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Trotzphase: Warum Autonomiephasen für Kinder wichtig sind

Die Trotzphase beim Kind
Wutanfälle sind in der Autonomiephase eine große Chance. / Bild © Leon Rafael, shutterstock.com

Was ist nur los? Gerade war dein kleiner Sonnenschein noch so fröhlich und von einem Moment zum anderen verteidigt es eisern seine Grenzen. Rund um den dritten Geburtstag durchlebt dein Kind einen wichtigen Schritt in seiner Entwicklung: Die Autonomiephase, früher Trotzphase genannt, setzt ein.

Mit dem Durchtrennen der Nabelschnur beginnt dein Kind seinen Abnabelungsprozess von dir. Dieser Prozess dauert viele Jahre und reicht noch bis ins Erwachsenenalter. In Phasen wie der sogenannten Trotzphase und später in der Pubertät wird das wachsende Autonomiebestreben besonders deutlich. In Realität werden Kinder in allen Entwicklungsstufen selbstständiger, nur nicht immer so lautstark.

Trotzphase oder Autonomiephase, was denn nun?

In modernen Pädagogik- und Elternratgebern wirst du vor allem den Begriff der Autonomiephase wiederfinden. Das Autonomiebestreben des Kindes steht begrifflich im Vordergrund. Es trotzt nicht zum Spaß, sondern verteidigt mal mehr, mal weniger lautstark seine Chance, selbstständig zu handeln.

In älterer Literatur und umgangssprachlich wird dagegen oft noch von der Trotzphase gesprochen. Das scheinbar irrationale und emotionale Verhalten deines Kleinkinds kann natürlich ganz leicht mit Trotz verwechselt werden. Schließlich schreien, weinen und verweigern Kleinkinder in dieser Entwicklungsstufe tagtäglich Dinge, die sie sonst bereitwillig mitgemacht haben. Allen voran Anziehen, ins Auto steigen oder die bereitgestellte Mahlzeit essen.Dabei sind die Kinder nicht grundlos „bockig“. Sie möchten mehr selber machen und wehren sich lautstark, wenn ihnen das verwehrt wird.

Das passiert in der Autonomiephase

Dein Kind lernt viel Neues

Um das zweite Lebensjahr herum eignet sich dein Kind immer mehr praktische Fähigkeiten an. Es beginnt zu laufen und kann sich so schneller und geschickter von seinen Eltern weg oder zu ihnen hin bewegen. Und dann kommen die neuen Features Knall auf Fall: Gegenstände transportieren, Besteck halten, Kleidung ausziehen und irgendwann sogar selbst anziehen. Die Autonomiephase zieht sich allerdings. Manche Eltern sprechen von den terrible two, aber auch Kinder mit 5 Jahren haben noch schwierige Phasen, die viel Geduld erfordern.

Es wird selbstständiger

Dein Kind merkt, dass es mit seinen Handlungen etwas bewirken kann. Es erfährt Selbstwirksamkeit – ein tolles Gefühl. Genau das braucht es, um sich zu motivieren, weiterzulernen. Jedes Mal, wenn dein Kind einen Schritt weiter kommt in seinen Fähigkeiten, wartet schon dieses tolle Gefühl „Ich habe das geschafft.“

Ohne das Streben nach Selbstwirksamkeit und die Motivation zum Lernen, würde dein Kind ein Baby bleiben, dem du mit 30 immer noch die Sachen anziehen und die Zähne putzen müsstest. Genau das ist der Grund, warum es so vehement darum kämpft, Dinge selbst zu machen (auch wenn sie dann drei Stunden länger dauern und der sorgfältig getimte Tagesablauf wackelt).

Es entdeckt das Ich

Zusammen mit seinen wachsenden motorischen Fähigkeiten erlebt dein Kleinkind ab Ende des zweiten Lebensjahres noch eine weitere Entwicklung. Es entdeckt sein ICH und erlebt sich selbst als eigenständige Person mit Gefühlen, Erwartungen und Wünschen.

Diese Abnabelung des eigenen Erlebens von der Hauptbezugsperson verläuft natürlich nicht reibungslos. All diese Gefühle und Vorstellungen dazu, was möglich ist, stoßen schnell an die Grenzen dessen, was ein zwei- oder zweieinhalbjähriges Kind tatsächlich selbst ausführen kann.

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Das Ziel vor Augen im Tunnelblick

Wenn dein Kind etwas Neues ausprobiert und lernt, nutzt es seine Imagination. Es plant in seinem Kopf, das T-Shirt über den Kopf zu ziehen oder sieht vor seinem inneren Auge, wie es die Milch in sein Müsli schüttet.

Was dein Kind sich nicht vorstellt, sind Plan B, C und D. Sein Gehirn ist in diesem Moment darauf ausgerichtet, die Aktivität so auszuführen, wie sie geplant war. Wenn nun das T-Shirt partout nicht über den Kopf hinübergeht oder jemand anderes die Milchtüte nimmt und über das Müsli schüttet, kommt es zum Kurzschluss.

Dein Kind hat keine Handlungsalternativen für seinen Plan. Es ist überfordert mit der Situation und drückt seine Überforderung durch Tränen oder Schreie aus. Und das alles nur, weil du das Brot falsch herum geschnitten oder die Milch bereits eingegossen hast?

Nein: Dein Kind weint nicht wegen der Milch. Dein Kind weint, weil ihm einfach die kognitive Flexibilität fehlt, um Ziele zu verwerfen und zu verändern. Die Heftigkeit seiner Reaktion stammt auch daher, dass es unbewusst genau weiß, dass es seine Fähigkeiten intensiv trainieren muss. Übung macht den Meister! Jedes Milcheingießen, dass du deinem Kind wohlmeinend abnimmst, kann es nicht selbst trainieren.

Was dein Kind jetzt lernt

Trotzphasen, Wutausbrüche, Gefühlsstürme sind nicht etwa eine Laune der Natur. Sie sind kein Fehler, den ausgerechnet dein Kind hat und den du mit der „richtigen Erziehung“ ausmerzen müsstest. Das Trotzen deines Kindes ist ein wichtiger Lernprozess.

Dein Kind lernt seine Gefühle kennen

Die Gefühle können einen manchmal ganz schön aus den Socken hauen: Wut, Frust, Angst, Sorgen und Trauer sind überwältigend. Je häufiger dein Kind diese Gefühle in sicherem Rahmen spüren darf, desto besser lernt es, sich durch sie hindurchzumanövrieren.

Und das ist auch für die Eltern ein spannender Lernprozess: Dass sie nicht alle Gefühle ihres Kindes wegmachen müssen. Gefühle gehören nun mal zum Leben dazu. Du kannst dir noch so sehr wünschen, dass dein Kind immer fröhlich ist. Wenn du akzeptierst, wie es ist, wird es für alle leichter.

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Dein Kind lernt Handlungsalternativen kennen

Wenn dein Kind weint oder schreit, dann ist ihm in seinen Augen eine Ungerechtigkeit widerfahren. Es versteht noch nicht, dass du eigentlich nur helfen wolltest.

Nach und nach lernt es, dass es verschiedene Pläne für ein und dieselbe Sache geben kann. Langsam kommt die Einsicht, dass man manchmal zurückstecken muss oder dass auch die Erwachsenen mal Fehler machen. Aber auch das Ausdrucksvermögen, um sich in anderen Situationen durchzusetzen, wird immer besser. Dein Kind lernt, Kompromisse einzugehen, zu kooperieren, auch mal zurückzustecken. Mit dem Schulbeginn haben Kinder normalerweise die emotionale und kognitive Reife erlangt, um Handlungsalternativen miteinzubeziehen.

Kurz: dein Kind wird geistig flexibler. Das geht nicht von heute auf morgen. Das Gute ist, dass du das weißt und dich deshalb innerlich nicht so sehr gegen die Autonomiephase wehren musst. Sieh es als Reifeprozess für euch beide an. Denn während dein Kind mit zunehmender Autonomie verständiger wird, erleichtert dir diese Phase des Wachsens auch den notwendigen Abnabelungsprozess.

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Autonomiephase hin oder her – so bleibst du gelassen

1. Nimm es nicht persönlich.

Das Trotzen deines Kindes ist kein Fehler im System und hat auch nichts mit mangelnder Erziehung zu tun. Es ist einfach ein Reifungsprozess, bei dem dein Kind neues lernt.

Warum dich das so aufregt?

Viele von uns haben schon als Kinder gespiegelt bekommen, dass wir für die Gefühle anderer verantwortlich sind. „Du warst böse, jetzt bin ich sauer.“ Tatsächlich ist das nicht der Fall. Gefühle entstehen in jedem selbst. Sie werden nicht von anderen ausgelöst, sondern durch unsere eigenen Interpretationen einer Situation. Wie wir mit diesen Gefühlen umgehen, liegt ebenfalls in unserer eigenen Verantwortung.

Wenn du wütend wirst, weil dein Kind trotzt, dann liegt das an deiner Interpretation der Situation. Und die kannst du ändern. Der einfachste Weg dahin ist, die Situation einfach zu akzeptieren. Du musst sie nicht ändern, niemanden bestrafen, nicht erziehen. Sei einfach präsent (achte darauf, dass niemand sich verletzt) und irgendwann wird es auch vorübergehen.

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Du kannst dem Trotzen deines Kindes nachgeben oder auf deinem Standpunkt beharren. Wichtig ist, dass du dich von den Gefühlen distanzierst, die das nach sich zieht. Lass dein Kind einfach sauer sein. Es ist sein gutes Recht.

🎧 Podcast: #71 – Die Trotzphase richtig begleiten

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Quellen

✔ Inhaltlich geprüft am 01.04.2022
Dieser Artikel wurde von Janett Scheck geprüft. Wir nutzen für unsere Recherche nur vertrauenswürdige Quellen und legen diese auch offen. Mehr über unsere redaktionellen Grundsätze, wie wir unsere Inhalte regelmäßig prüfen und aktuell halten, erfährst du hier.

Veröffentlicht von Sibylle Grenz

Als Mutter eines quirligen Kleinkindes schreibt Sibylle leidenschaftlich gern über Erziehungsthemen, aber auch Themen aus der Schwangerschaft. Gemeinsam mit unserem Hebammen- und Pädagoginnen-Team arbeitet sie Fragen der babelli-Community auf und beantwortet sie fundiert und praxisnah.

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