„Du sollst nicht mit Fremden mitgehen“ – diese Aussage kennt jedes Kind. Wir erklären mit Hilfe einer Expertin, wie sich Kinder im Ernstfall verhalten sollen.
Sie geben sich als Erzieher aus oder erzählen, dass die Mama oder der Papa sie geschickt hat, um das Kind mitzunehmen: Immer wieder kommt es vor, dass Kinder von Fremden vor Schulen, Kindergärten, auf Spielplätzen oder auf dem Heimweg angesprochen werden. Deshalb ist es wichtig, auch kleine Kinder aufzuklären und starkzumachen.
Täter suchen Kinder, die sich nach Anerkennung und Liebe sehnen
Hilfsbereitschaft und Neugier sind kindliche Eigenschaften, die Täter ausnutzen wollen. Nicht selten werden schon Kindergartenkinder mit Süßigkeiten, Hundewelpen, Spielen oder anderen Angeboten gelockt. Die Diplom-Sozialpädagogin und babelli-Expertin Sylvia Hubele kennt diese Muster und weiß noch mehr: „Die Täter finden Kinder, die sich nach Anerkennung und Liebe sehnen. Diese werden vermehrt angesprochen. Sicher gebundene Kinder, die wissen, dass sie mit Problemen immer zu ihren Eltern kommen können, sind bei Fremden eher abweisend und in neuen Situationen eher zurückhaltend. Sie müssen nicht die Aufmerksamkeit oder Schokolade suchen, weil diese Kinder zu Hause bekommen, was sie benötigen. Kinder, die Sehnsucht nach etwas haben, gehen auf Ansprachen von Fremden eher ein.“
Kinder sollen Nein sagen dürfen
Um die Kinder nicht in diese Schokolade- oder Aufmerksamkeitsfalle tappen zu lassen, ist es also wichtig zu verstehen, dass Kinder zu Hause gesehen werden müssen. Unser Nachwuchs möchte uns aber auch gefallen und macht vieles nur uns zuliebe. Dabei gehen unsere Kinder über ihre eigenen Grenzen. Aber das müssen sie nicht und das gilt es zu lernen und als Eltern zu lehren, meint Sylvia Hubele. Dafür ist es wichtig, Kinder zu Hause starkzumachen und ihnen zu erlauben, eine eigene Meinung zu haben:
„Kinder sind sicher, wenn sie auch zu den engsten Vertrauten Nein sagen können. Das müssen sie dürfen, ohne Sanktionen zu erwarten. Wenn sie etwa der Oma mal keinen Kuss geben oder gerade mal nicht kuscheln wollen.“
Sylvia Hubele, Diplom-Sozialpädagogin
Oder dem Nachbar nicht Rede und Antwort stehen müssen, nur weil es vermeintlich höflich ist und die Eltern es so erwarten. Mit dieser Erfahrung etwas ablehnen zu dürfen, weil es sich für die kleinen Menschen in dem Moment nicht richtig anfühlt, lernen unsere Kinder auch bei Fremden Nein sagen zu können.
Kinder dürfen laut werden
Abstand halten und laut werden ist bei der Begegnung mit fremden Gefährdern wichtig. Das können Kinder mit Eltern üben: Ich kann das und ich darf das. Sylvia Hubele gibt auch Kurse namens Starke Eltern, starke Kinder und möchte vor allem Mädchen dazu ermuntern, laut zu sein. Mädchen dürfen genauso tough, laut und wild sein wie Jungs. Diese Erkenntnis kann in Gefahrensituationen mit Fremden entscheidend sein.
Schutz und Kooperation in Kindergarten und Schule
Rund um Kindergärten und Schulen suchen sich Täter genau die Kinder, die verträumt und allein nach Hause gehen. Oder jene, die abseits der Gruppe auf dem Spielplatz unterwegs sind. Nicht selten, geben diese dann vor, Bekannte der Eltern zu sein: Mama oder Papa wären verhindert oder hatten einen Unfall und der Fremde soll das Kind nun nach Hause bringen. Kindergärten und Schulen sind meist bestens durch Jugendamt, betroffene Eltern oder die zuständigen Polizisten informiert, wenn es im Umfeld eine akute Gefahrensituation gibt. Das Kita- oder Grundschul-Personal benennt dann akute Situationen ganz klar und weist darauf hin, dass es Personen gibt, die versuchen könnten, Kinder wegzulocken.
Auf Ausflügen achten Schul- und Kita-Personal übrigens darauf, Kinder möglichst eng zu führen und im Blick zu haben, lieber Spielplätze mit Umzäunung aufzusuchen.
Familieninternes Safewort kann Kinder schützen
Grundsätzlich ist es aber immer wichtig, sich damit auseinanderzusetzen, dass Kinder von Fremden angesprochen und zum Mitgehen verleitet werden können. Deshalb ist es wichtig, Kinder innerhalb der Familie auf diese Situationen vorzubereiten. Sylvia Hubele rät dazu, mit Eltern und Kindern, für den Fall, dass es keine generelle Abholerlaubnis gibt, ein sicheres Wort zu vereinbaren. Wenn Mama oder Papa oder die Großeltern nicht abholen können, dann kennen dieses Safeword nur das Kind und der Abholer. „Es sollte etwas Vertrautes sein: Was isst Oma am liebsten, wo verlegt Opa immer seine Brille, was macht Tante Frida immer Sonntagnachmittag – diese Insiderinformationen geben Sicherheit.“
Kindern keine Angst machen
Wenn wir mit unseren Kindern darüber sprechen, nicht mit Fremden mitzugehen, dann ist es auch wichtig, unseren Kindern keine Angst zu machen. Horrorszenarien auszumalen, hilft nicht. Kinder werden stark, wenn Eltern Offenheit und Aufmerksamkeit vorleben. Je kleiner das Kind, desto einfacher sollte die Erklärung sein. Bei Kleinkindern rät Diplom-Sozialpädagogin Hubele zu Dreiwortsätzen: DAS IST SO.
Verhaltensregeln für Kinder, die von Fremden angesprochen werden:
- Abstand halten: Es ist nicht unhöflich, nicht zuzuhören und sich immer etwa zwei, drei Meter von Fremden fernzuhalten. So kann man nicht einfach gepackt werden.
- Laut reden oder brüllen: Damit macht man auch andere auf die Situation aufmerksam
- Fremde Personen immer mit „Sie“ anreden: Das signalisiert Distanz und macht auch Dritten klar, dass man sich nicht kennt
- Im Kopf behalten: Erwachsene brauchen keine Hilfe von Kindern. Sie können Erwachsene fragen.
- Nicht allein sein: bei der Gruppe bleiben! Nicht aus Angst alleine wegrennen. Zusammen flüchten oder laut werden und Abstand halten!
- Hilfe in Geschäften, Cafés oder an Haustüren suchen. Das können Eltern auf alltäglichen Wegen mit den Kindern üben.
- Mit den Eltern absprechen, wohin das Kind geht und wann es nach Hause kommt
- Sich an die vereinbarten Rückkehrzeiten halten!
Hier haben wir noch Informationen und anschauliche Beispiele von der Polizei für euch, die helfen eure Kinder stark vorzubereiten. Übrigens sind Kleidung und Ranzen mit Namen der Kinder groß darauf keine gute Idee: Damit wissen Fremde, wie das Kind heißt und können mit der persönlichen Ansprache Vertrautheit vorspielen. Je weniger ihr über eure Kinder in der Öffentlichkeit (auch in den sozialen Netzwerken) preisgebt, desto besser schützt ihr sie.
Quellen
- Gewerkschaft der Polizei: VDP-Kinderbroschüren:
https://www.gdp.de/gdp/gdp.nsf/id/de_kinderbroschueren (abgerufen am 29.06.2023) - VDP-Polizei: Umgang mit Fremden: ich weiß Bescheid …:
https://vdp-polizei.de/wp-content/uploads/2018/10/Umgang-mit-Fremden-4-seitig-Einzelseiten-klein.pdf (abgerufen am 29.06.2023)