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Der autoritäre Erziehungsstil: die Eltern geben den Weg vor

Autoritärer Erziehungsstil: Mutter schimpft mit Tochter und droht mit Zeigefinger

Der autoritäre Erziehungsstil – bis in die Nachkriegszeit beliebt, jetzt bei Eltern eher verpönt. Was autoritäre Erziehung ausmacht und welche gravierenden Folgen sie haben kann, schildern wir in diesem Artikel.

Das Wichtigste in Kürze

  • Erziehungsstil: Mischung aus Grundeinstellung, Erziehungsziel und elterlichem Verhalten
  • Autoritärer Erziehungsstil: einer von vier Stilen nach Maccoby und Martin
  • Ursprünglich von Diana Baumrind beschrieben
  • Viel elterliche Kontrolle und wenig emotionale Wärme und Zugänglichkeit
  • Es gibt strenge Regeln, die die Kinder befolgen müssen. Widerspruch ist unerwünscht.
  • Strafen und Lob werden gezielt zur Manipulation eingesetzt.
  • Früher sehr beliebt. Gilt heute in der Kindererziehung als ungünstig für die kindliche Entwicklung.

Hohe Anforderungen und wenig Nahbarkeit – das kennzeichnet den autoritären Erziehungsstil.

Diana Baumrind beschrieb ihn schon in den 1960er-Jahren. Maccoby und Martin übernahmen ihn rund zwanzig Jahre später für ihr eigenes Modell, dass vier statt Baumrinds drei Stile umfasst. In unserem Übersichts-Artikel über Erziehungsstile bekommst du einen guten Überblick.

Der autoritäre Erziehungsstil: dein Kind muss sich unterordnen

Viele Regeln und strenge, unterkühlte Eltern – kommt dir das bekannt vor? Wer nicht selbst so erzieht, kennt meist mindestens ein Kind, das so aufwächst. Oder einen Erwachsenen, der so aufgewachsen ist.

Hierarchie spielt bei diesem Erziehungsstil eine große Rolle. Die Eltern geben den Ton an, die Kinder müssen folgen, ob sie nun wollen oder nicht. Ähnlich wie beim autoritativen Stil? Das mag auf den ersten Blick so scheinen. Der Unterschied liegt aber unter anderem darin, wie Disziplin von Mutter und / oder Vater beim Kind durchgesetzt wird. Denn autoritäre Personen arbeiten gern mit Zurechtweisungen, Drohungen und Strafen psychischer oder körperlicher Art. Auch Lob und Belohnung finden sich. Sie sind jedoch eher Mittel zum Zweck, werden mehr manipulierend denn als echte Anerkennung eingesetzt.

Was das Kind will, was seine individuellen Stärken und Schwächen sind, ist eher zweitrangig. Wichtiger ist autoritären Eltern, welche Vision SIE für ihr Kind haben. Also wie es zu sein hat, was es werden soll und wie es das erreichen wird. Und wie nicht. Wer autoritär erzieht, hat einen Plan, in den das Kind besser passen sollte. Dass freie Entfaltung so nicht möglich ist, scheint klar.

Auch wenn das feste Regelwerk deinem Kind Orientierung gibt: Meist überwiegen die Nachteile deutlich. Weiter unten gehen wir darauf genauer ein.

Beispiele für autoritäre Erziehung findest du im nächsten Abschnitt.

Autoritäre Erziehung anhand von Beispielen

„Samuel (3,5) albert beim Essen herum. Seine Mutter schaut ihn warnend an. Sie weiß schon, was jetzt kommt. Sein Vater ist sehr müde von seiner Schicht und entsprechend gereizt. Samuel macht trotzdem weiter, bis sein Becher umkippt. Dem Vater platzt der Kragen. Er schreit ihn an und schickt ihn auf sein Zimmer. Ohne Essen. Als er nicht gehen will, trägt er den um sich schlagenden Jungen hin und schließt ab. Der Kleine hämmert noch eine Weile brüllend an die Tür, dann gibt er schluchzend auf. Irgendwann ist es still. Jetzt darf er wieder herauskommen und bekommt das Tablet in die Hand, damit er die Eltern nicht weiter stört. Zu essen gibt es heute nichts mehr.“

„Luise (6) findet beim Spielen meist kein Ende. Ihre geliebten Schleich-Ponys sind im ganzen Kinderzimmer verteilt, das sie eigentlich vor dem Schlafengehen noch aufräumen sollte. Als es ans Fertigmachen geht, droht ihr die Mutter. Entweder sie räumt jetzt auf oder es kracht. Luise ist aber schon so müde, dass sie rebellisch wird. Sie weigert sich. Also schnappt sich die Mutter das Lieblingspony und wirft es in den Müll. Als sie weint und protestiert, bekommt sie noch eine Woche Hausarrest obendrauf.“

„Maries (16) Eltern sind gute Schulnoten sehr wichtig. Schließlich soll sie später studieren, am liebsten Medizin oder Jura. Diesen Samstag steht eine Party im Haus ihrer besten Freundin an. Am Montag schreibt sie eine Klassenarbeit in Mathe. Gelernt hat sie zwar, aber so richtig verstanden hat sie den Stoff noch nicht. Das merkt die Mutter, als sie sie am Nachmittag abfragt. Also verlangt sie, dass sich Marie hinsetzt und erst dann zu ihrer Freundin geht, wenn sie alles perfekt beherrscht. Ansonsten fällt die Party aus. Kurz vor 21 Uhr hat Marie es geschafft. Die Mutter fährt sie hin und wird sie um Mitternacht wieder abholen. Schließlich soll sie den Sonntag gut nutzen. Marie fügt sich, auch wenn es ihr peinlich ist.“

All diese Eltern treffen bestimmte Entscheidungen:

  • Sie geben nicht nach.
  • Sie setzen ihre Regeln notfalls mithilfe von Drohungen oder Strafen durch.
  • Angepasstes Verhalten belohnen sie.
  • Was sie sagen, ist Gesetz und nicht verhandelbar, auch nicht beim nächsten Mal. Das eigene Handeln wird als einzige Wahrheit empfunden. Reflektieren findet selten statt.

Nachteile für autoritär erzogene Kinder

Kinder autoritärer Eltern lernen früh, sich anzupassen und zu funktionieren. Viele entwickeln Durchhaltevermögen und ein großes Pflichtbewusstsein. Nicht aus eigener Motivation heraus, sondern weil ihre Eltern es so wollen. Die Selbstwahrnehmung leidet. Woher soll ein Kind wissen, wo seine Grenzen sind, wenn sie ihm immer von außen diktiert wurden? Wie soll es den Zugang zu seinen Gefühlen behalten, wenn es sie immer unterdrücken muss?

Auch das Selbstwertgefühl ist bei so erzogenen Kindern geringer als bei anderen. In Gruppen finden sie sich schlechter zurecht, ihr Sozialverhalten ist gestört. Manche werden selbst aggressiv. Meist richten sich ihre Aggressionen gegen Schwächere, während sie sich Vorgesetzten gut unterordnen können. Zurückhaltende Naturen leiden innerlich oder arbeiten gegen sich selbst, ohne dass ihnen bewusst ist, warum. Manchmal zeigen sich die Probleme erst Jahre später auf vielfältige Art und Weise.

Eine deutsche Studie von 2014 kam zu dem Schluss, dass autoritäre Erziehung mit einer höheren Gefährdung für Suizid einhergeht. Über die Gründe kann man nur spekulieren. Ist es das Gefühl, nicht geliebt zu werden? Jemand anders sein zu wollen und nicht zu dürfen? Nie zu genügen? Oder eine Mischung aus allem? Lediglich vernachlässigte Kinder haben ein noch höheres Risiko.

Autoritärer Erziehungsstil hat auch Vorteile

Regeln, Grenzen und klare Erwartungen geben Kindern Sicherheit. Fordern und fördern gehen Hand in Hand.

Schaut man auf die reichen und erfolgreichen Eliten dieser Welt, sind überdurchschnittlich viele von ihnen genau so erzogen worden. Auch wenn ihr Ehrgeiz ursprünglich daraus rührte, es den strengen Eltern recht zu machen: Sie haben zumindest gelernt, hart für ihren Erfolg zu arbeiten. Die hohen Anforderungen halfen ihnen, ihre eigenen Erwartungen zu übertreffen. Man kann also nicht behaupten, dass autoritäre Erziehung nichts brächte. Oft ist sie jedoch teuer erkauft. Vor allem dann, wenn das Kind permanent überfordert wird, weil seine Stärken eigentlich woanders lägen.

Wenn du dein Kind autoritär erziehst, liegen die Vorteile vor allem bei dir. Denn wenn du Regeln nicht erklären und Grenzen nicht jedes Mal neu abstecken musst, sparst du Energie und Zeit. Du als Erwachsener gehst davon aus, dass du weißt, was für dein Kind gut ist. Das mag oft auch so sein. Denn Kinder haben noch nicht die Erfahrung, die es braucht, um ihr eigenes Handeln richtig einschätzen zu können. Auf jeden Fall wird sich dein Kind anstrengen, dir zu gefallen und deinen Vorstellungen gerecht zu werden. Wer will schon gern bestraft werden. Das mag ihm gelingen. Manche scheitern jedoch daran.

Weitere Erziehungsstile

Was ist deine Erfahrung mit dem autoritären Erziehungsstil? Schreib es uns in die Kommentare!

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Quellen

✔ Inhaltlich geprüft am 24.01.2023
Dieser Artikel wurde von Janett Scheck geprüft. Wir nutzen für unsere Recherche nur vertrauenswürdige Quellen und legen diese auch offen. Mehr über unsere redaktionellen Grundsätze, wie wir unsere Inhalte regelmäßig prüfen und aktuell halten, erfährst du hier.

Veröffentlicht von Anke Modeß

Als waschechte Berlinerin und späte Mutter eines Schulkindes schreibt Anke seit 7 Jahren über Themen, die Babyeltern im Alltag beschäftigen - am allerliebsten mit einer Prise Humor.

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