Schmerzen und diese gilt es zügig zu lindern.
Möglicherweise liegt auch eine organische Ursache vor. Wenn eine psychische Ursache hinter dem Verhalten steckt, kann dich die Kinderarztpraxis gut beraten sowie an Fachstellen der Kinder- und Jugendpsychotherapie weiter verweisen.
Wichtig ist, dass jetzt aktiv hingeschaut wird, um dein Kind und seinen Körper zu entlasten und Folgestörungen zu vermeiden. Bleibe also im engen Austausch mit der Kinderarztpraxis und den Fachstellen.
Zusätzlich könntest du …
Stress oder Belastungen innerhalb der Familie verringern
Möglicherweise kann auch eine kostenlose Familienberatung zusätzliche Abhilfe leisten.
Denn plötzliche, körperliche Symptome, die sich beim Kind zeigen, können – müssen aber nicht – immer auch ein Hinweis auf eine Belastung innerhalb des Familiensystems sein. Zum Beispiel nach einem Umzug in eine andere Stadt.
Hier geht es nicht um Schuld oder die Frage nach „Was stimmt hier nicht?“, sondern eher darum, die Belastung nun zunächst für das Kind und dann für alle Beteiligten langfristig zu verringern.
Wie du deinem Kind zusätzlich helfen kannst – 8 Ideen
- Liebe, Geduld, Wertschätzung: Schimpfen oder Strafen, wenn das Kind weiterhin einhält, bringen jetzt gar nichts. Im Gegenteil: Der Druck wird dann nur noch weiter erhöht. Bleibe also in deiner Liebe, Geduld und Wertschätzung, denn das ist es, was dein Kind jetzt von dir braucht.
- Jeglichen Druck herausnehmen: Versuche so viel Druck, Hektik und Stress, wie nur möglich, aus eurem Alltag herauszunehmen. Alles, was dein Kind jetzt belasten könnte, ist nur zusätzlicher Ballast. Magen-Darm-Trakt und Psyche können viel besser zur Ruhe kommen, wenn äußere Stressoren verringert werden.
- Das Kind sein lassen: Versuche dich jetzt ganz darauf zu konzentrieren, das Kind einfach nur sein zu lassen. Biete ihm so viel Freispielzeit wie möglich, die es nach seinen Vorstellungen gestalten kann. So verschiebst du den Fokus automatisch auf etwas Schönes. Das wird deinem Kind die aktuelle Situation etwas erleichtern.
- Zeit mit anderen Kindern: Verabredungen mit anderen Kindern verschiedener Altersgruppen können jetzt ebenfalls hilfreich sein. Kinder schauen sich häufig unbewusst eine Menge ab, gerade von älteren Kindern. Manchmal lösen sich bestimmte Themen dann ganz von allein, ohne dass man als Elternteil etwas tun muss.
- Viel zu trinken anbieten: Am besten gehst du hier so vor, wie du es auch bei regulären Verstopfungen tun würdest: Biete deinem Kind schon nach dem Aufstehen möglichst viel Wasser, ungesüßten Tee und stark verdünnte Saftschorlen zu trinken an. Wichtig ist auch, dass es jetzt genügend und regelmäßig trinkt. Aber auch hier: Ohne Druck klappt es besser. Am besten stellst du die Getränke tagsüber als Angebot in Sichtweite des Kindes bereit und trinkst selbst genügend. Dein Kind wird es dir im besten Falle nachahmen.
- Ernährung anpassen: Ansonsten achte auf eine ballaststoffreiche Ernährung, die den Magen-Darm-Trakt natürlich anregt. Setze hierbei etwa auf Obst, Vollkornprodukte, Naturreis, Kartoffeln, Gemüse, Rohkost, Müsli und Nüsse.
- Körperpflege: Lass dir von der Kinderarztpraxis eine Wundcreme für den After deines Kindes verschreiben, falls es hier bereits Risse hat. Vielleicht kannst du dich in der Praxis auch zu weiteren Medikamenten oder Hausmitteln beraten lassen, die den Magen-Darm-Trakt entspannen lassen und insgesamt krampflösend wirken.
- Gespräche mit allen Bezugspersonen des Kindes: Vor allem, wenn es bereits eine Kita oder Schule besucht, solltest du – sofern die Situation zu chronischer Verstopfung beim Kind geführt hat – mit den anderen Bezugspersonen des Kindes darüber sprechen. Wichtig ist, dass dein Kind spürt, dass es sich für seine Situation nicht schämen muss und die begleitenden Erwachsenen sicherstellen, dass das Kind nicht von Ausgrenzung oder Mobbing bedroht ist. Außerdem solltest du dem Kind Bescheid geben, wenn Lehrerschaft und Co. involviert werden. Das Kind sollte von den wissenden Erwachsenen dann nicht konfrontiert werden, sondern einfach immer die Möglichkeit haben, zur Toilette zu gehen, wenn es das muss. Obendrein sollten die anderen Beteiligten mit dieser medizinischen Privatangelegenheit sorgsam umgehen, um das Kind zu schützen.
Fazit
Vielleicht hält dein Kind seinen Stuhlgang einfach nur ein, um sich gelegentlich selbst auszuprobieren.
Kommt das Ganze allerdings regelmäßig vor, zeigt sich möglicherweise eine seelische Belastung als körperliches Symptom. Es kann auch eine organische Ursache dahinterstecken.
In diesen Fällen empfehlen wir dir den Gang zur Kinderarztpraxis. Zusätzlich können Fachstellen der Kinder- und Jugendpsychotherapie und Familienberatungsstellen Abhilfe leisten.
Während die Ursache ergründet wird, achte darauf, dein Kind liebevoll, geduldig und wertschätzend zu begleiten. Nimm jeglichen Druck und Stress aus eurem Alltag raus und sprich dich gut mit den anderen Bezugspersonen deines Kindes ab.
Achte jetzt einmal mehr auf eine ausgewogene, ballaststoffreiche Ernährung und eine gute Flüssigkeitszufuhr beim Kind. Lass es auch einfach mal Kindsein und versuche, die Gespräche nicht allzu sehr auf Stuhlgang und Co. zu legen, um hier den Fokus wegzunehmen.
Wir wünschen dir von Herzen, dass sich die Situation beruhigt und dein Kind jetzt bestmöglich entlastet werden kann.
Quellen
- Bürgin, Dieter (1993). Psychosomatik im Kindes- und Jugendalter. Stuttgart: Gustav Fischer Verlag.
- Caby, Filip und Andrea (2011). Die kleine psychotherapeutische Schatzkiste. Tipps und Tricks für kleine und große Probleme vom Kindes- bis zum Erwachsenenalter. (2. Auflage). Dortmund: Borgmann Media.
- Dilling, Horst, Freyberger, Harald J. (2016): ICD-10. Taschenführer zur ICD-10-Klassifikation psychischer Störungen. (8. Auflage). Hogrefe Verlagsgruppe.
- Greving, Prof. Dr. Heinrich, Ondracek, Prof. Dr. Petr (2010): Handbuch Heilpädagogik. (2. Auflage) Troisdorf: Bildungsverlag EINS GmbH.
- Perls, Frederick S., Hefferline, Ralph F., Goodman, Paul (2015). Gestalttherapie. Grundlagen der Lebensfreude und Persönlichkeitsentfaltung. (9. Auflage). Stuttgart: Klett-Cotta Verlag.
- Siegel, Elaine V. (1997): Tanztherapie. Seelische und körperliche Entwicklung im Spiegel der Bewegung. Ein psychoanalytisches Konzept. (4. Auflage) Stuttgart: Klett-Cotta Verlag.