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Traumatische Geburt: Was du jetzt tun kannst

Depressive Frau nach traumatischer Geburt, Helfende Hand um das Geburtstrauma zu überwinden

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Für manche Frauen wird die Geburt zum traumatischen Erlebnis. Wenn die Bilder vom Tag der Geburt immer wieder ins Gedächtnis schießen und deinen Körper in Panik versetzen, hast du möglicherweise ein Geburtstrauma erlitten. In diesem Artikel möchten wir dir Tipps geben, wie du deine traumatische Geburt verarbeiten kannst.

Allein in Deutschland sind etwa 100.000 Frauen jährlich von Depressionen betroffen, die mit der Geburt in Verbindung stehen. Die Gründe dafür können vielfältig sein:

  • Gewalt unter der Geburt
  • Unzureichende Geburtsbegleitung
  • Starke Schmerzen, Ängste und Verunsicherung
  • Das Gefühl, ausgeliefert zu sein
  • Herabwürdigende Bemerkungen oder Handlungen von Anwesenden
  • Frühere traumatische Erfahrungen
  • Interventionen unter der Geburt
  • Stille Geburt und Fehlgeburt
  • Abweichungen vom Geburtsplan
  • Enttäuschte Erwartungen

Leider wird der Psyche junger Mütter noch immer nicht die Aufmerksamkeit geschenkt, die wichtig wäre, um Traumata und depressive Erkrankungen frühzeitig zu erkennen und zu behandeln. Die Geburt gilt als gut verlaufen, wenn Mutter und Kind körperlich gesund sind.

Selbst Frauen, die über Demütigungen oder ungeplante Interventionen sprechen, bekommen nicht selten von ihrem Umfeld die Rückmeldung „es sei doch alles gut gelaufen“, wenn sie nur augenscheinlich gesund aussehen.

Damit, wie Frauen sich in solchen Situationen fühlen und welche Spuren sie hinterlassen, beschäftigt sich die Nachsorge kaum. Deshalb fühlen sich viele Frauen so allein in ihrem Leiden. Und genau deshalb ist es wichtig, dass du dir aktiv Hilfe suchst, wenn dein Familienglück von negativen Emotionen überschattet wird und du die Szenen deiner Geburt immer und immer wieder im Kopf abspulst.

Mit den folgenden Tipps möchten wir dir Anregungen geben, was du jetzt tun kannst, um deine traumatische Geburt aufzuarbeiten.

Nimm deine Beschwerden ernst

Ein Geburtstrauma ist keine Befindlichkeit. Die peripartale Depression ist ein Krankheitsbild mit weitreichenden Folgen für Mutter und Kind.

Eine Geburt ist ein gewaltiges Erlebnis, das in jeder Frau Spuren hinterlässt. Anstrengung, Schmerzen, Unsicherheit spüren (fast) alle Frauen. Doch manche Frauen spüren noch mehr. Bei ihnen will sich die Freude darüber, ihr Baby auf die Welt gebracht zu haben nicht einstellen. Stattdessen können sie die Angst, die Erniedrigung, die Bevormundung, die Schuld, die Scham oder Trauer nicht vergessen, die sie während der Geburt gespürt haben. Die meisten Frauen spüren intuitiv, dass das, was sie unter der Geburt erlebt haben, so nicht ok war. 

Leider ist es heutzutage mehr oder weniger gesellschaftlich anerkannt, dass eine Geburt nun mal schmerzhaft ist. Wer ein Baby haben möchte, muss da eben durch. Aber nur weil es heute gang und gäbe ist, dass sich eine Gebärende eine Hebamme mit vier anderen Frauen teilt, stundenlang allein am Wehenschreiber sitzt und sich eventuell unnötiger medizinischer Interventionen unterziehen muss, sollten wir diese Missstände nicht als „normal“ ansehen. Du hast ein Recht, dich zu empören.

Egal, was du deinem Trauma geführt hat, das Gefühl ist da und deshalb verdient es deine Aufmerksamkeit.

Du bist nicht allein

Die meisten Frauen tröstet der Gedanke, dass sie nicht allein sind. Besonders wenn du von Schuldgefühlen geplagt bist kann es helfen, wenn du dir klarmachst, dass negative Geburtserfahrungen viele Frauen betreffen und eben kein persönliches Versagen sind.

Vielleicht hilft es dir, mit anderen Frauen in Kontakt zu treten. Im Internet gibt es spezifische Gruppen, in denen sich Frauen vernetzen, die seelische Verletzungen unter der Geburt erlebt haben.

Der Austausch in den Gruppen kann dir helfen, deine Erfahrungen einzuordnen. Wenn du möchtest, kannst du deine eigenen Erfahrungen teilen und dich mit anderen austauschen. Du kannst natürlich auch still mitlesen. Achte allerdings darauf, wie viel digitaler Kontakt dir wirklich guttut. Denn es kann auch belasten, zusätzlich zu deinen eigenen Erfahrungen immer wieder die schmerzlichen Berichte anderer zu lesen. Deaktiviere Pushmeldungen und nutze die Gruppen nur in dem Maß und der Form, in der sie auch heilsam für dich sind.

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Gruppen bei Facebook:

Finde jemanden zum Reden

„Es ist doch alles gut gelaufen. Das heilt wieder, gib dir etwas Zeit. Sei froh, dass die Ärzte richtig reagiert haben, deinem Baby geht es gut.“ Solche Bemerkungen können sehr verletzend sein, wenn du gerade selbst in ein tiefes emotionales Loch fällst. Denn dann ist eben nicht alles gut gelaufen. Nur weil die Verletzung äußerlich nicht sichtbar ist, heißt es nicht, dass sie nicht da ist.

Für dich ist wichtig, dass du jemanden findest, der dir zuhört und dich versteht. Das können dein Partner, deine Mutter, eine gute Freundin oder auch deine Nachsorgehebamme sein. Es kann genauso gut sein, dass sie deine Situation eben nicht nachempfinden und dir deshalb keine Stütze sein können. Vielleicht kennst du andere Mütter, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben.

Weiter unten findest du Adressen, an die du dich wenden kannst. Es gibt Vereine, Selbsthilfegruppen und andere Hilfsangebote, wo du Menschen findest, die dir zuhören und dich verstehen.

Kümmere dich um dich selbst

Es gilt als selbstverständlich, sich hinzulegen und auszuruhen, wenn man Fieber hat. Wer Glück hat, bekommt sogar noch das Mittagessen vom Mama gekocht und geliefert. Es ist schade, dass wir immer noch nicht mit dem gleichen Selbstverständnis die Verletzungen unserer Seele pflegen. Gönne dir Ruhe. Überlege, wie du dich wieder sicher und wohlfühlen kannst. Kuschle dich mit deinem Baby ins Bett, höre Musik, schau deine Lieblings-Netflix-Serie, Nimm ein Bad während Papa mit dem Baby Spazieren fährt.

Vielleicht hast du auch ein Hobby, das dir helfen kann, deine Erlebnisse zu verarbeiten wie Musik, Malen oder Schreiben. Vielleicht möchtest du dich lieber zurückziehen und brauchst viel Ruhe. Bitte um Hilfe, damit du dir diesen Raum geben kannst, um zu genesen.

Buchtipp:

In ihrem Buch Es ist vorbei – ich weiß es nur noch nicht: Bewältigung traumatischer Geburtserfahrungen* findet die Psychologin Tanja Sahib Worte für die diffusen unfassbaren Emotionen, die Mütter nach traumatischen Geburten quälen. Sie erklärt, wie es dazu kommt, dass Frauen sich nach der Geburt ihres Babys enttäuscht, allein und traurig fühlen. Und sie gibt konkrete Hilfestellungen zur Traumabewältigung, um eine Heilung zu bewirken. Das Buch enthält viele anschauliche Geschichten betroffener Eltern.

Fordere deinen Geburtsbericht an

Möglicherweise kannst du bestimmte Entscheidungen und Abläufe nicht nachvollziehen oder du hast Erinnerungslücken. Vielleicht möchtest du auch deine Erinnerung mit den Aufzeichnungen über deine Geburt abgleichen. In jedem Fall hast du ein Recht auf Einsicht in deine Patientenakte. In dieser müssen alle relevanten Informationen über deinen Krankenhausaufenthalt festgehalten werden. Sie gilt auch als Beweismittel vor Gericht.

Bitte eine von der Geburt unabhängige Hebamme, den Bericht mit dir gemeinsam durchzugehen. Er enthält möglicherweise viele Abkürzungen, die du als Laie nicht verstehst. Bis zum 10. Geburtstag deines Kindes kannst du den Bericht noch anfordern. Einige Frauen haben erst Jahre später unruhige Träume mit Bildern der Geburt.

Beschwere dich

Wenn dir körperliches und seelisches Leid zugefügt wurde, kannst du dich zur Wehr setzen. Ob äußere Umstände oder ein Fehlverhalten anderer Personen dir geschadet haben – mit der Aufklärung hilfst du auch der Geburtseinrichtung, ihre Prozesse zu prüfen und zu verbessern. Vielen Frauen tut es gut, für sich einzustehen und aus der Ohnmacht herauszukommen, indem sie sich aktiv beschweren.

Krankenhäuser verfügen in der Regel über eine Beschwerdestelle oder einen Patientenfürsprecher. Bei der unabhängigen Patientenberatung kannst du dich über mögliche rechtliche Schritte informieren. Welche Rechte du bei der Geburt hast, wie du deinen Geburtsbericht anforderst und wo du dich beschweren kannst, erfährst du in diesem Artikel.

Wenn dir das alles (noch) zu viel ist, kannst du damit beginnen, deine Erfahrungen aufzuschreiben. Versuche, nicht nur das Geschehene zu erfassen, sondern auch wie du dich dabei gefühlt hast. Du kannst deinen Brief an den Chefarzt der Klinik schicken, anderen Personen zeigen oder erst einmal für später aufbewahren. Vielen Frauen hilft es, sich durch das Schreiben mit ihren eigenen Gefühlen auseinanderzusetzen.

Globaler Tag gegen Gewalt in der Geburtshilfe

Wenn du Opfer von Gewalt geworden bist, kannst du an der bundesweiten Aktion „Roses Revolution Day“ teilnehmen. Betroffene Frauen legen am 17. November eine Rose vor die Tür ihres Kreißsaals. Du kannst einen Brief oder eine Nachricht hinterlassen. Weitere Informationen zu dem Aktionstag und der Initiative für gerechte Geburtshilfe findest du hier.

Bewege dich

Geburtstraumata resultieren häufig aus einer Grenzüberschreitung am eigenen Körper. Mitunter kann sich das ähnlich anfühlen wie sexuelle Misshandlungen. Vielleicht hat die Geburt auch seelische Wunden aus früheren (sexuellen) Erfahrungen aufgerissen.

Erlaube dir, mit deinem Körper ganz bewusst in Einklang zu kommen. Mit gezielten Yoga-Übungen kannst du deinen Körper intensiv spüren und gezielt entspannen. Vielleicht kannst du dir eine Möglichkeit schaffen, einen Kurs zu machen, der dich aus dem Babyalltag rausholt. So kannst du dich auftanken und entspannen. Du findest auch bei Youtube geführte Anleitungen speziell zur Traumaarbeit und Stressreduktion.

Natürlich hilft auch jede andere Art der Bewegung. Spaziergänge, speziell in der Natur, können sehr heilsam sein. Aber auch anspruchsvoller Sport, zum Beispiel im Verein, kann dazu beitragen, dein Körpergefühl und dein Selbstbewusstsein zu stärken.

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Gib dir Zeit und sei nachsichtig mit dir selbst

Das Wochenbett dauert 8 Wochen, weil junge Mütter Zeit brauchen um sich zu regenerieren und neue Kraft zu schöpfen. Wenn du schmerzhafte körperliche und psychische Erfahrungen gemacht hast, dauert der Prozess des Verarbeitens möglicherweise deutlich länger. Gib dir diese Zeit und erwarte nicht, dass du morgen sofort als gut gelaunte Überfliegermutter aufwachst.

Sei nachsichtig mit dir selbst. Du hast ein Recht darauf, Trauer und Wut zu empfinden und diese Gefühle sind auch wichtig, um das Erlebte zu verarbeiten. Für dich und dein Baby ist es wichtig, dass du gut zu dir bist und dir Zeit gibst, um zu genesen. Du musst nicht perfekt sein.

Sieh die kleinen Fortschritte, die du machst. Vielleicht hilft dir ein Dankbarkeitstagebuch*, in dem du jeden Tag drei schöne Momente festhältst, die du erlebt hast. Das kann helfen, deinen Fokus auf die guten Dinge zu lenken.

Hilfe bei psychischen Problemen - Traumatische Geburt: Was du jetzt tun kannst

Suche dir professionelle Hilfe

Die Geburt eines Kindes ist eine äußerst sensible Phase. Dein Körper hat sich stark verändert und Unglaubliches geleistet. Er ist immer noch starken hormonellen Schwankungen ausgesetzt. Sprich: Du hast schon sehr viel durchgemacht. Versuche nicht, alles mit dir selbst auszutragen. Damit dein Trauma sich nicht zu einer Depression auswächst, suche dir fachliche Unterstützung. Es gibt vielfältige Wege, um die zu finden.

Zunächst kannst du die Geburt mit deiner Hebamme besprechen. Die meisten Hebammen können die Verletzlichkeit gebärender Frauen besonders gut nachvollziehen und können auch die Umstände bewerten, die zu deinem Trauma geführt haben. Möglicherweise kann dich deine Hebamme auch eine Spezialistin weiterempfehlen.

Weitere Anlaufstellen sind:

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Quellen

✔ Inhaltlich geprüft am 27.02.2024
Dieser Artikel wurde von Christine Müller geprüft. Wir nutzen für unsere Recherche nur vertrauenswürdige Quellen und legen diese auch offen. Mehr über unsere redaktionellen Grundsätze, wie wir unsere Inhalte regelmäßig prüfen und aktuell halten, erfährst du hier.

Veröffentlicht von Sibylle Grenz

Als Mutter eines quirligen Kleinkindes schreibt Sibylle leidenschaftlich gern über Erziehungsthemen, aber auch Themen aus der Schwangerschaft. Gemeinsam mit unserem Hebammen- und Pädagoginnen-Team arbeitet sie Fragen der babelli-Community auf und beantwortet sie fundiert und praxisnah.

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