Babys erkennen schon im ersten Jahr, wenn sich Menschen „daneben benehmen“.
Menschen, die sich nicht an die Regeln halten, begegnet man in diesen Zeiten immer öfter. Aber wusstest du, dass scheinbar schon Babys ein solches „Fehlverhalten“ erkennen können und sich darüber gehörig wundern? Aber der Reihe nach …
Was ist ungewöhnlich, und was nicht?
Soziale Normen spielen in der menschlichen Gesellschaft und auch im Tierreich eine große Rolle. Die oft ungeschriebenen Regeln legen fest, was als akzeptiert gilt und was nicht, wie wir kooperieren und miteinander umgehen. Auch wenn immer weniger Einigkeit darüber zu herrschen scheint, was dazugehört: Ein paar Grundregeln gibt es eben doch:
Zurückzugrüßen gehört dazu, die Art der Begrüßung fremder oder bekannter Personen, sich beim Sprechen anzuschauen, Dinge miteinander zu teilen und vieles mehr. Meist ist uns gar nicht bewusst, dass wir uns regelkonform verhalten (oder auch nicht).
Eine neue Studie, die im anerkannten Wissenschaftsmagazin „Nature“ veröffentlicht wurde, ergab nun, dass bereits Babys im Alter von 11 Monaten ein grundlegendes Verständnis dafür entwickelt haben, welches Verhalten im Vergleich zur Gruppe eher ungewöhnlich ist und welches „normal“. Sie verstehen manche ungeschriebenen Regeln also, bevor sie sie selbst anwenden können.
Woran die Forschenden das festmachten? Sie zeigten den Babys kleine Filmchen, in denen stark vereinfachte Figuren miteinander auf eine bestimmte Weise interagierten. Die Reaktionen waren überwiegend sehr deutlich: geweitete Pupillen – eine Überraschungsreaktion –, wenn die Kinder mit unerwarteten sozialen Reaktionen konfrontiert wurden.
Insbesondere wunderten sich die Babys, wenn eine der Figuren, die sich wie die anderen verhielt, dennoch abgelehnt und ausgeschlossen wurde, oder wenn eine Figur, die von der Norm abwich, Zustimmung für dieses Verhalten bekam. Das passte für sie scheinbar nicht zusammen.
Was die Ergebnisse bedeuten könnten
Diese Ergebnisse legen nahe, dass Babys bereits im Alter von 11 Monaten erkennen können, dass es wichtig ist, sich an soziale Normen anzupassen, weil sie die Grundlage dafür sind, gut miteinander auszukommen – und das kann am Ende überlebenswichtig sein. Ob man Bewertungen nun mag oder nicht: Andere danach einzuschätzen, ob sie sich an Regeln halten, passiert automatisch. Es ist zutiefst menschlich.
Das frühe Verständnis für soziale Normen könnte eine wichtige Rolle bei der Entwicklung von moralischem Verhalten und sozialer Kompetenz spielen. Und es zeigt möglicherweise, wie wichtig es ist, dass Kinder nicht isoliert aufwachsen. Vielleicht ein Grund, warum ein friedliches Miteinander in Kita und Schule schwieriger geworden ist, nachdem manche Kinder in den Corona-Lockdowns lange zu Hause bleiben mussten? Und auch die Zeit, die mit Medienkonsum verbracht wird, fehlt ihnen, um das Verhalten in Gruppen im wahren Leben zu üben. Auch deshalb schadet zu viel Bildschirmzeit der Entwicklung emotionaler Intelligenz.
Ob schon Babys unter 11 Monaten zu den untersuchten Einschätzungen fähig sind, hatten die Forschenden übrigens nicht getestet. In Zukunft könnten weitere Studien erforschen, wie früh sich ein solches erstes Verständnis für soziale Normen entwickelt und welche anderen Prozesse daran beteiligt sind. Dies könnte dazu beitragen, ein umfassenderes Bild davon zu erhalten, wie Menschen zu kompetenten Mitgliedern ihrer sozialen Gruppen heranwachsen und wie soziale Normen die menschliche Gesellschaft formen.
Für uns als Eltern heißt das: Schon unsere Babys wollen Teil einer Gruppe sein und sind möglicherweise entspannter, wenn sich ihre Familie sozial verhält. Und das ist doch etwas, woran wir alle arbeiten können, oder nicht?