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Trotz Vollzeit übernehmen wir Mütter das Alltagsmanagement und “schuld” sind nicht unsere Männer

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Frauen werden trotz ihrer Erwerbstätigkeit nach wie vor oft als Hauptsorgeverantwortliche betrachtet. / Bild ©milanmarkovic78, Adobe Stock

Die neue Studie von zwei Forscherinnen der Hans-Böckler-Stiftung ist die erste umfassende zum Thema in Deutschland. Sie zeigt, woran die ungerechte Aufteilung wirklich liegt.

Gestern war ich bei einer Freundin, deren Mann mit beiden Kindern für eine Woche in den Urlaub gefahren ist. Die Wohnung war sauber und aufgeräumt, wie lange nicht. Und meine Freundin ausgeschlafen, ausgeglichen und voller Freude darüber, auch mal Dinge geschafft zu haben, die im Familienalltag oft zu kurz kommen. Und dann hat sie sich sogar noch Zeit genommen, für ihre Freundinnen, die keine Auszeit vom Alltag haben, zu kochen und uns einen schönen Abend zu bereiten. Wo wir sonst auch etwas vorbereiten und mitbringen, war das an diesem Abend nicht erwünscht. Wir sollten uns einfach verwöhnen lassen. Schließlich hatte sie die ganze Woche Familienfrei und wir nicht. Der Tisch war schön gedeckt und das Essen vorbereitet. Was für eine liebevolle Geste, dass sie diese kleine Freiheit vom Mental Load mit uns teilen wollte. Denn: 

Neue Studie: In Paarbeziehungen kümmert sich überwiegend auch die berufstätige Frau und fühlt sich verantwortlich. Mit Kindern wächst die Ungleichheit noch.

Denn es sind zumeist Frauen, die sich um den Haushalt, die Sorgearbeit und Planung kümmern. Und das auch, wenn sie gleichzeitig erwerbstätig sind. Sogar, wenn sie in Vollzeit arbeiten. Das ständige Vorausdenken, Planen und die nie endende Arbeit im eigenen Zuhause können sehr belastend sein. Es gibt schon unzählige Artikel darüber. 

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Neben der Erwerbsarbeit kostet Alltagsorganisation eine Menge Zeit und Nerven

Einkaufslisten, Mahlzeiten planen, den Nachwuchs bringen und abholen, Termine für Vorsorgeuntersuchungen machen, wichtige Ereignisse planen, zwischendurch die kranke Schwiegermutter anrufen und Vieles mehr gehört zur Alltagsorganisation. Neben der Erwerbsarbeit kostet diese laut Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern eine Menge Zeit und Nerven. Sie sprechen von „unsichtbarer Denkarbeit“ oder „Mental Load“. Dabei geht es laut Autorinnen um Voraus- und Mitdenken, den Überblick bewahren, Wege finden, das scheinbar Unvereinbare vereinbar zu machen.

Die Forscherin Dr. Yvonne Lott und ihre Co-Autorin Paula Bünger haben jetzt nicht nur untersucht, wie erwerbstätige Frauen und Männer diese Planungsaufgaben untereinander aufteilen, sondern auch, welche Belastung aus der kognitiven und emotionalen Arbeit resultiert. Und was der Grund für die ungerechte Aufteilung ist.

Die Studie der beiden für das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung zeigt nun: “Das gilt nicht nur für sogenannte praktisch-manuelle Tätigkeiten, wie kochen, aufräumen, putzen oder etwa die Körperpflege von Kleinkindern oder alten Familienmitgliedern, sondern auch für die Organisation des Alltags. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich in Paarbeziehungen von Erwerbstätigen überwiegend die Frau darum kümmert und sich dafür verantwortlich fühlt, dass wichtige private Aufgaben erledigt und Termine gehalten werden, liegt bei 62 Prozent. Die Wahrscheinlichkeit, dass das vor allem der Mann übernimmt, beträgt hingegen lediglich 20 Prozent. Leben Kinder im Haushalt, ist die Diskrepanz noch spürbar größer.”  

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Schuld an dem Missstand sind auch traditionelle Erwartungen, die von Vorgesetzten angebracht werden

Bei der sogenannten Erwerbspersonenbefragung von rund 2200 erwerbstätigen oder arbeitsuchenden Personen zum Thema, sagten die Interviewten nun, wer im Haushalt für die Alltagsorganisation hauptsächlich zuständig ist und wie belastend sie diese Aufgaben empfinden.

Und die Ergebnisse der neuen Studie zeigen klar: Frauen werden trotz ihrer Erwerbstätigkeit nach wie vor oft als Hauptsorgeverantwortliche betrachtet. Und es sind vor allem die jüngeren Männer, die einer aktiven Teilnahme am Familienleben einen deutlich höheren Stellenwert zuschreiben. Das ist bis dato keine Überraschung. Aber wo ist dann das Problem? 

„Die Leitbilder und Lebensziele für eine aktive Vaterschaft stehen oft im Konflikt mit traditionellen Anforderungen und Erwartungen, die von Vorgesetzten oder Kolleg*innen vorgebracht werden.”

Die Forscherinnen Dr. Yvonne Lott und ihre Ko-Autorin Paula Bünger in ALLTAGSORGANISATION BEI PAAREN UND FAMILIEN: ERWERBSTÄTIGE FRAUEN ÜBERNEHMEN DEN LÖWENANTEIL

Wesentliche Gründe für die anhaltende Ungleichheit und den geringen Fortschritt sind also auf der betrieblichen Ebene zu suchen. Lott und Bünger schreiben, es muss einen Wandel der Betriebskultur, etwa durch Führungskräfteschulungen geben, um wirklich etwas zu ändern. Außerdem müssten Väter aktiv auf die betrieblichen und gesetzlichen Angebote zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf angesprochen und bei deren Inanspruchnahme unterstützt werden.

Ein Phänomen finden die Studienautorinnen nach wie vor bemerkenswert (und vielleicht kennt ihr das auch aus eurer Partnerschaft?): rund zwei Drittel der Männer denken, die Organisation von Alltagsaufgaben sei in ihrer Partnerschaft gleich aufgeteilt. Aber nur gut ein Drittel der Frauen sehen das genauso.

Frauen fühlen stärkere Belastung als Männer durch die Planungsarbeit und Alltagsorganisation

Yvonne Lott und Paula Bünger schreiben außerdem, „dass sich Frauen in Teilzeit ebenso wie Frauen in Vollzeit durch kognitive Arbeit belastet fühlen. Es scheint also nicht so zu sein, dass Frauen durch kürzere Arbeitszeiten mehr mentale Entlastung im Alltag erfahren und etwa mit mehr Entspannung und Energie kognitive Arbeit erledigen.“ Das scheint auch eine weit verbreitete Annahme, die Männer sowie Frauen (die nicht in der Situation sind) leider immer noch eher gegenüber in Teilzeit arbeitenden Frauen haben. Die Erkenntnisse dieser Studie können zur Aufklärung beitragen.  

Schließlich ist zu erkennen, der Mental Load sei leider immer noch „eine zentrale Dimension partnerschaftlicher beziehungsweise geschlechtsspezifischer Ungleichheit“.

Und während wir in der aufgeräumten Wohnung unserer Freundin sitzen, können wir ihr Glück darüber, dass alles wenigstens eine Woche lang so unangetastet bleibt, wie sie es verlassen hat und das “Keiner-will-etwas-von-ihr-Gefühl” richtig spüren. Und scherzen: Wir brauchen eine eigene Wohnung! 

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Quellen

Veröffentlicht von Nina Gaglio

Nina ist Mama eines Grundschulkindes und seit 25 Jahren leidenschaftliche Reporterin und Redakteurin. Angefangen hat alles beim Fernsehen, wo Nina neben ihrem Germanistik, Anglistik und Medienwissenschaften Studium erste Erfahrungen sammeln konnte und dann 12 Jahre blieb. Danach kam viel PR und der Onlinejournalismus dazu. Familien- und Kinderthemen und die Arbeit mit Experten aus diesen Bereichen gehörte auch zum Redaktionsalltag. Und so war es nur logisch, dass Nina nach dem Mutterwerden auch für Parenting-Magazine schrieb.

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