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IGeL-Leistungen in der Schwangerschaft: sinnvoll oder überflüssig?

iGeL-Leistungen in der Schwangerschaft müssen Patientinnen in der Regel selbst zahlen.
Nicht alle iGeL-Leistungen in der Schwangerschaft sind nötig. / Bild © AntonioDiaz, Adobe Stock

Sie kosten extra und ihr Nutzen ist umstritten: Individuelle Gesundheitsleistungen – kurz „iGeL“ – werden dir in deiner Schwangerschaft regelmäßig begegnen. Was es dazu alles zu wissen gibt, haben wir dir hier übersichtlich zusammengestellt.

Das Wichtigste in Kürze

  • IGeL sind keine generelle Kassenleistung.
  • Sie werden nur auf deinen ausdrücklichen Wunsch hin durchgeführt.
  • Die Wirksamkeit und Aussagekraft der Leistungen ist teilweise umstritten.

Individuelle Gesundheitsleistungen, kurz IGeL genannt, ergänzen die von den gesetzlichen Krankenkassen zur Vorsorge in der Schwangerschaft empfohlenen Untersuchungen. Sie werden mit einem Verhandlungsvertrag beauftragt und über eine Privatrechnung von dir bezahlt. Vor der Beauftragung informiert dich deine behandelnde Ärztin über die Leistung sowie die entstehenden Kosten.

Das musst du über IGeL in der Schwangerschaft wissen

Grundsätzlich erhältst du während deiner Schwangerschaft eine umfassende Versorgung inklusive aller Leistungen, die als medizinischer Standard gelten. Neben den drei großen Ultraschall-Untersuchungen wirst du regelmäßig um Blut- und Urinproben gebeten, damit dein behandelnder Arzt oder Ärztin Anzeichen für Infektionen oder Gestationsdiabetes rechtzeitig erkennt.

IGeL, also individuelle Gesundheitsleistungen, ergänzen diese regulären Untersuchungen. Deine Behandlerin muss dich dabei:

  • über die Risiken und Folgen der Untersuchung aufklären,
  • die entstehenden Kosten auflisten
  • und einen Behandlungsvertrag vorlegen.

Erst wenn diese drei Punkte erfüllt sind, starten die zusätzlichen Untersuchungen. Die Abrechnung erfolgt privat, das bedeutet, du trägst die Kosten der Tests selbst.

In Ausnahmefällen und bei medizinischer Indikation übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten für diese zusätzlichen Tests.

Tipp: Hat deine Krankenkasse ein Programm für Schwangere, dass die Übernahme verschiedener IGeL vorsieht? Falls ja, kannst du die Rechnungen bei deiner Kasse einreichen, um deine Kosten anteilig oder vollständig erstatten zu lassen.

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Beispiele für IGeL in der Schwangerschaft

Typische individuelle Gesundheitsleistungen sind Bluttests auf Antikörper oder Anzeichen für Infektionen mit gängigen Virenarten. Die Beträge variieren, je nachdem in welcher Region du lebst und ob sich weitere Kosten für die Beratung oder für ein externes Labor anschließen.

LeistungArt & Anlass der UntersuchungKosten
Toxoplasmose-TestBlutabnahme zur Feststellung, ob es Toxoplasmose-Antikörper gibt, es als eine zurückliegende Erstinfektion gab16,90 € bis 20,40 €
Nackenfaltenmessung/
NT-Screening
Ultraschall mit Vermessung der Nackenfalte als Basis zur Errechnung der Wahrscheinlichkeit einer Chromosomenabweichung30,- € bis 200,- €
NIPTNichtinvasiver Pränataltest - Blutuntersuchung auf Genmarker für Trisomie 21, Trisomie 18 und 13in Einzelfällen Kassenleistung, für Selbstzahler 160,- € bis 230,- €
CMV-ScreeningBlutuntersuchung auf vorhandene Antikörper gegen Zytomegalie15,- € bis 20,- €
Parvovirus-B19-ScreeningBlutuntersuchung auf vorhandene Antikörper gegen Ringelröteln15,- € bis 20,- €
B-Streptokokken-TestAbstrich zur Überprüfung, ob eine B-Streptokokkenbesiedelung vorliegtIn Einzelfällen Kassenleistung, ansonsten 10,- € bis 30,- €
AkupunkturPunktion von Triggerpunkten soll Schwangerschaftsbeschwerden lindern und die Geburt erleichtern25,- € bis 60,- € pro Sitzung
Kinesio-TapingTapes zur Behandlung von Verspannungen und Rückenschmerzen oder schweren Beinen5-, € bis 25,- € pro Sitzung

Toxoplasmose-Tests

Sie werden vorsorglich als IGeL angeboten und durchgeführt, vor allem wenn du Katzen besitzt oder häufig im Garten arbeitest. Die Studienlage belegt keinen eindeutigen Nutzen der (mehrfachen) Tests. Infektionen mit Toxoplasmose verlaufen in der Regel mild oder werden gar nicht bemerkt. Eine Ansteckung in der Schwangerschaft kann allerdings zu gesundheitlichen Schäden beim Fötus führen.

B-Streptokokken-Test

Die Besiedelung der Vagina mit B-Streptokokken ist relativ häufig und kein Grund zur Sorge. In seltenen Fällen stecken sich aber Babys während der Geburt mit den Bakterien an, mit teils massiven Folgen für ihre Gesundheit. Über einen Test oder über eine individuelle Risikoeinschätzung ermittelt deine behandelnde Ärztin, ob du vor der Geburt ein Antibiotikum bekommst. Die Studienlage zum B-Streptokokken-Test ist nicht eindeutig, ob du besser auf die Risikoeinschätzung vertrauen oder auf die zusätzliche Testung setzen solltest. Wenn ein begründeter Verdacht auf eine Infektion besteht oder bestimmte Risiken vorliegen, wird der Test von den Kassen übernommen.

Nackenfaltenmessung

Die Nackenfaltenmessung (NT-Screening) kann zwischen der 11. und 14. Schwangerschaftswoche durchgeführt werden. Mithilfe des Ultraschalls wird die Wahrscheinlichkeit errechnet, mit der euer Baby Trisomie 21, Trisomie 13 oder Trisomie 18 haben könnte. Bei einem auffälligen Ultraschall wirst du in jedem Fall zu weiteren Untersuchungen geleitet. Die Messung sowie die Wahrscheinlichkeitsberechnung allein hat keine Aussagekraft und kann auch falsch positiv ausfallen.

Harmony-Test

Der Harmony-Test als ein Beispiel für nicht-invasive Pränataltests (NIPT) wurde Mitte 2022 von den IGeL in den Vorsorgekatalog der gesetzlichen Kassen übernommen. Er wird ausschließlich in begründeten Einzelfällen durchgeführt, wenn es Anzeichen für eine Chromosomenabweichung gibt. Willst du als Selbstzahlerin die Blutuntersuchung auf Trisomien nutzen, kannst du die Blutuntersuchung als IGeL buchen. Beim Harmony-Test lässt sich außerdem das Geschlecht des Fötus bestimmen. Das Ergebnis der Geschlechtsbestimmung erhältst du allerdings nicht vor Ablauf der 12. SSW (§ 15 GenDG).

CMV-Screening (Zytomegalie)

Die erste Infektion mit Zytomegalieviren (CMV) erfolgt meist unbemerkt. Knapp die Hälfte aller Erwachsenen hatte bereits mit dem Virus aus der Familie der Herpes-Viren Kontakt. Das CMV-Screening wird international nicht empfohlen, obwohl die Folgen einer Erstinfektion während der Schwangerschaft für den Fötus schwerwiegend sind. Der Grund dafür ist einfach: Es gibt keine Therapie bei Ansteckung, um eine CMV-Infektion effektiv zu vermeiden. Mit einer konsequenten Handhygiene kannst du bei engem Kontakt mit Kleinkindern die Wahrscheinlichkeit der Virusübertragung reduzieren.

Parvovirus-B19-Screening (Ringelröteln)

Bei der Blutuntersuchung auf Ringelröteln-Antikörper wird dein Immunstatus geprüft. Eine Ansteckung mit Ringelröteln in der Schwangerschaft kann zu einer Infektion des Fötus führen und dabei schwere Fehlbildungen bedeuten. Es gibt derzeit keinen aktiven oder passiven Immunschutz durch Impfungen und keine Behandlungsoptionen für den Fötus, um eine eventuelle Ansteckung zu vermeiden. Die Ansteckungsgefahr lässt sich allerdings reduzieren, indem du den Kontakt zu Überträgergruppen weitgehend meidest. Wenn du als Lehrerin oder Erzieherin arbeitest, wirst du bei fehlendem Immunschutz in der Regel sofort in ein Beschäftigungsverbot geschickt.

Akupunktur

Akupunktur ist Teil der traditionellen chinesischen Medizin (TCM). Die wenigen Studien zum Einsatz in der Schwangerschaft belegen keine eindeutigen oder klaren Nutzen für dich als Schwangere. Abgesehen von seltenen Schmerzen an den Einstichstellen treten auch keine Folgeschäden auf. Wenn du auf Akupunktur schwörst und dich damit wohlfühlst, nutze es ruhig als iGeL-Leistung!

Kinesio-Taping

Kinesio-Taping wird als alternative Behandlungsmethode angeboten, um typische Begleiterscheinungen der Schwangerschaft wie Verspannungen, Rückenschmerzen und schwere Beine zu lindern. Dabei werden Baumwollstreifen (Tapes) mit einem hautfreundlichen Kleber auf der Haut platziert. Die Studienlage zu Kinesio-Tapes ist umfangreich, aber nicht eindeutig. Ein starker positiver Effekt konnte bisher nicht nachgewiesen werden, ebenso wenig wie Schäden. Wenn du bereits Erfahrungen mit Taping gesammelt hast und mit den Effekten zufrieden bist, nutze es zur Linderung von Rückenschmerzen oder schweren Beinen.

Gut zu wissen:

Bis Anfang 2021 waren medizinisch nicht notwendige Ultraschall-Untersuchungen Teil der individuellen Gesundheitsleistungen. Doppler-, Duplex-, 3D- und 4D-Untersuchungen wurden ohne diagnostische Notwendigkeit, aber im Auftrag der werdenden Eltern durchgeführt. Inzwischen sind diese Ultraschall-Untersuchungen ohne klare medizinische Indikation untersagt.

Was spricht für und was gegen IGeL?

Individuelle Gesundheitsleistungen können dir Sicherheit verschaffen, wenn du ein entsprechendes Risiko in deiner Familiengeschichte oder an deinem Arbeitsplatz vermutest. Mit den Ergebnissen lässt du dann weitere Untersuchungen durchführen.

Folgenreich ist u. a. die Entscheidung für die Nackenfaltenmessung: Bei Verdacht auf eine Chromosomenabweichung steht eine mögliche Schwangerschaftsunterbrechung im Raum. Die Messung selbst ist nur eingeschränkt aussagekräftig und muss durch weitere Untersuchungen bestätigt werden. Treten Auffälligkeiten auf, wirst du von deiner Frauenärztin sowieso an entsprechende Pränataldiagnostiker überwiesen.

Bei einigen der Igel-Leistungen besteht die Gefahr von Überdiagnosen und Übertherapien. Obwohl sich das Erkrankungsrisiko für dich und für euer Baby nicht spürbar reduzieren lässt, wirst du weitere Untersuchungen und Medikamente verordnet bekommen. Das kann Unsicherheiten und Ängste schüren.

Stelle deiner Gynäkologin diese Fragen, um den Nutzen einzelner IGeL für dich abzuschätzen:

  • Welche Risiken sind mit der Untersuchung verbunden?
  • Welche Folgen ergeben sich aus einem positiven oder negativen Befund?
  • Schließen sich (kostenpflichtige) Folgeuntersuchungen an?
  • Welche Auswirkungen hätte es, wenn die IGeL nicht in Anspruch genommen wird?
  • Warum ist diese IGeL keine Kassenleistung?

Tipp: Der IGeL-Monitor bewertet die individuellen Gesundheitsleistungen nach objektiven Kriterien. Hier kannst du jede Untersuchung genauer nachlesen und dich anhand der evidenzbasierten Einordnung für oder gegen eine konkrete IGeL entscheiden. Der IGeL-Monitor listet auch die durchschnittlichen Kosten für die einzelnen Tests und Untersuchungen auf.

Hast du noch Fragen zu individuellen Gesundheitsleistungen (iGeL) in der Schwangerschaft? Dann schreib uns gern einen Kommentar!

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Quellen

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✔ Inhaltlich geprüft am 19.07.2023
Dieser Artikel wurde von Emely Hoppe geprüft. Wir nutzen für unsere Recherche nur vertrauenswürdige Quellen und legen diese auch offen. Mehr über unsere redaktionellen Grundsätze, wie wir unsere Inhalte regelmäßig prüfen und aktuell halten, erfährst du hier.

Veröffentlicht von Sabrina Sailer

Als Still- und Trageberaterin geht Sabrina den Dingen gern auf den (evolutionsbiologischen) Grund. Im Umgang mit Babys und Kleinkindern ist ihr wichtig, dass sich Eltern rundum gut aufgehoben und informiert fühlen. Dass sie mit zwei Kindern dabei jede Menge praktische Erfahrung sammeln konnte, fließt in die Beiträge der Medienwissenschaftlerin mit ein, die an der Uni Regensburg schon im Studium den Schwerpunkt auf Medienpädagogik und Medienpsychologie legte.

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