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Warum Strafen deinem Kleinkind schaden und es beim Lernen behindern

Beschämtes Kleinkind in der Ecke: Strafen schaden Kindern und behindern das Lernen

Wenn Kinder nicht „hören“, ist das für Eltern oft doppelt frustrierend. Schließlich möchten sie einfach nur, dass der Alltag funktioniert, die Kinder sich ordentlich anziehen, die Zähne putzen und sich keinen Gefahren aussetzen. Wenn das nicht klappt, fühlen sich viele überfordert. Und dann auch noch die Stimmen von außen. „Du kannst dir doch von deinem Kind nicht so auf der Nase herumtanzen lassen.“ Also doch hart durchgreifen? Warum Strafen keine Lösung sind und in der modernen Kindererziehung nichts zu suchen haben, erfährst du in diesem Artikel.

Warum strafen wir?

Beim Strafen geht es nicht um Rache. Es geht darum, dass wir unseren Kindern Anstand, Respekt und Verantwortung vermitteln möchten. Unsere Kinder sollen aus ihren Fehlern lernen, über sie nachdenken und sich beim nächsten Mal anders verhalten. Sie sollen sozialtaugliche Alternativen für ihr Fehlverhalten finden. Und genau an diesem Punkt drängt sich die Frage auf:

Was lernen Kinder aus Strafen?

Angenommen dein 3-jähriges Kind schlägt ein anderes Kind im Spiel. Du hast es schon so oft gesagt, aber jetzt reicht es dir. Zur Strafe schickst du es allein auf sein Zimmer und sperrst die Tür ab. Was denkt dein Kind wohl?

Denkt es: Diese Auszeit habe ich jetzt gebraucht. Ich bin meiner Mama sehr dankbar, dass sie mir die Möglichkeit gibt, in Ruhe über mein Verhalten nachzudenken. Meine Mama möchte das Beste für mich und wünscht sich, dass ich mich in meinem späteren Leben gut zurechtfinde. Ich habe dem anderen Kind weh getan. Das war falsch. In Zukunft werde ich andere Menschen nicht mehr verletzen. Stattdessen werde ich alternative Lösungen zur Konfliktbewältigung suchen. Wenn ein Kind mein Spielzeug nimmt, dann lasse ich es einfach. Ist ja nicht so wichtig, ich habe genug Spielzeug.

Die Antwort ist nein. Ganz sicher denkt es das nicht. Dein Kind hat gerade erfahren, dass du all deine Macht nutzen wirst, um seine Fehler zu ahnden. Es wurde gedemütigt, beschämt und allein gelassen.

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Wie es darauf reagiert, hängt von seinem Temperament ab:

Die Gefühle, mit denen du dein Kind nun allein lässt, wird internalisieren oder externalisieren. Es wird sich also in sich zurückziehen oder es wird Ärger und Aggressionen zeigen. Kinder, die bestraft werden, denken etwa:

1. Mama ist so gemein!
Dein Kind ist wütend und fühlt sich gedemütigt. Der Mensch, den es am meisten liebt und von dem es abhängig ist, hat seine Überlegenheit und Abneigung demonstriert.

2. Ich zeig’s dir!
Dein Kind entwickelt den Wunsch, sich zu rächen. Dadurch entsteht ein starker innerer Konflikt. Einerseits beginnt es, sich emotional zu lösen, andererseits bist du auch die Person, von dem es abhängig ist.

3. Ich habe es verdient. Ich bin schlecht.
Dein Kind kommt zu der Überzeugung, dass es nicht in Ordnung ist. Die Liebe seiner Eltern ist abhängig davon, wie es sich verhält und nicht wie es ist. Sein Selbstvertrauen und sein Selbstwert sinken.

4. Ich kann meinen Eltern nicht vertrauen und werde mich in Zukunft verstecken.
Wenn sich Ehrlichkeit nicht lohnt und dein Kind bestraft wird, wird es sich in Zukunft nicht an dich wenden. Es wird seine Handlungen verstecken und nicht zu dir kommen, wenn es etwas falsch gemacht hat. Schließlich kann es nicht auf deine Unterstützung vertrauen, sondern muss mit der Strafe rechnen.

In allen Fällen überlagern negative Emotionen die Fähigkeit, über den eigentlichen (Fehl-)verhalten nachzudenken und daraus zu lernen.

Was dein Kind wirklich lernt:

  • Ich darf keine Fehler machen.
  • Wenn ich mich meinen Eltern widersetze, verliere ich ihre Zuneigung.
  • Erwachsene dürfen meine Grenzen überschreiten.
  • Stärkere dürfen ihre Macht über Schwächere ausüben, um ihre Interessen durchzusetzen. 
  • Kooperation mit anderen Menschen erreicht man durch Gewalt, Zwang, das Entziehen oder Gewähren von Privilegien.

Was dein Kind leider nicht gelernt hat ist, wie es sich richtig verhalten kann. Es hat nicht erfahren, dass seine Eltern bereit sind, sich Zeit zu nehmen und sich liebevoll mit ihm auseinanderzusetzen. Es hat nicht erfahren, dass es ok ist, einen Fehler zu machen und wie man ihn berichtigt. Es hat nicht erfahren, dass seine Eltern seine Integrität respektieren und schützen.

Verpasste Chancen

Und das ist schade. Weil es wertvolle Gelegenheiten zum Lernen verpasst. Jeder Fehler, den dein Kind macht, ist eine Möglichkeit, es liebevoll in die richtige Richtung zu lenken. Er gibt dir die Gelegenheit, deinem Kind zu zeigen, dass Fehler zum Leben dazu gehören und wir aus ihnen lernen können. Strafst du dein Kind, erschwerst du es ihm, einen inneren moralischen Kompass zu entwickeln.

Falsche Erwartungen

Ein weiteres Problem ist, dass wir zu häufig Verhaltensweisen von unseren Kindern erwarten, zu denen sie kognitiv einfach noch nicht in der Lage sind. Wir entrüsten uns darüber, dass 2-Jährige hauen, 3-Jährige sich auf der Straße von der Hand losreißen und 4-Jährige lügen. Dabei sind das völlig normale und altersangemessene Verhaltensweisen. Kinder können das einfach noch nicht besser. Ärgere dich nicht, sondern rechne einfach damit, dass dein kleines Kind sich eben verhält, wie ein kleines Kind. Das im Hintergrund, kannst du dich darauf fokussieren, Vorbild zu sein und wieder und wieder zu zeigen, wie es richtig geht.

Das passiert, wenn du dein Kind bestrafst

„Wenn du jetzt weiter so ein Theater machst, dann muss die Geburtstagsfeier leider ausfallen.“ Es gibt kaum Eltern, denen nicht hin und wieder so ein Satz über die Lippen huscht. Kleinkinder sind ein emotionales Pulverfass und da ist es nicht verwunderlich, wenn der Funke auch mal zu uns überspringt.

Je mehr du allerdings Strafen als erzieherisches Mittel einsetzt, desto mehr leidet dein Kind und eure Beziehung darunter.

Aus Schuld wird Scham

Hat dein Kind das Gefühl, etwas sehr Schlimmes angestellt zu haben, wird aus der Schuld, die man „begleichen“ kann, schnell eine tiefe Scham. Scham ist das Gefühl des eigenen Versagens, das Gefühl nicht zur Gesellschaft dazuzugehören. Der Psychiater und Psychotherapeut Klaus-Thomas Kronmüller sagt in einem Interview mit der Zeit „Kinder neigen dazu, sich immer selber schuld zu fühlen, sie denken auch, dass sie für den Regen verantwortlich sind“. Wenn Eltern zu viel schimpfen und strafen verstärken sie dieses Gefühl, mit negativen Folgen für das Selbstbild ihres Kindes.

Falsche Motivation

Ein weiteres Problem an Strafen ist, dass sie die wahren Konsequenzen einer Handlung verschleiern. „Wenn du mich noch einmal anlügst, bekommst du Fernsehverbot“. Warum sollte dein Kind sich später, wenn es nicht mehr von dir abhängig ist anständig verhalten? Schließlich hat es gelernt, dass es sich „gut“ verhalten soll, weil du ihm sonst ein Privileg entzieht. Es hat nicht gelernt, dass Lügen andere Menschen verletzt und das Zusammenleben mit anderen erschwert.

Warum Konsequenzen auch Strafen sind

Die meisten von uns sind mit irgendeiner Art von Bestrafung aufgewachsen. Wir kennen es nicht anders. Auch wenn körperliche Züchtigung lange verboten ist, so setzen Eltern bis heute noch ihre Macht ein, um dem Kind die „Konsequenzen seines Handelns“ aufzuzeigen. Nur haben diese Konsequenzen meistens nicht viel mit dem Verhalten zu tun. Wenn ich mein Kind aufs Zimmer schicke, weil es ein anderes Kind haut, dann ist das keine natürliche Konsequenz. Die natürliche Konsequenz ist, dass das andere Kind sich erschrickt und weint oder auch, dass mein Harmoniebedürfnis gestört ist.

Wenn-Dann-Sätze

Viele Strafen oder Androhungen von Strafen verkleiden sich als Wenn-Dann-Sätze. „Wenn du dir nicht sofort die Zähne putzt, dann lese ich dir keine gute Nacht Geschichte vor.“ Wir entziehen dem Kind ein Privileg, weil es sich nicht so verhält, wie wir es uns wünschen. Wir drohen also eine Strafe an. Tatsächlich passiert das den besten Eltern. Wir wissen uns einfach nicht anders zu helfen. Dein Kind wird auch nicht sofort einen Schaden nehmen, wenn es mal ein Fernsehverbot bekommt. Allerdings müssen wir uns die Frage stellen, wie sinnvoll unsere Erziehungsmaßnahmen sind und ob sie dem Kind wirklich helfen. Wenn dein Kind sich die Jacke nicht anziehen will und in der Konsequenz (als Strafe) am Abend nicht Peppa Pig schauen darf, dann mag das eine Zeit lang helfen, sein Verhalten zu manipulieren. Dein Kind hat allerdings nicht gelernt, warum es seine Jacke anziehen soll (weil es sonst friert oder weil du Angst hast vor dem Urteil der anderen, die dich im Winter mit Kind ohne Jacke sehen.) Es wird auch in der Zukunft keine selbstständigen vernünftigen Entscheidungen darüber treffen, weil es sich ja nur anzieht, um abends fernsehen zu dürfen.

Anders ist es, wenn das abendliche Fernsehen tatsächlich ein Problem verursacht. Wenn dein Kind abends nicht ins Bett findet und morgens übermüdet ist, dann können Eltern an dem Punkt sehr wohl etwas ändern. Nicht als Strafe, sondern zur Lösung des Problems.

Androhung von Konsequenzen

Wenn-Dann-Sätze sind ja ganz oft Androhungen von Konsequenzen. Grundsätzlich solltest du niemals etwas androhen, das du nicht wahr machen würdest. Das macht dich nämlich für die Zukunft unglaubwürdig.

Androhungen von Konsequenzen mit der Wenn-Dann-Keule demonstrieren deinem Kind aber auch, dass du nicht davon ausgehst, dass es freiwillig kooperieren wird. „Wenn du nicht aufhörst, mit der Gabel auf den Tisch zu hauen, dann ist das Essen für dich beendet.“ Offenbar kannst du das gewünschte Verhalten von deinem Kind nur herbeiführen, indem du von deiner Macht Gebrauch machst. Auf Dauer wird das zur selbsterfüllenden Prophezeiung, weil dein Kind selbst aufhört daran zu glauben, dass es von sich aus kooperativ ist. Ähnlich verhält es sich übrigens mit Belohnungen. Bekommt dein Kind jedes Mal eine Belohnung für gutes Verhalten, weckt das den Eindruck, als wäre es nicht von sich aus gut.

Muss ich also jedes destruktive Verhalten unserer Kinder hinnehmen?

Mitnichten! Jeder Mensch hat Grenzen und Bedürfnisse. Du versuchst, die Grenzen deines Kindes zu wahren und seine Bedürfnisse zu erfüllen. Das Gleiche kann (und sollte) dein Kind auch im Zusammenleben mit anderen lernen.

Doch vor allem jüngere Kinder benehmen sich nie „ungehörig“, weil sie böse sind. Ihr Verhalten hat andere Ursachen. Sie hauen, weil sie noch nicht gelernt haben, anders zu kommunizieren. Sie haben Wutanfälle, weil sie ihre Emotionen nicht steuern können. Sie tun das Gegenteil von dem, was wir sagen, weil sie versuchen sich abzugrenzen. Und bei all dem können wir ihnen helfen.

Kinder wollen kooperieren

Kleine wie große Kinder haben ein natürliches Bedürfnis zu kooperieren. Sie möchten zur Gemeinschaft dazugehören. Evolutionär ist das sinnvoll, denn allein könnten sie nicht überleben. Wenn Kinder grundsätzlich nicht kooperieren, dann sollten sich Eltern die Ursachen anschauen, statt ihr Verhalten zu bestrafen.

Wenn dein Kind sich (wissentlich) falsch verhält, dann geht dem immer etwas voraus. Deshalb ist der erste Schritt immer, zu schauen, woher sein Verhalten kommen könnte. Ist es überfordert, hat es gerade besondere Herausforderungen, ist es müde, musste es heute schon so oft kooperieren, dass es jetzt schlicht nicht mehr kann? In diesem Artikel stellen wir dir wirkungsvolle Alternativen zu Strafen vor, mit denen du die Kooperation mit deinem Kleinkind förderst, ohne zu strafen.

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Quellen

✔ Inhaltlich geprüft am 12.05.2022
Dieser Artikel wurde von Janett Scheck geprüft. Wir nutzen für unsere Recherche nur vertrauenswürdige Quellen und legen diese auch offen. Mehr über unsere redaktionellen Grundsätze, wie wir unsere Inhalte regelmäßig prüfen und aktuell halten, erfährst du hier.

Veröffentlicht von Sibylle Grenz

Als Mutter eines quirligen Kleinkindes schreibt Sibylle leidenschaftlich gern über Erziehungsthemen, aber auch Themen aus der Schwangerschaft. Gemeinsam mit unserem Hebammen- und Pädagoginnen-Team arbeitet sie Fragen der babelli-Community auf und beantwortet sie fundiert und praxisnah.

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