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Tokophobie: Die behandlungsbedürftige Form der Geburtsangst

Schwangere mit Tokophobie steht in dunklem Zimmer und kann nicht schlafen
Tokophobie kann die Lebensqualität einer Schwangeren stark beeinträchtigen. / Bild © Андрей Журавлев, Adobe Stock

Respekt vor der Geburt kennen viele Frauen. Aber nimmt die Geburtsangst überhand und lähmt dich, könntest du an einer Tokophobie leiden. Wir erklären dir, woran du eine Tokophobie erkennst, woher sie kommt und wo du Hilfe bekommst.

Das Wichtigste in Kürze

  • Tokophobie ist der medizinische Fachbegriff für die tiefgreifende Angst vor der Geburt oder einer Schwangerschaft.
  • Die primäre Tokophobie entwickelt sich in der Adoleszenz. Die sekundäre Form wird durch eine traumatische Geburt ausgelöst.
  • Bei Tokophobie sollte immer psychologische Hilfe in Anspruch genommen werden.
  • Ein Kaiserschnitt kann ein Ausweg sein, aber nicht der einzige.

Ab wann wird Geburtsangst zur Tokophobie?

Tokophobie bezeichnet einen ernsthaften Angstzustand. Die Betroffenen verspüren eine lähmende und überwältigende Angst vor einer Schwangerschaft und/oder der Geburt. Diese Angst geht weit über den „normalen“ Respekt vor der Geburt hinaus, den andere Schwangere empfinden.

Die Tokophobie ist seit 2008 als spezifische medizinisch-psychologische Phobie anerkannt. Man unterscheidet zwei Arten der Tokophobie: die primäre und die sekundäre.

Primäre und sekundäre Tokophobie

Die primäre Tokophobie entwickelt sich in der Adoleszenz. Es wird angenommen, dass sie unter anderem durch abschreckende Eindrücke rund um eine Entbindung ausgelöst wird (dazu später mehr). Die betroffenen Frauen haben teils derart Angst vor der Geburt, dass sie eine Schwangerschaft selbst bei großem Kinderwunsch vermeiden. Sollten sie dennoch schwanger werden, ziehen sie häufig eine Abtreibung in Erwägung.

Die sekundäre Tokophobie kann durch traumatisch erlebte Geburten ausgelöst werden. Bei manchen Schwangeren reicht die Geburtsangst so weit, dass sie sich einen primären Kaiserschnitt als Lösung wünschen. Der operative Eingriff gibt den Betroffenen das Gefühl von mehr Sicherheit zurück, weil er ihnen „kontrollierbarer“ erscheint, als die vaginale Entbindung. Bei echter Tokophobie übernehmen die Krankenkassen die Kosten für einen Wunschkaiserschnitt. Dennoch sollte die Entscheidung dafür sorgfältig mit der Schwangeren und dem ärztlichen Team getroffen werden und alle potenziellen Risiken sowie Vorteile abgewogen werden. 

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Wie äußert sich die Tokophobie in der Schwangerschaft?

Von Tokophobie betroffene Schwangere empfinden sehr viele Unsicherheiten bis hin zu extremen Ängsten. Sie können die Schwangerschaft kaum genießen und werden regelrecht panisch, wenn sie an den Geburtsvorgang, die Schmerzen und die Risiken denken. Die extreme Furcht vor der Geburt begleitet die Frauen in ihrem Alltag. Je näher der errechnete Entbindungstermin rückt, desto schneller und heftiger dreht sich das Gedankenkarussell – und desto unruhiger werden sie.

Auch körperlich macht sich die Tokophobie bemerkbar. Die Schwangeren leiden unter Schlafproblemen, Albträumen, Zittern und Herzrasen. Manche erleiden Panikattacken mit regelrechter Atemnot. Die Frauen empfinden einen enormen Stress in der Schwangerschaft. Auch eine Depression ist denkbar.

Box: Verschiedenen Studien zufolge sind vor allem Frauen von einer Tokophobie betroffen, die schon depressive Phasen hatten oder unter einer Angststörung leiden. Aber: Grundsätzlich kann es jede Frau treffen.

Mögliche Auslöser und Gründe für die Angst vor der Geburt

Viele Frauen plagt die Angst vor Geburtsschmerzen, möglichen Geburtsverletzungen wie einem Dammriss oder die Sorge, dass dem Baby etwas passieren könnte. Bei einer Tokophobie sind die Ängste jedoch weitreichender und ausgeprägter als diese allgemeinen Ängste in der Schwangerschaft. Die Angst liegt tiefer. Sie beruht oft auf einem von den Betroffenen als traumatisch empfundenen Erlebnis.

Auslöser und Gründe für eine primäre Tokophobie

Die primäre Tokophobie entsteht im Jugendalter. Ein in der Schule gezeigtes Video oder ein Film, der eine traumatische Geburt darstellt, können die Betroffenen nachhaltig geprägt haben. Die Frauen haben einen Riesenrespekt vor den Risiken und den Schmerzen, die bei einer Geburt auf sie zukommen könnten. Und keine Mutter kann ihnen beschreiben, wie stark die Wehenschmerzen wirklich waren. Zum einen reagiert jede Gebärende anders. Zum anderen hat es die Natur so eingerichtet, dass die Hormone nach der Geburt die meisten Anstrengungen vergessen lassen.

Es ist das Unbekannte, das die Frauen quält. Hinzu kommt, dass sich manche Erstgebärende vor dem Ausgeliefertsein fürchten und dabei vergessen, dass sie selbst einen großen Einfluss darauf haben, wie die Geburt abläuft. Manchmal ist auch nur die Angst vor Schmerzen Auslöser für eine Tokophobie. Schließlich unterscheidet sich das Schmerzempfinden von Mensch zu Mensch stark.

Auslöser und Gründe für eine sekundäre Tokophobie

Frauen, die selbst eine schwierige Geburt hinter sich haben oder bei einer solchen dabei waren, sind mitunter traumatisiert. Das kann so weit gehen, dass sie keine Kinder mehr wollen. Werden sie doch schwanger, ist die Sorge groß, dass die Geburt wieder so abläuft. Auch Fehl- oder Totgeburten können eine sekundäre Tokophobie auslösen.

Negative Erfahrungsberichte anderer befeuern das Ganze. Und in Foren findet man meistens genau das – angsteinflößende Geburtsberichte. Denn eine normal verlaufene Geburt gibt einfach nicht so viel her.

Hilfsangebote bei Tokophobie

Wenn die Geburtsangst übergroß ist, gibt es Menschen, die Schwangere in einer solchen Ausnahmesituation gezielt unterstützen können. Eine Psychotherapie kann helfen, Ängste zu identifizieren und Traumata aufzuarbeiten, die dich blockieren.

Eine Studie aus Finnland berichtet von positiven Effekten einer sogenannten psychoedukativen Gruppentherapie mit Entspannungsübungen. In einer Psychoedukation „lernen“ werdende Mütter, mit ihrer Tokophobie aktiv und bewältigungsorientiert umzugehen. Der Austausch mit anderen Betroffenen soll dabei helfen und zeigen: „Du bist nicht allein“. Eine solche Gruppentherapie kann entweder durch eine Hebamme mit entsprechender Fortbildung oder durch Psychologen und Psychotherapeuten durchgeführt werden.

Es gibt Gynäkologen und Psychotherapeuten, die sich auf das Fachgebiet psychosomatische Gynäkologie spezialisiert haben. Ansprechpartner findest du zum Beispiel über die Deutsche Gesellschaft für Psychosomatische Frauenheilkunde und Geburtshilfe.

In Großstädten wie Berlin und Hamburg haben sich verschiedene Beratungsstellen, Arzt- und Psychotherapiepraxen sowie Kinderwunschzentren zu einem „Versorgungsnetzwerk Frauenpsychosomatik“ zusammengeschlossen. Sie beraten Schwangere, die Angst vor der Geburt haben, sowie Frauen, die aufgrund ihrer Tokophobie bisher ihrem Kinderwunsch nicht nachgegeben haben. Weiterführende Informationen findest du unter folgenden Links:

Aber wenn alles nichts hilft und dich weiter eine lähmende Angst begleitet, kann es in Einzelfällen notwendig sein, über einen geplanten Kaiserschnitt zu sprechen. Es sollte nur nicht direkt als erstes Mittel der Wahl angesehen werden. Hole dir so viele Informationen wie möglich ein und gib dir Zeit, bis du zu einer finalen Entscheidung nach ausgiebigem Abwägen kommst. 

Fazit: Tokophobie braucht Behandlung

Tokophobie als ernsthafte Form der Geburtsangst solltest du behandeln lassen. Denn die Symptome können verhindern, dass du deine Schwangerschaft genießen und dich mit deinem Baby im Bauch verbinden kannst. Psychotherapie, spezialisierte Ärzte und Beratungsstellen werden dir helfen, zurück in deine Kraft zu kommen und die Geburt mit neuen Augen zu sehen. Zögere nicht Hilfe zu suchen und anzunehmen, sie wird dir guttun. Ein geplanter Kaiserschnitt ist möglich, sollte jedoch nur nach gründlicher Abwägung in Betracht gezogen werden. Wir wünschen dir und deinem Baby alles Gute, ihr schafft das! Und denke daran: Es ist selten die Situation selbst, die Angst auslöst, sondern das, was du im Vorfeld hineininterpretierst.

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Quellen

✔ Inhaltlich geprüft am 06.05.2024
Dieser Artikel wurde von Emely Hoppe geprüft. Wir nutzen für unsere Recherche nur vertrauenswürdige Quellen und legen diese auch offen. Mehr über unsere redaktionellen Grundsätze, wie wir unsere Inhalte regelmäßig prüfen und aktuell halten, erfährst du hier.

Veröffentlicht von Carolin Severin

Carolin ist Mama einer Tochter im Kindergartenalter und leidenschaftliche Familien-Redakteurin. Sie beschäftigt sich schon seit 10 Jahren hauptberuflich mit allem, was (werdende) Eltern interessiert. Bei Babelli versorgt sie euch mit Informationen und News rund ums Thema Schwangerschaft. Dabei ist es ihr besonders wichtig, komplexe medizinische Themen verständlich und sensibel aufzubereiten und dabei möglichst Sorgen und Ängste zu nehmen. Dafür arbeitet sie eng mit unserer Expertin Hebamme Emely Hoppe zusammen.

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