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Warum wir uns bei unseren Kindern entschuldigen sollten

Entschuldigen bei Kindern: Mutter tröstet 2-jähriges Kind

Für unsere Fehler geradezustehen und uns aufrichtig zu entschuldigen, ist oft gar nicht so leicht. Und gerade bei unseren Kindern fällt es uns besonders schwer. Anders als Erwachsene halten sie uns nämlich keinen Spiegel vor. Schreien wir, kommen sie zu der Überzeugung, es ist ihre Schuld. Wenn wir meckern ist klar, sie haben etwas angestellt. Dass auch Erwachsene emotionale Wesen sind, die nicht immer angemessen reagieren und noch viel mehr, lernen sie, wenn wir uns entschuldigen.

Jedem Elternteil platzt irgendwann die Hutschnur. Bei manchen passiert das schneller, bei anderen langsamer. Doch wir alle haben ganz persönliche Auslöser, die uns triggern. Und dann schreien, meckern oder strafen wir. Nicht selten ist unser Verhalten der Situation nicht angemessen. Wenn du dir darüber bewusst wirst, das du überreagiert hast, ist das der erste Schritt, um dich wieder mit deinem Kind zu verbinden.

Was dein Kind lernt, wenn du dich entschuldigst

  • Auch Erwachsene machen Fehler
  • Niemand muss immer perfekt sein
  • Meine Mama / mein Papa nehmen meine Gefühle wahr
  • Meine Eltern behandeln mich auf Augenhöhe
  • Fehler darf man vor sich und anderen eingestehen
  • Man kann sich sogar um Wiedergutmachung bemühen
  • Es fühlt sich besser an, Konflikte zu lösen, als sie mit sich herumzutragen
  • Es tut gut, zu verzeihen
  • Wenn ich mal einen Fehler mache, kann ich mich entschuldigen
  • Es ist nicht meine Schuld

Was du selbst lernst, wenn du dich bei deinem Kind entschuldigst

Wer sich entschuldigt, muss sein eigenes Verhalten reflektieren

Schon bevor wir uns bei unseren Kindern entschuldigen, muss eines in unseren Köpfen passieren: Wir müssen uns darüber im Klaren werden, dass wir unangemessen reagiert haben. Sein eigenes Verhalten im Kontext zu überprüfen und zu analysieren, ist eine Fähigkeit, die du trainieren kannst. Jedes Mal, wenn du innehältst und einen Konflikt in deinem Kopf Revue passieren lässt und dich fragst, welche Rolle du darin gespielt hast, schulst du deine Fähigkeit, zu reflektieren. Und je mehr du das tust, desto weniger wirst du zukünftig die Schuld für dein Unbehagen im Verhalten anderer suchen.

Du könntest dich beispielsweise fragen: „Was ist hier eigentlich schiefgelaufen? Was war meine Rolle in dem Ganzen? Habe ich dazu beigetragen, den Konflikt zu verschärfen?

Das Tolle an der Fähigkeit zur Reflexion ist, dass sie mit der Zeit automatisch zu dir kommt. Irgendwann denkst du nicht mehr über dein Verhalten nach, wenn es schon passiert ist, sondern du hältst in dem Moment inne, in dem du dein Kind anschreien möchtest. Dann denkst du vielleicht so was wie „Moment mal. Mein Kind will sich gerade nicht anziehen und das macht mich richtig wütend. Ich bin offenbar wieder gestresst, weil ich Angst habe zu spät zur Arbeit zu kommen.“ Und an diesem Punkt kannst du einerseits deinem Kind – ohne zu meckern – ganz ehrlich sagen, was sein Verhalten in dir auslöst. Andererseits kannst du prüfen, ob deine Angst gerechtfertigt ist. Oder du kannst überlegen, was du zukünftig ändern kannst, um diese Angst nicht mehr zu spüren (früher aufstehen, Kleidung herauslegen, Partner um Hilfe bitten, Gleitzeit vereinbaren).

Merkst du, wie viel hilfreicher dieses Denkmuster ist, anstatt zu sagen „Mein Kind hat gebockt, es ist schuld, dass ich zu spät komme“?

Sich zu entschuldigen ist also nicht nur ein Akt, um sein Gewissen vor dem anderen zu beruhigen. Es hilft dir langfristig, dich selbst besser zu verstehen und einen positiven Blick auf dein Kind zu haben.

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Soforthilfe in verzwickten Situationen: Nochmal von vorn beginnen

Wenn die Gemüter erhitzt sind und du merkst, dass du mit deinem Kind gerade in einem hässlichen Streit steckst, bist du vielleicht noch gar nicht in der Lage, dich zu entschuldigen. Oft wird einem ja erst viel später bewusst, dass man sich selbst auch nicht gerade hilfreich verhalten hat. Es gibt einen Satz, der dir sofort helfen kann, die Situation zu entschärfen:

Lass uns noch mal von vorn anfangen!

Mit diesem Satz gibst du euch beiden die Möglichkeit, der verzwickten Situation zu entkommen und es einfach noch mal neu und anders zu versuchen. Und du verhinderst, dass sich der Streit noch mehr hochschaukelt.

Der Satz wird nicht immer sofort funktionieren, aber je mehr du die Taktik anwendest, desto mehr gewöhnt sich dein Kind daran.

Wofür du dich entschuldigen solltest

Natürlich musst du dich nicht für alles entschuldigen, was deinem Kind Unbehagen bereitet. Ein Umzug, ein neues Baby oder Brokkoli zum Abendbrot – das sind alles Entscheidungen, die du getroffen hast und hinter denen du auch stehen kannst und solltest. In solchen Situationen hilft es deinem Kind, wenn du seine Gefühle wahrnimmst und akzeptierst. Du könntest sagen: „Du magst das neue Haus nicht. Du wärst lieber in der alten Wohnung geblieben.“. Und nun kannst du deine Entscheidung ausführen. Dein Kind muss sie ja nicht toll finden.

Entschuldigen solltest du dich nur für eigenes Fehlverhalten. Du hast dein Kind angeschrien, weil es nicht die Zähne putzen wollte? Du hast viel zu viel gemeckert, wegen eines heruntergefallenen Glases? Du steckst so sehr im Weihnachtsstress, dass du deine Launen an deinem Kind auslässt? Das alles sind gute Gründe, um dich bei deinem Kind zu entschuldigen.

Mit einer Entschuldigung kommst du wieder mit deinem Kind in Verbindung

Wenn du dein Kind zurechtgewiesen oder ungerecht behandelt hast – selbst wenn du aus deiner Sicht einen triftigen Grund hattest – fühlt es sich unverbunden und allein mit seinem Kummer. Wahrscheinlich schämt es sich oder ist wütend.

Durch deine liebevolle Annäherung und deine Entschuldigung kann dein Kind wieder mit dir in Verbindung kommen. Es kann die negativen Gefühle, die Scham und das schlechte Gewissen loslassen und wieder neuen Mut fassen.

Wenn du dich anschaulich entschuldigst, schulst du das Einfühlungsvermögen deines Kindes

Dein Kind hat noch keinen Kompass, welche Verhaltensweisen von Erwachsenen angemessen sind und welche nicht. Oft suchen Kinder bei sich selbst die Schuld. Meistens fehlen ihnen die Erfahrung und die Worte, um Konflikte mit anderen für sich stimmig aufzuschlüsseln. Aus diesem Grund solltest du dich anschaulich bei deinem Kind erklären.

Erläutere genau, welche Verhaltensweisen von dir nicht in Ordnung waren und warum. Erkläre, wie du dich gefühlt hast und wie dein Kind sich wohlgefühlt haben mag. Wenn du den Konflikt noch einmal abspielst und anschaulich erklärst, hilfst du deinem Kind zu verstehen und zu lernen. Erkläre aber nur so viel, wie dein Kind auch aufnehmen kann, mit einfachen Worten, die es versteht.

Wenn du dich anschaulich entschuldigst, wird dein Kind sehen, dass du dein eigenes Verhalten reflektierst. Es wird (langfristig) verstehen, dass es immer verschiedene Sichtweisen gibt und es sinnvoll ist, sich in den anderen hineinzuversetzen. Und es wird lernen, dass es nicht von Schwäche zeugt, sich zu entschuldigen. Im Gegenteil: Eine Entschuldigung ist mutig und aufrichtig. Ich gestehe meine eigenen Fehler ein und zeige mich so verletzlich und versöhnlich, auch mit mir selbst.

Warum du dein Kind nicht zwingen solltest, sich zu entschuldigen

Schön und gut, dass du dich entschuldigen solltest. Aber du findest, dass auch dein Kind für sein Verhalten gerade stehen sollte?

Erzwungene Entschuldigungen von Erwachsenen haben meist mehrere Schwachstellen:

  • Wir verstehen die Situation nicht richtig und handeln vorschnell.
    Wir sehen, unser Kind hat einem anderen Kind etwas weggenommen. Um unser Gesicht vor dem anderen Elternteil nicht zu verlieren, versuchen wir die Situation ganz schnell aufzulösen und zwingen unser Kind zu einer Entschuldigung. Das Problem: Wir wissen nicht, was der Situation vorangegangen ist. Und wir geben unserem Kind nicht die Möglichkeit, den Konflikt selbst zu lösen. Unser Kind versteht womöglich gar nicht, was eigentlich das Problem ist.
  • Erzwungene Entschuldigungen sind keine Wiedergutmachung.
    Wenn wir unser Kind zur Entschuldigung zwingen, signalisieren wir ihm „Du musst dich nur entschuldigen, wenn du etwas anstellst. Dann ist es gegessen.“. Irgendwann geht diese erzwungene Entschuldigung in einen Automatismus über. Das Kind verletzt eine andere Person, sagt schnell Entschuldigung und hat nichts aus der Situation gelernt.
  • Wir erwarten zu viel von unseren Kindern
    Das ein Einjähriges Kind ein anderes haut, ist völlig normal und altersangemessen. Das heißt nicht, dass du das Verhalten einfach hinnehmen solltest. Natürlich muss das „Opfer“ geschützt werden. Aber sinnvoller als eine Entschuldigung ist, dass du neutral erklärst, was das andere Kind fühlt. Dein Kind kann das nämlich noch gar nicht wissen und nachvollziehen. Es lernt ja erst ganz langsam und mit deiner Hilfe, dass sein Verhalten dem anderen weh tut.
  • Wir geben unserem Kind keine Zeit.
    Oft erzwingen wir eine Entschuldigung, weil wir selbst schnell die Schuld loswerden möchten, die wir empfinden, wenn unser Kind sich falsch verhält. Wenn dein Kind überhaupt schon kognitiv dazu in der Lage ist zu erkennen, dass sein Verhalten falsch ist, braucht es dafür aber auch Zeit. Auch wir selbst müssen nach einem Streit erst mal einen klaren Kopf bekommen, bevor wir die ein oder andere Situation noch einmal für uns neu bewerten können. Deinem Kind geht es genauso. Je schneller wir eine Entschuldigung erzwingen, desto mehr nehmen wir unserem Kind also die Möglichkeit, durch diesen Prozess zu gehen und zu lernen.

Tatsächlich lernt dein Kind am besten durch gutes Vorleben. Wenn in deiner Familie Vertrauen, Respekt, Einsicht und Nachsicht geübt werden, dann wird dein Kind das übernehmen. Wenn du dich aufrichtig entschuldigst, dann wird dein Kind genau das lernen. Nicht sofort, das wäre auch viel zu viel verlangt. Aber langfristig. Und du selbst kannst genauso davon profitieren.

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Quellen

✔ Inhaltlich geprüft am 12.05.2022
Dieser Artikel wurde von Janett Scheck geprüft. Wir nutzen für unsere Recherche nur vertrauenswürdige Quellen und legen diese auch offen. Mehr über unsere redaktionellen Grundsätze, wie wir unsere Inhalte regelmäßig prüfen und aktuell halten, erfährst du hier.

Veröffentlicht von Sibylle Grenz

Als Mutter eines quirligen Kleinkindes schreibt Sibylle leidenschaftlich gern über Erziehungsthemen, aber auch Themen aus der Schwangerschaft. Gemeinsam mit unserem Hebammen- und Pädagoginnen-Team arbeitet sie Fragen der babelli-Community auf und beantwortet sie fundiert und praxisnah.

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