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Eltern müssen nicht perfekt sein, damit Kinder gut aufwachsen

Good enough mother statt perfekt
Gut genug reicht völlig aus. / Bild © globalmoments, Adobe Stock

Die Erwartungen an Eltern sind hoch. Wenn du Mutter oder Vater wirst, merkst du das schnell. Passt das Temperament deines Kindes nicht in die Umgebung, lasten andere Menschen sein Verhalten gerne der elterlichen Erziehung an. Dabei ist es für dein Kind gut, wenn du nicht perfekt bist. Warum? Das zeigen wir dir jetzt!

Lieber nicht perfekt sein

Der Anspruch „perfekt“ zu sein, wenn es um die Erziehung des eigenen Kindes geht, ist weder sinnvoll noch realistisch. Du musst also weder ständig gute Laune verbreiten, noch immer für dein Kind zum Spiel zur Verfügung stehen oder stets pädagogisch richtig handeln. Trotzdem ist der Druck groß und die Erwartungen überdurchschnittlich.

Benimmt sich dein Kind in der Öffentlichkeit unangemessen, hast du es nicht richtig erzogen – so die landläufige Meinung. Verhalten sich Kinder dagegen angepasst und durchschnittlich, ist alles richtig. Dabei hat jedes Kind sein ganz eigenes Temperament, seine ganz eigene Art und ihr als Eltern seid eben auch ganz einzigartig – und zum Glück nicht perfekt. 

Gut genug als „good-enough mother“

Donald W. Winnicott (1896 – 1971) war ein englischer Kinderarzt und Psychoanalytiker. Von ihm stammt der Begriff „good-enough mother“, der sich mit „ausreichend gute Mutter“ übersetzen lässt. Er war der Ansicht, dass eine Mutter bei der Erziehung ihres Kindes lieber auf ihre Gefühle hören sollte:

Nach der Geburt des Kindes darf sie zunächst die Bedürfnisse ihres Kindes wahrnehmen und auch erfüllen. Das stand damals im Gegensatz zu den Konzepten, nach denen Kinder nicht verwöhnt werden sollten. Je älter das Baby jedoch wird, desto mehr kann es selbst. Erfüllt die Mutter dann nicht mehr jedes Bedürfnis sofort, lernt das Kind, dass es selbst eine Lösung finden kann. Als unvollkommene Mutter, die eben nicht sofort springt, fördert sie das Kind, sich selbst mit der Welt auseinanderzusetzen und somit Schritt für Schritt unabhängig und selbstbewusst zu werden.

Damit war Winnicott der Erste, der Mütter ermutigte. Sie müssen nicht mehr – wie in Ratgebern propagiert – die perfekte, hingebungsvolle Mutter sein. 

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Vertrauen ist die Basis

Winnicott war nicht der einzige Forscher, der sich damit beschäftigt hat, was es eigentlich heißt, „gut genug“ für Kinder zu sein. Andere Forscher erklärten, dass Babys und Kleinkinder ein grundlegendes Vertrauen zu ihren Eltern aufbauen müssen. Sind diese dann gestresst, müde, schlecht gelaunt oder einfach erschöpft, können sie möglicherweise nicht sämtliche Bedürfnisse ihres Kindes adäquat erfüllen. Weiß das Kind jedoch, dass die Eltern grundsätzlich zugewandt sind, vertraut es darauf, dass seine Bedürfnisse später erfüllt werden. 

Daher ist es nicht so wichtig, dass du dein Kind jederzeit perfekt begleitest. Wichtig ist jedoch, dass es dir vertraut und sicher ist, dass du es verstehst und du es in seinen Bedürfnissen „siehst“. Machst du einen Fehler, oder kommt es zu einem Konflikt, sollte dein Kind sicher sein, dass du es trotzdem liebst und ihm zugewandt bleibst. 

Winnicott bezeichnet „gut genug“ sein als Grundlage, nicht als konkrete Handlungsanweisung. Es geht auch nicht um bestimmtes Spielzeug oder Produkte, sondern immer um das jeweilige Bedürfnis deines Kindes – auch wenn dieses nicht immer und sofort erfüllt werden kann oder es einmal schwieriger wird. 

So erkennst du, ob du „gut genug“ bist 

Mutter oder Vater wirst du zwar mit der Geburt deines Kindes, doch es ist ein langer Prozess des Lernens und der eigenen Entwicklung. Dabei kommt es auf Folgendes an: 

  • Hör deinem Kind gut zu und nimm es ernst. Aber achte auch auf dich selbst und deine eigenen Grenzen. 
  • Richte deinen Fokus auf die gelingenden Momente. 
  • Sei nachsichtig deiner eigenen Geschichte gegenüber. 
  • Reflektiere deine Haltung und Werte. Dazu gehört auch, zu prüfen, ob sie noch in die heutige Zeit passen. 
  • Frag dich immer wieder: Ist das, was du mit deinem Kind erlebst, wirklich das, was du willst? 

Ignorierst du dagegen die Bedürfnisse deines Kindes, sagst ihm, wie es zu sein hat, ist das nicht so hilfreich. So findet ihr beide nicht heraus, wie das Kind wirklich ist. Es kommt auf die Balance an. Das bekommen – laut einer Metastudie von Martin Dornes – die meisten Eltern gut hin. Sie widmen ihren Kindern viel Zeit und sind im Umgang mit ihnen kompetenter, als sie oft selbst von sich glauben. 

Wichtig: Kinder beanspruchen viel Aufmerksamkeit. Und das ist auch gut so. Trotzdem ist es dein Recht als Mutter oder Vater, deine persönliche Grenze zu kommunizieren. 

Perfektionismus ist ungünstig

Kinder sind von Natur aus widerstandsfähig. Das gilt für viele Dinge, auch für die elterlichen Fehler. Begreifst du dein Leben mit deinem Kind als mögliche Entwicklung für alle, ist das wunderbar. 

Wird das Kind jedoch als „Projekt“ wahrgenommen, dient es eher zur Verlängerung der elterlichen Identität. Damit lernt das Kind nur, wie es Mutter oder Vater gefällt und wie es gut funktioniert. Es lernt nicht, wer es selbst sein könnte. 

Willst du selbst perfekt sein, lernt dein Kind, dass Perfektion wichtig ist. Dabei haben alle Menschen Unzulänglichkeiten, aber auch ihre Stärken. Die Kinder sehen nicht, wie ihre Eltern mit ihren Fehlern und Unzulänglichkeiten umgehen. Sie sehen nur die perfekte Rolle ihrer Eltern – erleben sie jedoch nicht als wahre Personen. 

Fazit: Für das Kind ein sicherer Hafen sein

Dein Kind braucht dich. Es braucht dich als Mama oder Papa, der für es da ist. Es braucht niemanden, der sagt: „Das habe ich doch gleich gewusst“. Eltern sollten die Fehler der Kinder aushalten und deren Realität bestätigen. Erleben Kinder die Konsequenzen selbst, lernen sie aus eigener Erfahrung. Das ist weder leicht noch gelingt es immer. Doch dein Kind lernt mit der Zeit, seine Probleme selbst zu lösen und wird toleranter gegenüber Frustrationen. Dafür braucht es Eltern, die „gut genug“ sind – und nicht perfekt.

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Quellen

Veröffentlicht von Sylvia Hubele

Sylvia hat Sozialpädagogik an der Uni Kassel studiert und war in der Forschungswerkstatt Kinderanalyse unter Prof. Dr. Hilde Kipp. Als zertifizierte PEKIP-Gruppenleiterin begleitet sie in bisher mehr als 20 Jahren viele Mütter mit ihren Babys.

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