Eine Kita, in der mein Kind wirklich gesehen, verstanden und individuell gefördert wird? Und das ohne starre Strukturen und Zwänge? Klingt verlockend! Genau das ist es, was ein Montessori Kindergarten bieten will. Doch bevor sich Eltern bei der Wahl der Kita für eine Montessori Einrichtung entscheiden, sollten sie sich genauer damit auseinandersetzen. Wir fassen zusammen, was du wissen musst!
Das Wichtigste in Kürze
- Ziel der Pädagogik ist es, die Unabhängigkeit des Kindes zu fördern.
- Die Umgebung und die Erzieherinnen motivieren die Kinder zum selbstständigen Denken und Handeln.
- Es gibt ein offenes Konzept mit Freiarbeit.
- Statt Spielsachen gibt es besondere Montessori Materialien.
- Montessori eignet sich in der Theorie für alle Kinder.
- Häufig sind die Kosten höher, da die Kitas in der Regel private Einrichtungen sind.
- Es herrschen kontroverse Meinungen unter Eltern zum Thema Montessori Kita.
- Wie viel „Montessori“ wirklich drin steckt, hängt vom Träger und dem Personal ab.
Die Grundzüge der Montessori Pädagogik
Hilf mir, es selbst zu tun – das ist das Leitprinzip der Montessori Pädagogik. Hier legen nicht die Erwachsenen fest, was, wann und wie gelernt wird, sondern jedes Kind entscheidet das ganz für sich allein. Entwickelt hat das Konzept eine Ärztin namens Maria Montessori Anfang des 20. Jahrhunderts in Italien. Dem zufolge habe jedes Kind einen inneren Bauplan, der seine Entwicklung steuert. Naturgegeben sei es das Ziel jeden Kindes, selbstständig und unabhängig zu werden und am Leben (der Erwachsenen) teilzuhaben. Dieses Ziel motiviert es ganz von allein zum Lernen.
Dafür müssen sich die Erwachsenen mit Vorgaben und Druck von außen zurückhalten. Sie müssen das Kind seinem inneren Gespür folgen lassen. Das heißt, die Erziehenden und Lehrenden nehmen bei Montessori eine eher passive Rolle gegenüber dem Kind ein. Durch genaues Beobachten erfahren sie, für welche Lernerfahrung ein Kind in seiner persönlichen Entwicklung gerade bereit ist. Sie unterstützen es dabei, indem sie für die optimale Lernumgebung sorgen.
Der Montessori Bildungsweg
In Deutschland gibt es gibt insgesamt rund 600 Montessori Krippen (0 bis 3 Jahre) und Montessori Kindergärten oder auch „Kinderhäuser“ (u.a. 3 bis 6 Jahre). Im Anschluss haben Kinder in Deutschland die Möglichkeit, eine Montessori Grundschule zu besuchen (6 bis 12 Jahre). Schließlich folgt der Übergang zur Montessori Sekundarschule (12 bis 18 Jahre). In der Sekundarschule können alle regulären Schulabschlüsse erworben werden.
Der Begriff Kinderhaus geht übrigens zurück auf die erste Kindertagesstätte unter Leitung Maria Montessoris, dem „Casa dei Bambini“ 1907 in Rom.
Es ist keine Pflicht, nach einem Montessori Kindergarten auch eine Montessori Schule zu besuchen. Über die schulische Laufbahn deines Kindes musst du dir also noch keine Gedanken machen, wenn du nach einem geeigneten Kitaplatz suchst.
Was ist das Besondere am Montessori Kindergarten?
Ziel einer solchen Einrichtung ist es, die Kinder in ihrer Selbstständigkeit zu fördern und das selbstbestimmte Lernen zu ermöglichen. Dafür gibt es einige Besonderheiten. Dazu gehören:
Altersgemischte Gruppen: Im Montessori Kindergarten wird in der Regel keine Gruppeneinteilung nach dem Alter vorgenommen, sondern die Gruppen setzen sich aus kleinen wie großen Kindern zusammen. Das soll die Sozialkompetenz der Kinder fördern: die Großen helfen den Kleinen und die Kleinen lernen von den Großen.
Offenes Konzept mit Freiarbeit: In den Freiarbeitszeiten stehen den Kindern in der Einrichtung alle Beschäftigungsmöglichkeiten zur freien Verfügung. Jedes Kind darf in diesen Zeiten entscheiden, womit es sich beschäftigen will und wie lange. Zwar gibt es hin und wieder auch Beschäftigungsangebote durch die Erzieher, wie zum Beispiel das gemeinsame Basteln, jedoch wird keines der Kinder dazu aufgefordert. Es darf sich diesen Angeboten anschließen oder etwas ganz anderes machen.
„Die vorbereitete Umgebung“: Heißt, die Einrichtung des Montessori Kindergartens ist darauf ausgelegt, dass die Kinder sie eigenständig und ohne Hilfe der Erwachsenen nutzen können. Neben kindgerechten Stühlen und Tischen gibt es zum Beispiel auch kleine Spülstationen für das Geschirr. In den Gruppen- oder Lernräumen gibt es offene Regale, in denen die Spielsachen und/oder Montessori Materialien ihren festen Platz haben. Die Kinder können sie sich jederzeit selbst nehmen und später wieder zurückstellen. Kleine Arbeitsteppiche laden dazu ein, das Material ausbreiten und sich ungestört damit zu beschäftigen.
Montessori Materialien: Mit dem selbst entwickelten Arbeitsmaterial von Montessori sollen die Kinder spielerisch lernen. Es besteht in der Regel aus Holz oder Stoff. Wenn es farbig ist, dann dezent. Außerdem sind die Farben innerhalb eines Materialsets passend aufeinander abgestimmt. Typische Montessori Materialien sind unter anderem Stapelwürfel, („der rosa Turm“), geometrische Formen, Stecksysteme, Rechenstäbchen, Sandpapierzahlen und -buchstaben, Holzpuzzle oder Geräuschdosen. Aber auch Kännchen, Gefäße und Gläser für die „Übungen des täglichen Lebens“ zählen dazu.
Voraussetzungen für Montessori Materialien sind unter anderem, dass
- das Kind sich eigenständig damit beschäftigen kann,
- es einen Sinn, also ein Lernziel hat,
- es einfach in der Handhabung ist und
- es einen Aufforderungscharakter hat.
„Die vorbereitete Lehrerin“: Gemeint sind damit geschulte Erzieher und Erzieherinnen, die mit den sensiblen Phasen nach Montessori und ihren generellen Leitprinzipien vertraut sind. Die berufsbegleitende Zusatzausbildung zum Montessori Pädagogen dauert in der Regel zwei Jahre. Sie haben die Aufgabe, die Kinder in ihrem eigenständigen Tun zu begleiten. Zwang- und wertfrei bieten sie ihnen Arbeitsmaterial an, das den Interessen des Kindes gerade entsprechen könnte. Statt Dinge zu erklären, machen sie sie vor und lassen die Kinder dann ihre eigenen Erfahrungen machen. Trotzdem sind sie für die Kinder jederzeit ansprechbar und geben Unterstützung, wenn sie gebraucht wird.
Elternarbeit: Mehr noch als in regulären Kitas wird in Montessori Einrichtungen der Einsatz der Eltern gefragt, der über die Teilnahme an den regelmäßigen Elternabenden hinausgeht. Der Austausch zwischen Eltern und Erzieherinnen soll sehr eng und offen sein. Außerdem erwarten die Einrichtungen engagierte Mitarbeit, wenn es um die Vorbereitung und Durchführung von Festen oder Projekten geht.
Übrigens: Das Montessori Konzept wird nicht mehr ausschließlich in den entsprechenden Kitas und Schulen gelebt. Einige Elemente, wie die Freiarbeit und ausgewählte Montessori Materialien, finden sich auch immer mehr in regulären Kitas und Schulen.
Gibt es im Montessori Kindergarten wirklich keine Regeln?
Hartnäckig hält sich diese Frage in den Foren zur Kita-Suche. Dabei sind Struktur und Ordnung sind im Montessori Konzept wichtige Elemente. Ihre „Freiarbeit“ heißt nicht: Die Kinder können den ganzen Tag ohne Kontrolle tun und lassen, was sie wollen. Es gibt geregelte Essens- und Ruhezeiten, zum Teil auch noch weitere feste Blöcke im Tagesablauf. Zudem gibt es auch hier die typischen Regeln für ein gutes Miteinander. Zum Beispiel, dass sich die Kinder nicht gegenseitig wehtun oder beim Spielen („Arbeiten“) stören.
Welche Vorteile hat ein Montessori Kindergarten?
Anders gefragt: Warum sollte ich mich für einen Montessori Kindergarten entscheiden? Dafür spricht der besondere Fokus auf das Kind als Individuum. Jedes einzelne Kind soll hier die Möglichkeit haben, sich völlig frei entfalten zu können und innerhalb des Angebots seinen Lieblingsbeschäftigungen nachzugehen. Das Lernen mit allen Sinnen wird angeregt und geschieht ganz spielerisch. Zudem wird das selbstständige Denken und Handeln gefördert. Wem das wichtig ist, dem wird eine Montessori Kita sehr zusagen.
Übrigens gibt es keine besonderen Voraussetzungen, die dein Kind für den Montessori Kindergartens oder die Krippe erfüllen muss. Der Fokus liegt ja auf der individuellen Betreuung und Förderung jedes einzelnen Kindes. Es ist also egal, ob es eher schüchtern oder wild ist – der Theorie nach eignet sich die Montessori Pädagogik für jedes Kind.
Welche Nachteile hat ein Montessori Kindergarten?
Da die meisten Montessori Kindergärten private Einrichtungen sind, sind die Kosten meist höher als bei öffentlichen Kitas. Ihnen wird deshalb häufig nachgesagt, elitär zu sein, also eher von Kindern aus finanziell bessergestellten Familien besucht zu werden. Das kann unter Umständen zu Vorurteilen und Hänseleien führen. Zudem steht das freie Handeln und Lernen dem konventionellen Schulbetrieb gegenüber. Der Übergang vom Montessori Kindergarten zu einer normalen Grundschule könnte deinem Kind anfangs schwerfallen.
Ein weiterer „Nachteil“ ist, dass es Montessori Kitas nicht allzu häufig gibt. Du müsstest gegebenenfalls weite Abfahrtsstrecken in Kauf nehmen. Gleichzeitig kann es sein, dass die Freunde, die dein Kind in der Kita findet, nicht gerade aus der Nachbarschaft stammen. Das solltest du zumindest bedenken, wenn du dir durch den Besuch der Kita auch private Kontakte für dein Kind erhoffst.
Fazit: Montessori Kita – ja oder nein?
Um die Frage zu beantworten, musst du dir selbst erst einmal im Klaren sein, was Montessori Pädagogik bedeutet und ob du hinter dieser Art der Erziehung stehst. Schaut man sich in den Foren und sozialen Netzwerken um, stößt man auf geteilte Meinungen. Die einen schwärmen von ihrer Montessori Kita, die anderen haben schlechte Erfahrungen gemacht. Was auffällt: An der Pädagogik selbst wird dabei meist wenig kritisiert, eher an der Auslegung des Konzepts in der jeweiligen Kita.
Das bestätigt: Die Qualität der Kita hängt nicht unbedingt am pädagogischen Konzept. Sie steht und fällt mit den Vorgaben des jeweiligen Kita-Trägers und der Motivation der Erzieherinnen. Wie viel „Montessori“ am Ende wirklich in einer Montessori Kita steckt, kann deshalb von Kita zu Kita verschieden sein. Zum Beispiel ist schon die Ausstattung der Montessori Kindergärten nicht überall gleich. In einigen gibt es ausschließlich Montessori Materialien, andere bieten zusätzlich noch reguläre Spielsachen an, die nicht unbedingt den Montessori Vorgaben entsprechen. In der einen Kita gibt es mehr feste Termine im Tagesablauf, in der anderen weniger.
Eine generelle Empfehlung für dich können wir dir an dieser Stelle daher nicht geben. Aber einen wichtigen Tipp: Die Wahl der richtigen Kita für dein Kind sollte nicht allein von der Pädagogik abhängig sein. Andere Faktoren, wie die Nähe zu eurem Wohnort, die Ausstattung, das Angebot insgesamt und nicht zuletzt der Eindruck, den das Personal vor Ort auf dich macht, sollten ebenfalls eine wichtige Rolle für die Entscheidung spielen.
Im Idealfall kannst du dir vor der Anmeldung deines Kindes ein eigenes Bild von eurer Wunschkita machen und einige Stunden in der Kita hospitieren.
Wir sind gespannt: Geht oder ging dein Kind in eine Montessori Kita? Teile deine Erfahrungen mit uns und unseren Lesern in den Kommentaren!
🎧 Podcast: Was ist eigentlich Montessori?
Was kann man sich unter Montessori vorstellen? Und wie können Eltern diese Pädagogik auch zuhause umsetzen? Pädagogin und Montessori-Expertin Kirby Bayraktar gibt dir in dieser Podcast-Folge einen spannenden Einblick und Tipps! Wenn dir unser Podcast gefallen hat, dann abonnier ihn direkt bei Spotify oder iTunes, um keine Folgen mehr zu verpassen.
Redaktioneller Hinweis: Wir unterstützen die Kernprinzipien der Montessori-Pädagogik, die sich auf Selbsterfahrung, innere Lernprozesse und die kindliche Entwicklung beziehen. Wir distanzieren uns jedoch klar von den Aussagen Montessoris, die vom Weltbild der damaligen Zeit geprägt sind.
Quellen
- Montessori Bundesverband Deutschland e.V.: Häufig gestellte Fragen https://www.montessori-deutschland.de/faq/ (abgerufen am 20.01.2022)
- Maria Kley-Auerswald: Das Montessori-Kinderhaus in Theorie und Praxis. Verlag Herder, 1. Auflage (18. August 2017)
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