Handys am Esstisch? Für viele Eltern nur schwer vorstellbar. Fragt man danach, geben die meisten Eltern an, dass es für sie ein absolutes No-Go wäre. Eine Mutter machte sich jetzt Luft und sagt, warum sie das so handhabt.
Forscher der University of British Columbia in Vancouver fanden in einer gemeinsamen Studie mit der University of Virginia in Charlottesville heraus, dass es unglücklich machen kann, wenn man beim Essen ständig am Handy hängt. Für viele Eltern ist das Handy am Essenstisch auch ein Tabu. Doch es gibt auch andere Meinungen, wie eine Leserin uns schrieb:
Abendessen ohne Handy endet in Frustration
“Ich bin Mutter von drei Kindern im Alter von 3, 5 und 9 Jahren. Bisher endeten die gemeinsamen Essen immer in einem stressigen Chaos. Während ich mich mit meinen Kindern und meinem Mann unterhalten wollte, las mein Mann lieber die aktuellen News auf dem Handy und unser Großer verfolgte den Klassenchat. Unsere Mittlere war davon total fasziniert, wollte auch immer mit schauen und der Kleine, naja, der war der Einzige, der sich ansatzweise mit dem Essen und mir beschäftigte.
Für mich total erschreckend: Irgendwie wollten alle nicht so richtig essen. Das hat mich natürlich gefrustet. Immerhin habe ich mir die Mühe gemacht, um zu kochen, und dann das! Also machte ich das, was von allen Seiten in meinem Umfeld geraten wurde: Ich sprach ein Handyverbot bei Tisch aus. Funktionierte nur bedingt, denn immer wieder gab es Tage, da wartete selbst ich auf eine wichtige Nachricht. Dass die dann gerade beim Essen einging, war natürlich blöd. Aber plötzlich war ich diejenige, die das eigene Verbot unterlief.
Irgendwann habe ich kurzerhand beschlossen, hin und wieder das Tablett so auf dem Esstisch zu platzieren, dass unsere Kinder während des Abendbrots gemeinsam eine sinnvolle Kindersendung anschauen konnten. Und es funktionierte! Wir können die gemeinsamen Familienessen wieder stressfrei genießen, es gibt weder Gezanke noch Knatsch. Und wir haben auch Tage, an denen es kein Tablet am Tisch gibt und wir uns beim Essen unterhalten.
Was mich aber generell an dieser Thematik aufregt: Alle anderen Eltern tun immer so, als ob es bei ihnen mit dem Handy am Tisch gar kein Problem gäbe. Weil es eben gar nicht erst mit zum Essen darf. Doch mal ganz ehrlich: Wie weit liegen die Handys dann weg? Wie oft piepen und vibrieren die Geräte und jeder dreht nur noch seinen Kopf danach, um vielleicht einen schnellen Blick aufs Display zu erhaschen?
Im Bekanntenkreis werde ich dafür regelrecht verteufelt, weil ich meinen Kindern beim Essen gestatte, eine Kindersendung auf dem Tablet anzuschauen. Es nervt einfach! Und hinterfragt man dann etwas genauer, kommt heraus: Die einen haben durchaus das Handy irgendwie mit am Tisch, nur die Kinder dürfen nicht. Bei den anderen läuft stattdessen der Fernseher mit irgendwelchen Sendungen, die nichts für Kinder sind. Da frage ich mich doch: Ist das Handy am Tisch dann nicht besser, wenn man als Eltern darauf achtet, was da angeschaut wird?”
Handys am Esstisch: Worauf es dabei ankommt
Es steht natürlich außer Frage, dass Handys und Tablets am Esstisch immer für eine gewisse Ablenkung sorgen. Auch dann, wenn sie einfach nur auf dem Tisch liegen. Forscher der Universität von Chicago sind bei ihren Studien sogar darauf gestoßen, dass die kognitive Leistungsfähigkeit dadurch beeinträchtigt wird. Das bedeutet: Der überwiegende Teil der Menschen kann sich durch das Handy in unmittelbarer Nähe weniger gut konzentrieren.
Damit gibt das Ergebnis dieser Studie unserer Leserin im Grunde recht. Liegt das Smartphone in greifbarer Nähe zum Esstisch, beschäftigt sich das menschliche Gehirn automatisch damit, sich davon nicht ablenken zu lassen. Das ist eine recht komplexe Gehirnleistung. Beim Abendessen kann es sich also tatsächlich störender auswirken, bewusst nicht auf das Handy schauen zu wollen, anstatt wie oben beschrieben, der gezielten Nutzung zuzustimmen.
Abgesehen davon, gibt es jedoch klare Grenzen, was die Handynutzung am Esstisch anbelangt. Es kommt vor allem darauf an, dass:
- es nicht vom gemeinsamen Essen ablenkt,
- nicht jedes Familienmitglied auf sein eigenes Smartphone schaut,
- gezielt kindgerechte Sendungen ausgewählt werden, wenn alle gemeinsam schauen,
- spielen und Sprachnachrichten senden tabu ist,
- die Eltern ihre Vorbildfunktion nicht vergessen.
Aber: Eine aktuelle US-amerikanische Studie bestätigt, dass zu früher Medienkonsum – genauer unter 24 Monaten – zu Verhaltensauffälligkeiten führen kann. Und auch in späteren Kinderjahren kann zu viel Bildschirmzeit ADHS-ähnliche Symptome verstärken.
Nach dem Essen einen Film schauen ist auch nicht die Lösung
Es gibt es viele Familien, bei denen Kinder Filme am Tablet anschauen dürfen, sobald sie mit dem Essen fertig sind. Das führt jedoch dazu, dass die Kleinen ihr Essen nur schnell in sich hineinstopfen, oder möglicherweise gar nicht in Ruhe und ausreichend essen. Stattdessen haben sie schon den nächsten Trickfilm im Kopf. Wir sind der Meinung: Auch das ist keine gute Lösung.
Auch wichtig: Gemeinsam aufgestellte Regeln zum Thema Handy am Esstisch sollten auch von allen Familienmitgliedern eingehalten werden. Es ist nicht nur unfair, es den Kindern zu verbieten und sich als Eltern selbst nicht daran zu halten, sondern auch kein gutes Vorbild.
Fazit
Es bleibt selbstverständlich jedem selbst überlassen, wie das mit dem Handy am Esstisch geregelt wird. Allerdings sind wir auch der Meinung, dass es bei diesem Thema nicht nur Schwarz und Weiß gibt. Machen wir uns nichts vor: Handys nehmen heutzutage einen recht hohen Stellenwert im Leben der meisten Familien ein. Wenn es für das harmonische Familienessen hilfreicher ist, hat auch die Aussage “Das Handy ist bei uns immer dabei, auch beim Abendbrot” ebenso ihre Berechtigung, oder?
Welche Erfahrungen hast du mit Handys am Esstisch? Wie habt ihr das zu Hause geregelt?
Quellen
- Zeitschrift für experimentelle Sozialpsychologie, “Die Nutzung von Smartphones untergräbt die Freude an sozialen Interaktionen von Angesicht zu Angesicht”, https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0022103117301737?via%3Dihub, (abgerufen am 06.01.2024)
- The University of Chicago, “Brain Drain: Die bloße Anwesenheit des eigenen Smartphones reduziert die verfügbare kognitive Kapazität”, https://www.journals.uchicago.edu/doi/full/10.1086/691462, (abgerufen am 06.01.2024)