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Nach Wallfraff-Enthüllung: Kinder verdienen sichere Kitas und Krippen! 

Nach Wallfraff Enthüllung Kinder verdienen sichere Kitas und Krippen!
Kinder sollen in Kitas glücklich und sicher sein. / Bild ©Andrey Kuzmin, Adobe Stock

Sind die aufgedeckten Missstände in Kitas Einzelfälle, Überforderung oder muss das System Kita überdacht werden? Unsere Redakteurin Nina kennt solche Fälle, aber auch richtig gute Kindertagesstätten, wo Leitung und Pädagogen trotz struktureller Herausforderungen ganz viel richtig machen und wertvolle Arbeit leisten.

Kinder werden zum Aufessen gedrängt, grobe und unliebsame Behandlung, gewaltsames Festhalten und weinende Babys und Kleinkinder, die nicht getröstet werden. Diese Missstände und leider noch mehr hat das Team um Günter Wallraff mit einer Undercover Dokumentation für RTL sichtbar gemacht. Die Idee zu der Doku kam durch mehr als 70 Hinweise aus Kitas, schreibt der Sender. Und jetzt diskutiert Deutschland: über die für Eltern schwer zu ertragenden Bilder, die Reaktionen der Einrichtungen, was besser gemacht werden muss. 

Sind das wirklich Einzelfälle? 

Und warum funktioniert das System Kita manchmal nicht, wie es gedacht und gewünscht ist? Nämlich als familiärer Bildungs- und Betreuungs-Ort, an dem Babys und Kleinkinder gut aufgehoben sind, während Mama und Papa arbeiten. Ein Ort, an dem Kinder fröhlich spielen, soziale Kontakte erleben, behütet Mittagsschlaf machen können, Unterstützung erhalten, etwas lernen und vor allem sicher sein sollen. 

Die Frage nach den Einzelfällen ist aus meiner Perspektive schwer zu beantworten. Ich wünsche mir, dass es welche sind. Aber: Auch ich habe schon als Reporterin in meiner Zeit beim Fernsehen über ähnliche Fälle berichtet. Privat habe ich mein Kind auch schon aus einer (bei Eltern sehr beliebten) Krippe genommen, weil ich dort Vernachlässigung und groben Umgang gesehen habe. Kaum war mein Kind dort, musste ich in dieser Elterninitiative (hier sind die Elterndienste Teil des Träger-Konzeptes bei Personalausfall) oft für krankes Personal einspringen. Und mir wurde dabei, wie oben beschrieben, sehr schnell klar, warum nicht nur mein Kind dort nicht bleiben wollte und beim Abholen sehr aufgelöst und verstört war. 

Bei einer anderen Kindertagesstätte konnte ich von meiner Arbeit den Innenhof und den Garten sehen. Mehr als ein Mal ist mir die Gleichgültigkeit der Erzieher und Erzieherinnen den Kindern gegenüber und das grobe Verhalten einer Erzieherin im Besonderen aufgefallen. Bis zu dem Tag, als besagte Betreuerin ein Kleinkind, das zurück in die Kita wollte, am Arm hoch riss und so hängend und schreiend zurück zum Sandkasten trug. Ich habe bei dem Anblick am ganzen Körper gezittert, mich vom Fenster aus eingemischt und den Vorfall sofort gemeldet.

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Eine vertrauenswürdige Kita finden

Mein Vertrauen in Kitas und Krippen ist seitdem nicht mehr das gleiche. Und so war es nicht leicht, mit dem Wissen eine Einrichtung für unser Kind zu finden. Nach der schlechten Krippenerfahrung konnte ich übrigens eine Weile von Zuhause arbeiten und mein Kind betreuen, bis es sprechen konnte. So konnte es mir besser sagen, wenn etwas nicht stimmt. Das Glück hat nicht jeder, das ist mir bewusst.  

Wir starteten mit 2 Jahren also einen neuen Versuch in Sachen Kindertagesstätte. Dazu schaute ich mir natürlich die nächstgelegenen Einrichtungen an. Mein Bauchgefühl und das meines Kindes würden uns schon etwas schönes finden lassen. Bei der Krippe damals hatte ich von Anfang an kein gutes Gefühl. Mir war richtig schlecht am Tag vor der Eingewöhnung. Aber es war mein erstes Kind, ich dachte das wäre normal und wollte dieser so beliebten Einrichtung, in die alle wollten und wir einen Platz ergattern konnten, eine Chance geben. Heute weiß ich, wie wichtig mein Bauchgefühl und das Hinterfragen der Konzepte ist. 

Einen Kitaplatz zu finden, ist nicht leicht. Eltern haben kaum eine große Auswahl. Das ist durch Mangel an pädagogischem Fachpersonal und die hart umkämpften wenigen Plätze noch schlimmer geworden. Wir konnten uns aber drei Einrichtungen genauer ansehen. Entschieden haben wir uns für die, die uns ein gutes Gefühl gab. Noch vor der Eingewöhnung konnten wir einige Nachmittage zum Spielen kommen. Die Offenheit und das liebevolle und familiäre Miteinander dieser großen inklusiven Einrichtung hat uns, und vor allem das Kind, überzeugt. Diese städtische Tagesstätte hat bis heute ein transparentes Konzept und ein offenes Haus, in dem Eltern und die Familien der Kinder jederzeit gern gesehen und willkommen sind. Es gibt keine “verschlossenen Türen” (für Fremde schon, da es ein immer besetztes Büro am Eingang gibt), ein liebevolles Miteinander, das durch gemeinsame Aktionen und Feste über das Jahr noch gestärkt wird. Und nahezu jeder Erzieher oder jede Erzieherin wusste beim Abholen, was mein Kind den Tag über gemacht hat, wo es sein könnte. Über all die Jahre bis zur Schule konnte ich dort engagierte Erzieher und Erzieherinnen antreffen. 

Kein Kita-Bashing bitte, aber auch nicht wegsehen

Ich möchte beim allgemeinen Kita-Bashing nicht mitmachen, niemanden vorverurteilen. Die Geschehnisse aber auch nicht einfach als Einzelfälle abtun. Die Wallraff-Reporter haben bestimmt gewissenhaft recherchiert. Was wir dort in der Dokumentation sehen, geht gar nicht. Aber es gibt auch viele gute Kindergärten. Tolle Erzieher und Erzieherinnen, Tagesmütter, Heilpädagoginnen und und und. 

Ich wünsche mir, dass wir als Gesellschaft aufmerksam sind. Nicht wegsehen, sondern gemeinsam etwas ändern. Wir müssen darüber reden! Mit offenen Augen und Herzen diese Missstände als Gesellschaft anpacken und fordern, dass die vielen guten Konzepte und Regeln auch verpflichtend angewendet werden. Und strukturelle Probleme wie Überbelastung, fehlende Qualifikation, sehr niedriger Personalschlüssel endlich angegangen werden! Und dafür müssen die Zuständigen fragen: Was braucht es, damit das System Kita verbessert werden kann? Was braucht das Personal? Wieso sind die Personalschlüssel so niedrig und wie können Eltern gemeinsam mit dem Fachpersonal genau darauf aufmerksam machen, damit so etwas in Zukunft nicht mehr passiert?

Wenn ihr spürt, dass das Fachpersonal eurer Krippe oder Kita gestresst oder überlastet ist, tut euch zusammen und sucht das Gespräch. Überlegt dann gemeinsam: Was können wir tun, um die Überbelastung zu verringern und damit zu vermeiden, dass Missstände durch Stresssituation begünstigt werden. Hier ist die Bildung eines Elternrats oder einer Elternvertretung immer hilfreich. Wenn es in eurer Krippe/Kita keine offiziellen Vorgaben hierzu gibt, könntet ihr euch auch privat zusammentun. Versucht hier immer den offenen, achtsamen und menschlichen Austausch zu wahren und vermeidet Vorverurteilungen, Beschuldigungen oder das infrage Stellen der pädagogischen Qualifikation. Eine Veränderung ist immer nur möglich, wenn gemeinsam hingeschaut und Probleme respektvoll und auf Augenhöhe kommuniziert werden.

Achtung: Die langjährigen, strukturellen Probleme in deutschen Kitas wie Überbelastung, Unterbezahlung, Personalmangel, niedriger Personalschlüssel und Krankenstände sind NIEMALS eine Erklärung oder Legitimation von Gewalt an Kindern oder für Missstände im Umgang mit Kindern. Sie begünstigen die prekäre Lage zwar, jedoch können sie niemals der Grund oder eine Entschuldigung dafür sein, dass psychische, emotionale oder körperliche Gewalt angewendet wird.

Was Eltern tun können:

  • Vor der Eingewöhnung erfragen: Wie steht die Kita zu den Kinderrechten? (Recht auf gewaltfreie Erziehung, seelische Verletzungen usw.). Wenn diese in den Leitlinien der Kita verankert sind, hinterfragen: Wie werden diese Rechte im Alltag konkret umgesetzt?
  • Konzepte zur Prävention von Gewalt und Misshandlung erfragen und sich vor dem Kita-Eintritt geben lassen. Für gewöhnlich gibt es in jeder Kita ein Gewaltschutzkonzept und eine damit beauftragte Person als Ansprechpartner:in vor Ort.
  • Bei der Eingewöhnung das Kind bewusst begleiten und auf das eigene Bauchgefühl hören: Ist mein Kind hier sicher und geborgen aufgehoben? Wird es hier gesehen? Wie ist der Personalschlüssel und die Besetzung der Kita? Fühle ich mich mit dem gelebten pädagogischen Konzept wohl? Kann ich als Elternteil dahinter stehen? Fühlt sich etwas für mich unstimmig an? 
  • Fragen, die schon während der Eingewöhnung aufkommen, offen, achtsam und respektvoll stellen. 
  • Erste Anzeichen für emotionale oder körperliche Gewalt können etwa sein: Kind zuckt bei ruckartigen Bewegungen, wirkt auffallend still, ängstlich, aggressiv – eigentlich jede nur erdenkliche emotionale Reaktion, die den Eltern auffällig/ungewöhnlich erscheint – auch übermäßige Albernheit oder Freude, kann ein Zeichen sein.
  • Die ersten Bedenken immer unmittelbar mit dem Personal besprechen, möglichst frühzeitig. Hier ist GFK (Gewaltfreie Kommunikation) unglaublich wichtig, um niemanden vorzuverurteilen bei möglichen Missverständnissen. Hier können zusätzliche Vertrauenspersonen oder Mediatoren hilfreich sein. Manchmal haben Kitas externe Supervisor:innen oder pädagogische Fachberatungen für diese Fälle.
  • Wenn sich das Kind äußert: das Kind ernst nehmen & im engen, vertrauensvollen und achtsamen Austausch bleiben. Mit eigenen Vertrauenspersonen über die Vermutungen sprechen. In sensiblen Momenten, wenn man mit dem Kind einen ruhigen Augenblick teilt, noch mal Details oder Beschreibungen des Kindes erfragen. 
  • Möchte das Kind plötzlich Dinge nicht mehr tun, die vorher kein Problem und sogar beliebt waren? Versuchen, darüber zu sprechen, ohne beim Kind Druck auszuüben.
  • Sobald körperliche Anzeichen auftreten – Hilfe suchen: sichtbare Verletzungen wie blaue Flecken, Blutergüsse, Abschürfungen, Brandwunden oder sogar Brüche können Anzeichen von Gewaltanwendung sein. Am besten den Elternbeirat, Kita-Träger, die Leitung informieren; Je nach Gesprächsverlauf unmittelbar/gemeinsam das zuständige Jugendamt informieren.
  • Zusätzlich: Hilfe bei Fachleuten von Beratungsstellen suchen, notfalls auch anonym: Hilfetelefone für Eltern, Kinderschutzbund, Familien- und Erziehungsberatungsstellen.
  • Beobachtungen, Beispiele und Erzählungen immer gut dokumentieren.´
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Quellen

Veröffentlicht von Nina Gaglio

Nina ist Mama eines Grundschulkindes und seit 25 Jahren leidenschaftliche Reporterin und Redakteurin. Angefangen hat alles beim Fernsehen, wo Nina neben ihrem Germanistik, Anglistik und Medienwissenschaften Studium erste Erfahrungen sammeln konnte und dann 12 Jahre blieb. Danach kam viel PR und der Onlinejournalismus dazu. Familien- und Kinderthemen und die Arbeit mit Experten aus diesen Bereichen gehörte auch zum Redaktionsalltag. Und so war es nur logisch, dass Nina nach dem Mutterwerden auch für Parenting-Magazine schrieb.

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