Als Schwangere Diät halten? Normalerweise keine gute Idee, es sei denn, es gibt zwingende medizinische Gründe dafür. Die “Louwen-Diät” ist aber keine Diät in dem Sinne. Stattdessen ist sie ein Ernährungstipp, der die Wahrscheinlichkeit für eine leichte, natürliche Geburt erhöhen soll. Neugierig? Dann lies weiter!
Die Grundzüge der „Louwen-Diät“
Zurück geht der Begriff auf den Gynäkologen Prof. Dr. Frank Louwen, der die Empfehlung zum Zucker-Verzicht für eine leichtere Geburt in Deutschland bekannt gemacht hat.
Dabei geht es darum, ab der 36. SSW auf kohlehydratreiche Lebensmittel zu verzichten, die den Blutzucker schnell und stark ansteigen lassen. Dazu gehören insbesondere Lebensmittel mit Industriezucker, allen voran Süßigkeiten, aber auch Weißmehlprodukte. Das soll am Ende für eine schnellere und schmerzärmere Geburt sorgen.
Warum? Um das zu erklären, müssen wir etwas tiefer in die Biologie einsteigen. Aber keine Sorge. So kompliziert ist es gar nicht.
So kann deine Ernährung die Geburt beeinflussen
An der Vorbereitung auf die Geburt sind verschiedene Hormone beteiligt. Unter anderem auch die sogenannten Prostaglandine. Sie entstehen nach der Lungenreife in den Nebennieren des Babys und geben dem mütterlichen Körper das Zeichen, dass das Baby bereit für die Geburt ist.
Die Prostaglandine spielen eine wichtige Rolle für die Zervixreifung. In den letzten Wochen vor der Geburt lockern sie das Gewebe des Gebärmutterhalses und eröffnen den Muttermund. Dafür bilden sie eigene Rezeptoren, an die sie andocken können.
Stimmt das Verhältnis zwischen Prostaglandine und Rezeptoren zum errechneten Geburtstermin, kann von einer pünktlichen und leichten Geburt ausgegangen werden. Wird die Produktion der Prostaglandine im Vorfeld aber gestört und es bilden sich nicht genügend Rezeptoren, kann es zu Problemen kommen.
Was Prof. Dr. Louwen propagiert: Ein möglicher (und vermeidbarer) Störfaktor dieser Prozesse ist eine ungünstige Ernährung. Und da kommen die Kohlehydrate ins Spiel.
Zucker hemmt die körpereigene Schmerzlinderung
Einfache Kohlenhydrate sorgen für einen schnellen Anstieg des Blutzuckerspiegels. Daraufhin wird vermehrt Insulin ausgeschüttet. Solche Insulinpeaks wirken sich nachweislich negativ auf den Prostaglandin-Stoffwechsel aus: Es werden weniger Rezeptoren gebildet.
Zum Geburtstermin steht den Rezeptoren dann ein Prostaglandin-Überschuss gegenüber. Das hat zur Folge, dass sie ihre Funktion als Gewebe-Weichmacher nicht in vollem Umfang ausüben können. Die Eröffnungsphase verzögert sich. Obendrein – und jetzt wird’s richtig gemein – fördern ungebundene Prostaglandine Schmerzen und Entzündungsprozesse. Die Schmerzempfindlichkeit der werdenden Mutter zur Entbindung steigt.
Kurz gesagt: Eine zuckerreiche Ernährung stört das Prostaglandin-System. Als Folge dessen kann sich die Geburt verzögern, länger dauern und schmerzhafter sein. Dagegen soll der Verzicht auf zuckerhaltige Lebensmittel den Körper in seiner natürlichen Geburtsvorbereitung unterstützen und Geburtsschmerzen verringern.
Das klingt doch eigentlich einleuchtend, oder? Finden auch viele Ärzte und Hebammen, weshalb vor allem letztere die “Louwen-Diät” gern zur Vorbereitung auf die Geburt empfehlen.
Allerdings ist die Wirksamkeit des Zusammenhangs zwischen Zuckerverzicht und “leichter Geburt” nicht eindeutig wissenschaftlich belegt, sondern beruht auf Beobachtungsstudien. Evidenzbasierte Untersuchungen gibt es nicht, da ethische Gründe dagegensprechen. Schließlich darf man Schwangere und ihren Babys keinem Risiko aussetzen.
In Internetforen finden sich viele positive, aber auch einige enttäuschte Erfahrungsberichte.
So funktioniert der Zuckerverzicht nach Louwen
Das Ziel sollte sein, hohe Blutzuckerspitzen zu vermeiden, um die Prostaglandin-Produktion nicht zu stören. Doch dafür braucht es keine komplizierte Ernährungsumstellung und keine Nährwerttabellen, betont Prof. Dr. Louwen in einem Gespräch mit Kristin Graf (Gründerin von Die Friedliche Geburt).
Stattdessen würde es vollkommen ausreichen, ab der 36. SSW konsequent auf Süßigkeiten und Weizenmehl zu verzichten.
Das allein würde die Wahrscheinlichkeit schon erhöhen, dass das Baby pünktlich zur Welt kommt. Womit wiederum die Risiken für Interventionen und Komplikationen sinken.
Eignet sich die „Louwen-Diät“ für jede Schwangere?
Schwangere, die an einer Stoffwechselerkrankung wie Diabetes Typ I leiden, sollten im Vorfeld mit ihrer Ernährungsberaterin und/oder ihrer Frauenärztin sprechen, wenn sie Prof. Dr. Louwens Rat folgen möchten. Alle anderen können den Verzicht jederzeit ohne Risiko ausüben.
Fazit zur Louwen-Empfehlung
Wir finden: Einen Versuch ist es wert! Und schaden kann der Verzicht auf Zucker und Weizenmehl ohnehin nicht. Es ist wohl eher eine Frage des Durchhaltevermögens.
Fällt dir das Naschverbot und der Ersatz von Weizenmehlprodukten schwer, mach dir bewusst, dass du Louwen zufolge lediglich vier Wochen durchhalten musst für eine effektive Geburtsvorbereitung.
Aber: Du solltest dich bei diesem Experiment keinesfalls stressen. Wenn dir der komplette Verzicht auf bestimmte Lebensmittel zu große Schwierigkeiten bereitet, dann mach dich selbst nicht unglücklich. Du brauchst deine Kraft für die Geburt und solltest sie nicht schon im Vorfeld an eine strikte “Diät” verschwenden. Vielleicht ist es für dich einfacher, die verbotenen Lebensmittel auf ein Minimum zu reduzieren, statt vollständig darauf zu verzichten.
Nicht zuletzt steht trotz der vielen positiven Erfahrungsberichte ein evidenzbasierter Beleg für die Louwen-Empfehlung noch aus. Deshalb: Alles kann, nichts muss.
Wir wünschen dir auf jeden Fall deine persönliche Traumgeburt!
Quellen
- K. Büthe, T. Franke, K. Hillin: Geburtsvorbereitung des Perineums. Erschienen in: Die Hebamme 2020, 33. https://www.thieme-connect.de/products/ejournals/abstract/10.1055/a-1159-4810 (abgerufen am 21.09.2023)
- K. Büthe: Evidenzbasierte Schwangerschaftsbetreuung und Schwangerschaftsvorsorge. Eine Arbeitshilfe für Hebammen im Praxisalltag. Kohlhammer Verlag, 2. aktualisierte Auflage, 2023.
- P. Brandt (für DocCheck): Zwischen Übergewicht und Louwen-Diät. https://www.doccheck.com/de/detail/articles/22971-zwischen-uebergewicht-und-louwen-diaet (abgerufen am 06.02.2023)
- J. Friedrich: Jede Geburt ist einzigartig. 50 Geschichten über die elementarste Erfahrung des Lebens. mvg Verlag, 2019.
- S. Hildebrandt: Physiologie und Pathophysiologie der Wehen. Ein Sinfoniekonzert. Erschienen in: Deutsche Hebammen Zeitschrift 2017, 69. http://www.prof-hildebrandt.de/wp-content/uploads/2017/06/Wehen-DHZ_17_07_3-2.pdf (abgerufen am 06.02.2023)
- die-glyx-diaet.de: GLYX-Tabelle. https://www.die-glyx-diaet.de/media/downloads/Dokumentegro%C3%9F/GU-Glyxtabelle.pdf (abgerufen am 06.02.2023)
- glycemic-index.net: Glykämische Indextabelle für gängige Lebensmittel. https://glycemic-index.net/de/glykaemische-index-tabelle/ (abgerufen am 06.02.2023)
- Kristin Graf (Die Friedliche Geburt Podcast): Alles über die Louwen-Ernährung. Interview mit Prof. Dr. Frank Louwen. https://die-friedliche-geburt.de/podcast/388-alles-ueber-die-louwen-ernaehrung-interview-mit-prof-dr-frank-louwen (abgerufen am 08.04.2025)