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Psychische Folgen von Sharenting: Schon kleine Kinder schämen sich für Fotos im Netz!

Psychische Folgen von Sharenting Schon kleine Kinder schaemen sich fuer Fotos im Netz 4 - Psychische Folgen von Sharenting: Schon kleine Kinder schämen sich für Fotos im Netz!
Eltern unterschätzen die Folgen, die das Teilen der Kinderbilder haben kann leider noch immer. / Bild ©Konstantin Aksenov, Adobe Stock

Eltern bringen ihre Kinder mit dem Posten von Bildern nicht nur in Gefahr, sie benutzen sie auch für den eigenen Erfolg. Und das spüren Kinder schon sehr früh, sagt eine Psychologin.

Von Anfang an sind wir richtig verliebt in unseren Nachwuchs und können gar nicht genug vom süßen Gesicht und jeder Bewegung unseres Kindes bekommen. Das möchten wir natürlich am liebsten mit der ganzen Welt teilen. Entscheiden sich Eltern dazu, die niedlichen Baby- und Kinderfotos dann genau deswegen über Messenger-Dienste und Social Media Plattformen zu teilen, tun sie unbewusst vielleicht genau das: Sie stellen die Bilder und private Daten der ganzen Welt zur Verfügung. Und das ist in mehrfacher Hinsicht problematisch.

Private Momente aus dem Kinderzimmer zu teilen ist ein Vertrauensbruch

Kinder, die bunte Bilder malen, Brei verschmierte Baby-Gesichter oder weinende Windelträger: Das sind nur einige Momente im Kinderleben, die Eltern mit ihren immer präsenten Smartphones teilen. Manche Eltern betreiben einen Instagram Account oder Youtube-Kanal mit den Aufnahmen ihrer Kinder. Doch all diese Momente sind privat, und das Teilen ist ein extremer Vertrauensbruch, warnt die Psychologin Elisabeth Raffauf: „Man weiß, dass sich das Schamgefühl früh entwickelt. Ganz, ganz kleine Kinder haben schon Schamgefühl. Und es gibt Dinge im Netz, für die kann man sich tatsächlich schämen, auch wenn man als kleines Kind noch nicht genau erfasst, was das eigentlich bedeutet. Spätestens, wenn man es erfasst, kommt die Scham”, meint Raffauf, die in einer Erziehungsberatungsstelle in Köln arbeitet und von ihren Erfahrungen berichtet. „In manchen Videos ist es auch so, dass Eltern sich auf Kosten der Kinder lustig machen.“ 

Die Kinder spüren: Es geht gar nicht um mich, ich werde benutzt

Was macht es mit Kindern, immer wieder von den eigenen Eltern oder Verwandten mit der Kamera begleitet zu werden? Die folgenden Aussagen der Psychologin auf watson.de im Rahmen der Aufklärungskampagne #ShareWithCare helfen, Sharenting richtig einzuordnen: 

Jetzt ist die Frage: Was macht das mit den Kindern? Die Kinder sind natürlich hin- und hergerissen. Die sind ambivalent. Sie sind einerseits stolz, sie bekommen Aufmerksamkeit und ein gemeinsames Projekt mit den Eltern.

Manchmal kann man das ja auch auf der Straße beobachten, manche Kinder sind schon richtig geübt im Posieren. Wenn Eltern ihre Kinder fotografieren, stellen sie sich direkt in Pose. Also: Es geht um mich! Und man kann danach beobachten, wenn die Aufmerksamkeit schlagartig wieder weggeht, dass sie so in sich zusammensacken. (…)

Die Kinder spüren neben ihrem Stolz und der Aufmerksamkeit, die sie bekommen, auch: Es geht gar nicht um mich. Und sie fühlen sich benutzt. Und irgendwie fühlen sie auch: Mit der Aufmerksamkeit meiner Eltern, da ist irgendwas faul.(…)

Denn eigentlich geht es um sie als Ware. Die Eltern haben den Nutzen davon und unter Umständen das Geld. Und das Kind lernt: Zuwendung bekomme ich besonders dann, wenn ich etwas dafür biete. Also es ist nie echt und man kann auch niemandem so richtig vertrauen. Die Eltern haben einen Hintergedanken, wenn sie mit einem spielen. (…)

Das Kind lernt von klein auf: Ich kann nicht selbst bestimmen über meinen Körper und mich.

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Von Elternstolz zu Ehrgeiz: Warum machen Eltern das eigentlich?

Dazu berichtet die Psychologin von stolzen Eltern, die es schön finden zu zeigen, was ihre Kinder können: “Das ist so eine Frage: Warum machen Eltern das eigentlich? Das fängt vielleicht als ein gemeinsames Projekt an, das ist irgendwie schön. Wir haben eine gemeinsame Zeit, wir machen was zusammen. Und dann merkt man vielleicht auch, man kriegt Klicks und das fördert natürlich den Ehrgeiz. (…). Eltern sollen und dürfen stolz auf ihre Kinder sein. Nur irgendwann kippt das. (…) Bei Instagram hat man manchmal das Gefühl, die Kinder werden ausgestellt und Mütter und Väter wollen eigentlich Anerkennung für das Aussehen oder das Handeln ihrer Kinder. Das ist eine Art Bestätigung für die Eltern und es geht eigentlich gar nicht mehr um die Kinder.”

Bilder mit badenden Kindern bekommen mehr Klicks

Besonders nachdenklich macht mich Elisabeth Raffaufs Bericht über ein achtjähriges Mädchen, dass beim Spielen mit Spielsachen im Netz landet: “Das fing harmlos an und dann hat sich eine Spielzeug-Firma gemeldet; sie haben Spielsachen geschenkt bekommen und es gab täglich Videos, die wurden millionenfach geklickt. Es gab aber auch Spielsachen, die mussten in der Badewanne oder im Schwimmbad gespielt werden. Diese Videos wurden doppelt so viel geklickt wie die anderen. Das ging so weit, war so erfolgreich, dass der Vater seinen Job aufgegeben hat und diese Achtjährige die Familie ernährt hat.” 

Sharenting kann zu Mobbing, Pädokriminalität, Identitätsdiebstahl durch KI und Deep Fakes führen 

Erschreckende 86 Prozent der Eltern in Deutschland teilen Bilder und Videos ihrer Kinder (0 bis 14 Jahre) im Netz. 70 Prozent der Eltern teilen mindestens einmal pro Woche Fotos oder Videos ihrer Kinder bis fünf Jahre alleine über Messenger-Dienste. Das ergab jetzt eine aktuelle Umfrage der Telekom im Rahmen der Aufklärungskampagne #ShareWithCare. Die Audio-, Video- und Fotoaufnahmen der Kinder könnten zu Mobbing, Pädokriminalität oder Identitätsdiebstahl durch KI und Deep Fakes führen. Markus Hartmann ist leitender Oberstaatsanwalt und Experte im Bereich Cybercrime und fordert, dass nicht nur Eltern, sondern auch Freunde, Großeltern, Tanten und Onkel aufhören sollten, Kinderfotos öffentlich zu posten und genau zu prüfen, bevor sie über Messenger-Dienste Aufnahmen verschicken: „Kinderfotos sind dazu geeignet, einen digitalen Klon zu generieren und den für Straftaten einzusetzen, sowohl im Bereich des Identitätsdiebstahls, aber auch mit Blick auf Kinderpornografie.“ 

Die Gesellschaft muss sensibler werden im Umgang mit Kinderbildern. Und das geht nur, wenn wir alle die möglichen Folgen von Sharenting kennen:

Mit der Aktion #ShareWithCare will die Deutsche Telekom für einen verantwortungsvollen Umgang mit Fotos und Daten sensibilisieren. Den Auftakt der Kommunikation bildet der beklemmende Deepfake-Spot „Eine Nachricht von Ella”. Er thematisiert am Beispiel einer Familie, welche Folgen das Teilen von Kinderfotos im Internet haben kann.

So gehen Eltern sicher mit den Bildern ihrer Kinder um

Matthias Herfen, Leiter des Kriminalkommissariats 17 der Polizei Düsseldorf, das sich mit Kinder- und Jugendpornographie beschäftigt, sagt im Interview mit dem WDR: “Wir haben immer wieder den Fall, dass wir bei pädosexuell-orientierten Tätern auf den beschlagnahmten Computern sogenanntes Präferenzmaterial finden.” Dabei sind Bilder mit oft nackt oder leicht bekleideten Kindern zu sehen. Die Täter suchen gezielt nach solchen Fotos im Netz. Vor dem Verschicken solcher Aufnahmen sollte man sich zwei Fragen zu stellen: Würde ich selbst wollen, dass jemand so ein Bild von mir sieht? Und wer sollte das Bild überhaupt sehen? „Die sicherste Methode ist natürlich, das Bild nur zu zeigen“, sagt der Experte. „Wenn man ein Bild elektronisch tauscht, sollte man aber sicherstellen, dass nur der von mir gewünschte Empfänger das Bild sieht.“ Dazu die Sicherheitseinstellungen der genutzten Programme genau durchgehen. Viele Messenger bieten beispielsweise die Funktion an, Bilder beim Empfänger-Handy nur einmal sehen zu können.

Fotos sicher verschicken auf Messengern: 

  • Kinderbilder im Status meiden oder Sichtbarkeit für Personen eingrenzen
  • Bilder einmalig versenden 
  • Gruppen erstellen, die Zugriff auf Bilder haben – nicht allen Zugriff gewähren

Sicherheit auf Instagram

  • keine Namen und genauen Orte in sozialen Medien nennen und nur ausgewählten Personen die Fotos zeigen
  • Privates Konto auf SoMe statt öffentlich
  • Teilen einschränken und “enge Freunde”-Liste einstellen

Sicherheit auf facebook:

  • Fotos nur mit Freunden eingeschränkt teilen
  • Zielgruppe für Reels auswählen
  • Neue und alte Beiträge beschränken

Eltern posten auch gerne Videos und Bilder von Aufführungen oder Veranstaltungen, Spielplätzen und Co.. Aber: Fremde Kinder dürfen grundsätzlich NICHT gezeigt werden.  

Verschickt ihr Bilder eurer Kinder oder postet diese? Achtet ihr dabei auf Sicherheit?

Quellen

Veröffentlicht von Nina Gaglio

Nina ist Mama eines Grundschulkindes und seit 25 Jahren leidenschaftliche Reporterin und Redakteurin. Angefangen hat alles beim Fernsehen, wo Nina neben ihrem Germanistik, Anglistik und Medienwissenschaften Studium erste Erfahrungen sammeln konnte und dann 12 Jahre blieb. Danach kam viel PR und der Onlinejournalismus dazu. Familien- und Kinderthemen und die Arbeit mit Experten aus diesen Bereichen gehörte auch zum Redaktionsalltag. Und so war es nur logisch, dass Nina nach dem Mutterwerden auch für Parenting-Magazine schrieb.

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