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Die Autonomiephase – 5 Tipps für den Umgang mit Wutanfällen

Umgang mit Wutanfällen
Wutanfälle gehören bei Kleinkindern einfach dazu / Bild © Nutlegal, Adobe Stock

Wenn Kinder älter werden, stimmen ihre Bedürfnisse und Wünsche nicht immer mit der Umwelt überein. Sie reagieren dann oft mit Wut, Enttäuschung, Traurigkeit, manchmal auch mit Angst. Früher nannte man diese Zeit Trotzphase, weil die Erwachsenen dachten, ihr Kind sei ein kleiner Tyrann und wolle sie ärgern. Es ist aber eine Zeit, in der das Kind viel selbstständiger wird. Wir zeigen an dieser Stelle, wie Eltern damit am besten umgehen können.

Die Autonomiephase fängt mit anderthalb Jahren an

Die Autonomiephase beginnt, wenn dein Kind etwa eineinhalb Jahre alt ist. Sie kann bis zum Alter von sechs Jahren dauern. In dieser Zeit kann es schon ein bisschen sprechen, ist relativ mobil und fängt an, für sich selbst zu sorgen. „Allein“ ist ein Wort, mit dem es dir sagen will, dass es seinen eigenen Willen kennt und ihn auch durchsetzen will. Dein Kind ist sich nun bewusst, dass es ein eigenständiger Mensch mit eigenem Kopf, eigenen Ideen und eigenen Handlungen ist.

Wutmichel und Trotzliese

Manche Kinder werfen sich auf den Boden, andere schreien laut und lassen sich nicht beruhigen. Das ist nicht einfach, vor allem, wenn es in der Öffentlichkeit passiert, alle zuschauen und gute Ratschläge geben. In der Autonomiephase entdeckt das Kind seinen eigenen Willen, kann aber die damit verbundenen Gefühle wie Wut, Ärger oder Angst noch lange nicht kontrollieren. Du kannst sicher sein: Dein Kind will dich nicht ärgern oder tyrannisieren. Es leidet genauso unter seinen Gefühlsausbrüchen wie du.

Die Autonomiephase ist akut

Auch wenn ein Trotzanfall oft so plötzlich kommt wie ein Gewitter, gibt es Zeiten, in denen er häufiger auftritt. Wenn dein Kind müde ist, hat es weniger Geduld und ist schneller frustriert. Dasselbe gilt, wenn du selbst unter Zeitdruck stehst. In der Autonomiephase stehen sich die Bedürfnisse der Eltern „Ich ziehe dich jetzt schnell selbst an, wir müssen los“ und der Kinder „Lass mich das allein machen!“ oft im Weg. Aus dem hilflosen Säugling ist ein Kind mit eigenem Kopf und eigener Persönlichkeit geworden. Es hat seinen eigenen Rhythmus, seine eigenen Interessen und Gefühle.

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5 Tipps für die der Autonomiephase

Wichtig ist in jedem Fall: So ruhig wie möglich bleiben. Das hört sich einfacher an, als es oft ist. Vielleicht hilft es, wenn du dir immer wieder bewusst machst, dass dein Kind dich nicht ärgern will.

1. Tipp: Gefühle verbalisieren

Sag deinem Kind, welche Gefühle du bei ihm wahrnimmst. So kann dein Kind besser verstehen, was es gerade erlebt und was mit ihm passiert: „Dein Ball ist weggerollt. Und jetzt bist du ganz traurig.“ Oder: „Du ärgerst dich, weil du nicht auf der Mauer balancieren darfst. Das ist zu gefährlich und außerdem verboten“. Indem du deinem Kind die Gefühle nennst, kann es diese irgendwann selbst erkennen. Bei Farben und anderen Dingen machst du es ja ähnlich. Damit stärkst du die emotionale Entwicklung deines Kindes und es lernt allmählich, die Gefühle einzuordnen. 

2. Tipp: Körperkontakt

Manchmal hilft es, wenn du dein Kind fest in den Arm nimmst. Wird es von seinen Gefühlen überwältigt, kann es sich so wieder fangen. Andere Kinder ziehen sich lieber zurück. Wieder andere Kinder mögen es, wenn man sie sanft streichelt. Du musst einfach ausprobieren, was deinem Kind hilft. Bist du selbst sauer auf dein wütendes Kind, solltest du es nicht zu fest anpacken: Versuch stattdessen, selbst Ruhe zu bewahren. 

3. Tipp: Ortswechsel

Wechsle den Ort. Gehe einfach in einen anderen Raum, verlasse den Supermarkt oder drehe dich zumindest um, sodass du eine andere Blickrichtung hast. Manchmal reicht das schon. Wälzt sich dein Kind im Supermarkt auf dem Boden und schreit, weil es etwas haben möchte? Du kannst sicher sein, dass alle im Umkreis zusehen, was du machst. Als meine Jüngste einen solchen Wutanfall hatte, habe ich sie geschnappt, ins Auto gesetzt und bin nach Hause gefahren. Den vollen Einkaufswagen habe ich einfach stehen gelassen. Zu Hause war ich selbst wieder ruhig und gelassen und konnte mit ihr darüber sprechen. 

4. Tipp: Ankündigungen

Ist dein Kind in ein Spiel vertieft, reiße es nicht abrupt heraus. Kündige rechtzeitig an, dass es gleich etwas zu essen gibt oder dass es sich anziehen soll: „In fünf Minuten hole ich dich“. Auch wenn dein Kind nicht genau weiß, wann fünf Minuten vorbei sind, lernt es, dass es sich langsam vom Spiel verabschieden muss. 

5. Tipp: Nicht verunsichern lassen

„Ich will Schokolade! Ich will! Maaamaaaa!“ Probt dein Kind im Supermarkt den Aufstand, wird es richtig laut. Manche Kinder fuchteln dabei wild mit den Armen, andere werfen sich theatralisch auf den Boden. Da bleiben prüfende Blicke oder genervtes Kopfschütteln selten aus. Oft gibt es ungebetene Ratschläge: „Dem Kind sollten die Ohren langgezogen werden“ oder: „Bei uns hätte es das nicht gegeben!“. 

Lass dich nicht von anderen verunsichern. Wenn der Wutanfall öffentlich ist, fühlen sich andere oft gestört. Vielleicht kannst du sie ignorieren, vielleicht hilft es, mit ihnen zu reden.  

Mit der Zeit kannst du die Vorzeichen eines Wutanfalls rechtzeitig erkennen: Oft ist dein Kind müde, nörgelt und nichts passt ihm. Du kannst versuchen, dem Kind mehr Aufmerksamkeit zu schenken oder ihm mehr Zeit zu geben. Manchmal lässt sich so ein Wutanfall verhindern.

Ist dein Kind mit drei bis vier Jahren schon etwas älter, zeige ihm, wie es seine Wut kontrollieren kann. Vielleicht hilft es, mit den Füßen zu stampfen, in ein Kissen zu boxen oder einen Ball zu quetschen.

So erklärt die Hirnforschung die Autonomiephase

Die oft ungezügelte Wut in der Autonomiephase hängt eng mit der Entwicklung des kindlichen Gehirns zusammen. Der Hirnstamm, der älteste Teil des Gehirns, ist von Geburt an funktionsfähig. Hier werden Atmung, Herzschlag, Verdauung und das endokrine Hormonsystem gesteuert – alles, was zum Leben notwendig ist. Auch Schmerz, Hunger und Temperatur werden in diesem Bereich wahrgenommen. Die anderen Bereiche des kindlichen Gehirns entwickeln sich dagegen nach und nach

Der Wutanfall im Gehirn

Passiert etwas, womit dein Kind gerade nicht klarkommt, wird es von seinen Gefühlen überschwemmt. Dabei ist der Teil des Gehirns, in dem die Gefühle ihren Sitz haben, hochaktiv. Die Vernunft in der Großhirnrinde jedoch blockiert. Die Gefühle sind so stark, dass es zu einem Wutausbruch kommt. Während du als Erwachsener die Großhirnrinde wieder aktivieren kannst, muss dein Kind dies erst lernen und die dafür notwendigen Verschaltungen im Gehirn entwickeln. Je geduldiger du deinem Kind dabei hilfst, desto besser wird es das schaffen. Unter Angst und Stress dauert die Entwicklung dagegen länger. 

Hirnforschung bestätigt: Liebevolle Erziehung ist Voraussetzung

Die moderne Hirnforschung kann im Magnetresonanztomographen nachweisen, dass die Vermutungen der Pädagogen richtig sind: Unter liebevollen Bedingungen lernt dein Kind besser. Das auf diese Weise vermittelte Wissen wird leichter im Gedächtnis gespeichert und mit den bereits vorhandenen Erfahrungen in Verbindung gebracht.

Damit dein Kind gemeinsam mit dir gut durch die Autonomiephase kommt und dabei lernt, ist eine liebevolle Erziehung Voraussetzung. Dein Kind braucht dich zur Orientierung: So lernt es am besten, Erfahrungen und Gefühle einzuordnen. Das gelingt besonders gut, wenn du es als eigenständige Persönlichkeit behandelst. Du kannst dich dabei einfach nach deinem Kind richten: „Wer liebt, lässt Kinder ihren Lernstoff selbst bestimmen“, sagt der Hirnforscher Gerald Hüther. Jedes Kind hat seine eigenen Interessen, sein eigenes Tempo. In einem Interview wies der Hirnforscher darauf hin, dass es Kinder gibt, die leichter durch diese Autonomiephase kommen. Das sind diejenigen, die „sich um ihrer selbst Willen gemocht und angenommen fühlen“, sagt er. 

Dein Kind hat eine eigenständige Persönlichkeit

Willst du dein Kind gut in der Autonomiephase begleiten, solltest du kurz nachdenken: Wie wichtig ist Freiheit und Autonomie für dich? Wie streng oder wie gelassen waren deine Eltern, als du selbst in dieser Phase warst? Haben sie dich eher gestraft? Dann ist es für dich zwar schwerer, wenn du dein Kind gelassener erziehen willst, aber möglich. Akzeptiere einfach dein Kind als eigenständige Persönlichkeit und stell dich auf diese Entwicklung ein. Nimm es vielleicht ebenso gelassen hin, wie die Tatsache, dass es immer wieder aus seinen Anziehsachen herauswachsen wird.

Achte auf dich selbst

Ist der Alltag mit deinem Kleinkind anstrengend oder kannst du dich auch mal ausruhen? Unterstützt dich jemand, wenn dein Kind einen Wutanfall hat, und kannst du mit anderen darüber reden? Wie gut du die Autonomiephase gemeinsam mit deinem Kind meisterst, hängt auch von dir ab. Ohne Geduld und Kraft geht es nicht. Bist du selbst zu erschöpft, fehlt dir die nötige Ruhe und Gelassenheit. Deshalb ist die Unterstützung durch Partner oder Freunde so wichtig. Dein Kind braucht dich – und es liebt dich auch dann, wenn es wütend ist und dir ein „Nein!“ entgegen brüllt.

Quellen

  • Remo H. Largo: Babyjahre, Die frühkindliche Entwicklung aus biologischer Sicht, Piper Verlag
  • Remo H. Largo: Kinderjahre, Die Individualität des Kindes als erzieherische Herausforderung, Piper Verlag
  • Danielle Graf und Katja Seide: Das gewünschteste Wunschkind aller Zeiten: der entspannte Weg durch Trotzphasen, Beltz Verlag
  • Daniel Siegel und Mary Hartzell: Gemeinsam leben, gemeinsam wachsen, Arbor Verlag
    Naomi Aldort: Von der Erziehung zur Einfühlung, Arbor Verlag
  • Jesper Juul: Grenzen, Nähe und Respekt, Rowohlt Verlag
  • Herbert Renz-Polster: Menschenkinder, Kösel Verlag
  • Hermann Hobmair „Psychologie“, Bildungsverlag EINS
  • Hermann Hobmair „Pädagogik“, Bildungsverlag EINS
  • WDR Quarks: Wie wir lernen
    https://www.wdr.de/tv/applications/fernsehen/wissen/quarks/pdf/Q_Lernen_2.pdf (abgerufen am 16.03.2023)
  • Geo.de: Warum wir manchmal wütend werden und was in unserem Körper passiert
    https://www.geo.de/geolino/mensch/19476-rtkl-wut-warum-wir-manchmal-wuetend-werden-und-was-unserem-koerper-passiert (abgerufen am 16.03.2023)
Veröffentlicht von Sylvia Hubele

Sylvia hat Sozialpädagogik an der Uni Kassel studiert und war in der Forschungswerkstatt Kinderanalyse unter Prof. Dr. Hilde Kipp. Als zertifizierte PEKIP-Gruppenleiterin begleitet sie in bisher mehr als 20 Jahren viele Mütter mit ihren Babys.

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