Dieser Beitrag richtet sich an Frauen, die unter der Geburt unschöne Erlebnisse hatten, welche bis jetzt nachhallen.
Viele Frauen bleiben glücklicherweise von traumatischen Erlebnissen im Zusammenhang mit der Geburt verschont. Andere haben eine Weile an den Erinnerungen des Erlebten zu knabbern. Wieder andere entwickeln Ängste oder negative Gefühle bis hin zu einer postpartalen Depression (zum Selbsttest) – alles Folgen, die deine Beziehung zum Kind oder weitere Schwangerschaften belasten können.
Wenn du eine traumatische Geburtserfahrung hattest, empfehlen wir, sie zu bearbeiten. Tragen wir Menschen ein unbearbeitetes Trauma oder eine starke Belastung langfristig mit uns herum, kann das unser ganzes Leben und unsere Gesundheit beeinflussen. Dieser Prozess dauert seine Zeit und braucht oft Unterstützung. Aber: Jede Frau ist anders. Es gibt keine „richtige“ oder „falsche“ Art und Weise, damit umzugehen.
Hier sind einige Schritte, die dir bei der Verarbeitung helfen können:
1. Akzeptiere deine Gefühle
Erlaube dir, deine Gefühle anzunehmen, ohne sie zu verurteilen. Wenn du sie wahrnimmst und erst einmal da sein lässt, beschäftigst du dich mit ihnen. Das kann dir dabei helfen, sie eines Tages auch wieder loszulassen. Traumatische Geburtserfahrungen können Schuld-, Scham- oder Angstgefühle auslösen. All diese Gefühle dürfen sein. Praktiziere Selbstmitgefühl und erkenne an, dass du in dieser Situation dein Bestes getan hast. Und dass die Geschehnisse dennoch Folgen hatten, die sich belastend und ungut für dich anfühlen. Lass dir deine Gefühle von niemandem kleinreden. Buchtipp unserer Hebamme Emely: „Es ist vorbei – ich weiß es nur noch nicht“ von Sahib, T. (2016).
Manchen Betroffenen hilft es, den Geburtsbericht aus dem Krankenhausarchiv anzufordern. Kliniken müssen diese Dokumente 10 Jahre lang aufbewahren, du hast also Zeit. Solltest du dich beschweren wollen, ist der Geburtsbericht ein wichtiges Beweisdokument. Wenn möglich, bist du beim Lesen nicht allein.
Hast du Sorge, dass dann alles wieder hochkommt? Auch das ist verständlich und okay. Entscheide einfach nach Bauchgefühl, ob du ihn lesen möchtest oder lieber doch nicht.
Vielleicht hilft es dir auch, wenn du ihn gemeinsam mit deiner Hebamme durchgehst. Sie kann dir helfen, das Geschehene besser einzuordnen und dich gut auffangen. Du kannst auch einen Termin in der Klinik mit Arzt/Ärztin und der dich nachbetreuenden Hebamme vereinbaren, bei dem der Geburtsverlauf nachbesprochen wird.
2. Tu dir Gutes
Du hast so viel geleistet. Nimm dir nun, so oft es geht, bewusst Zeit für Selbstfürsorge. Ob du lernst, wie du persönlich am besten entspannst, ein gutes Buch liest oder anderes – was auch immer dein Nervensystem langfristig wieder reguliert und beruhigt, ist jetzt hilfreich. Auch leichter Sport wie Yin Yoga, sanftes Pilates, Schwimmen oder Spazierengehen kann nach dem Wochenbett unglaublich guttun. Höre ruhig auf die Stimme deiner Seele. Dein Körper will dir helfen, zu heilen.
3. Suche jemanden zum Reden
Der Austausch von Gefühlen und Erfahrungen kann entlastend sein. Sprich mit Menschen, denen du vertraust, sei es Hebamme, Partner, Freunde oder Familienmitglieder: Menschen, bei denen du deine Gefühle offen aussprechen kannst, ohne dass sie diese bewerten. Menschen, die dir gerne zuhören und genügend Raum schenken. Nicht alle Personen in deinem Umfeld werden deine Gefühle nachvollziehen können. Manche kompensieren eigene Erfahrungen, indem sie besonders hart zu sich selbst oder anderen sind. Aber es gibt immer Menschen, die sich gut einfühlen können. Höre auf die Stimme deines Herzens, sie wird dir sagen, welche Menschen aus deinem Umfeld das sind.
4. Professionelle Hilfe bekommst du hier
Erwäge psychologische Unterstützung in Form einer Traumatherapie. Speziell dafür ausgebildete Menschen können dir helfen, deine Gefühle zu verstehen und Strategien zur Bewältigung zu entwickeln. Eine Verordnung bekommst du in der Frauenarzt- oder Hausarztpraxis. Mit Dringlichkeitsvermerk und fehlenden Therapieplätzen bei Kassentherapeutinnen, zahlen Krankenkassen oft auch private Therapien. Das kannst du vorher telefonisch erfragen.
Andere Anlaufstellen:
- In Hebammenpraxen bekommst du Beratung, wenn du keine oder keine geeignete Nachsorgehebamme hast. Suche einfach online, zum Beispiel beim Deutschen Hebammenverband, nach einer Praxis in deiner Nähe und ruf dort an.
- Der Verein Schatten und Licht hilft Frauen, traumatische Geburtserfahrungen zu verarbeiten. Hier findest du Kontaktlisten zu bundesweiten Beratungsangeboten und Selbsthilfegruppen. Auch der Selbsthilfeverein Traum(a)Geburt e.V. kann weiterhelfen
- Hilfetelefon für Frauen mit Gewalterfahrungen: 0800 / 0 116 016. Das Hilfetelefon ist kostenlos und rund um die Uhr erreichbar. Auch Angehörige können sich beraten lassen
- Hilfetelefon nach schwierigen Geburten von Mother Hood e.V. und der ISPPM: 0228 / 92959970. Beratungszeiten sind mittwochs 12 Uhr bis 14 Uhr und donnerstags 19 Uhr bis 21 Uhr.
- Auf dem Blog von Christina Mundlos findest du eine ausführliche Liste von Heilpraktikern (meist kostenpflichtig) und Psychologen, die Therapien anbieten.
- Der Psychotherapie-Informationsdienst (PID) hilft bei der Suche nach einem Therapeuten in deiner Umgebung. Je nachdem wo du wohnst, kann es schwierig sein, zeitnah einen Termin zu bekommen. Frage deshalb auch gezielt bei deiner Krankenkasse nach.
Die Verarbeitung von traumatischen Geburtserfahrungen ist individuell und braucht Zeit. Wenn dich das Geschehene stark belastet, zögere nicht, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Du bist nicht allein, und es gibt Menschen, die dich auf dem Weg der Heilung begleiten können. Damit du die Babyzeit und, wenn gewünscht, auch eine neue Schwangerschaft möglichst entspannt genießen kannst.
Quellen
- Sahib. Tanja (2013). Es ist vorbei – ich weiß es nur noch nicht.
- Verein Traum(a)Geburt e.V.: https://traumageburtev.de/nach-der-Geburt/Informationen-fuer-Betroffene/ (abgerufen am 06.12.2023)
- Christina Mundlos: 15 Erste-Hilfe-Tipps nach traumatischer Geburt:
http://christina-mundlos.de/15-erste-hilfe-tipps-nach-traumatischer-geburt-geburtstrauma-teil-3-3/ (abgerufen am 06.12.2023)
Liebe Autorin!
In Ihrem Artikel zu diesem sehr wichtigen und leider nicht genug beachteten Thema fehlt mir der Link zum Verein „Mother Hood“, der auch ein Hilfetelefon anbietet.
Ich würde mich freuen, wenn Sie die Liste am Ende Ihres Artikels dahingehend vervollständigen würden!
Herzliche Grüße
Muriel Schatz
Vielen Dank für den Hinweis! Ich habe es nach Prüfung mitaufgenommen. Herzliche Grüße zurück