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Können Männer stillen?

Können Männer stillen?
Können Männer stillen? / Bild © _chupacabra_, Adobe Stock

Stillen ist uns Frauen vorbehalten. Oder etwa doch nicht? Können Männer stillen? Wir sind dieser kurios anmutenden Frage einmal nachgegangen. Die Antwort ist nicht so eindeutig, wie du vielleicht denkst.

Du hältst es für eine absurde Idee, dass Männer stillen können? Das dachten wir auch. Bis wir der Frage genauer nachgegangen sind. Denn grundsätzlich haben Männer anatomisch durchaus die Voraussetzungen, einem Baby die Brust zu geben. Sie verfügen über Brustwarzen, Drüsen und Milchgänge. Weshalb stillende Väter dennoch Einzelfälle sind, verraten wir dir jetzt.

Die vorgeburtliche Entwicklung bei Jungen und Mädchen

Können Männer stillen? Um diese Frage zu beantworten, ist ein kleiner Exkurs nötig. Es gilt, die vorgeburtliche Entwicklung näher unter die Lupe zu nehmen.

Ein Embryo trägt zu Beginn weibliche und männliche Geschlechtsanlagen in sich. Bis zur 7. Schwangerschaftswoche ist das Geschlecht nicht festgelegt. In diesen ersten Wochen bilden sich bereits die Brustdrüsen. Auch wenn sich der Embryo im weiteren Verlauf zu einem Jungen entwickelt, sind die Brüste samt Brustdrüsen somit bereits angelegt. Das ist übrigens der Grund, weshalb auch männliche Babys manchmal die sogenannte Hexenmilch bilden.

Männer haben somit rein anatomisch die Anlagen fürs Stillen. Aber: Erst mit den weiblichen Sexualhormonen, die in und nach der Pubertät vom Körper gebildet werden, differenzieren sich die Milchdrüsen vollständig aus. Bei Männern bleiben sie hingegen „verkümmert“. Die Schwangerschaftshormone, die der weibliche Körper in der Schwangerschaft produziert, tragen ihr Übriges dazu bei, dass es Frauen möglich ist, ein Baby zu stillen. Männer haben zu wenige weibliche Sexualhormone in sich. Daher sind stillende Väter normalerweise ein theoretisches Konzept.

Was ist Hexenmilch?

Während der Schwangerschaft können über die Nabelschnur weibliche Hormone in den Blutkreislauf und somit zum Baby gelangen. Einige Neugeborene produzieren daher nach der Geburt Milch. Dieses als Hexenmilch bezeichnete Phänomen tritt auch bei Jungen auf.

Was stimmt denn nun: Können Männer stillen – oder nicht?

Bei Männern, die an einer hormonellen Störung leiden und die mehr weibliche Hormone in sich tragen, kann es tatsächlich zu einer leichten Milchproduktion kommen. Und zwar dann, wenn die Brustwarzen häufig stimuliert werden, etwa durch das Saugen des Babys. Durch den äußeren Reiz setzt der Körper Hormone frei, die das Wachstum des Drüsenkörpers und die Milchproduktion anregen können. Man spricht hierbei von einer induzierten Milchbildung (= Milchbildung ohne vorherige Schwangerschaft). Allerdings besitzen Männer deutlich weniger Milchdrüsen als Frauen. Selbst wenn ein milchiges Sekret aus der Brust fließt, wird es nicht genügen, um ein Baby sattzubekommen.

Um das Brustdrüsengewebe zu einer vermehrten Milchbildung anzuregen, müssten die Hormone eines Mannes längerfristig manipuliert werden. Zwar gibt es Medikamente wie Domperidon, die dabei helfen könnten (dazu gleich mehr). In Deutschland ist Domperidon allerdings nicht für die medikamentöse Milchbildung zugelassen. Auch international ist das Medikament aufgrund seiner starken Nebenwirkungen umstritten. Außerdem sind sich Experten einig, dass die Brustdrüse eines Mannes auch dann nicht die Leistungsfähigkeit einer weiblichen erreichen könnte.

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Wahr oder erfunden: verschiedene Beispiele für stillende Männer

Stillende Männer sind und werden somit keinesfalls die Regel. Dennoch wurde bereits über einzelne, stillende Väter berichtet. Schon im Talmud, den heiligen Schriften des Judentums, werden sie erwähnt. Auch der deutsche Forschungsreisende Alexander von Humboldt soll 1799 bei seiner Reise nach Venezuela Bekanntschaft mit einem stillenden Mann gemacht haben. Nach seiner Reise erzählte er von dem Bauern Francisco Lozano, der sein Baby angeblich fünf Monate stillte, um seine kranke Frau zu entlasten. Eine etwas neuere Geschichte stammt aus dem Jahr 2002. Damals berichtete die französische Nachrichtenagentur AFP über einen 38-jährigen Mann aus Sri Lanka, der seine zwei Babys stillte. Die Mutter der Kinder verstarb bei der Geburt.

Ob diese Geschichten stimmen, ist nicht eindeutig belegt. Der folgende Fall einer stillenden Transfrau wurde jedoch wissenschaftlich dokumentiert.

Meilenstein der Transgender-Medizin: stillende Transfrau

Einer Ärztin aus New York gelang es, mithilfe einer Hormon- und Stilltherapie die Milchbildung einer transsexuellen Frau anzuregen, die über biologische Geschlechtsmerkmale eines Mannes verfügte. Zur Therapie gehörte die tägliche Einnahme des Medikaments Domperidon sowie die Gabe weiblicher Geschlechtshormone. Außerdem sollte die Transfrau mit einer Brustpumpe vorab das Stillen trainieren. Die Behandlung begann drei Monate, bevor die Partnerin der Transfrau das Baby zur Welt brachte. Es handelt sich hierbei um den ersten dokumentierten Fall einer geglückten Stilltherapie bei einem Transmenschen. Er gilt als Meilenstein in der Transgender-Medizin. Aufgrund der möglichen Nebenwirkungen ist die Behandlung jedoch umstritten.

Grundsätzlich gilt: Milchfluss besser vom Arzt abklären lassen

Die oben genannten Beispiele sind Einzelfälle. Ihr Wahrheitsgehalt: oft ungewiss. In seltenen Fällen kann es jedoch tatsächlich vorkommen, dass durch das Saugen des Babys auch bei Männern die Prolaktinbildung und somit ein leichter Milchfluss angeregt wird. Aber: Hinter dem milchigen Sekret könnte auch eine Erkrankung stecken. Etwa eine Galaktorrhoe, die durch einen gutartigen, prolaktinbildenden Tumor in der Hirnanhangdrüse ausgelöst wird. Sollte bei einem Mann Milch aus der Brust fließen, ist es daher immer angeraten, einen Arzt aufzusuchen und die Ursache abklären zu lassen.

Fazit

Du siehst, ganz eindeutig ist die Antwort darauf, ob Männer stillen können, nicht. Auch sie verfügen über die nötigen Anlagen, um Milch zu produzieren und können – zumindest in der Theorie – stillen. Der Hormonhaushalt und die im Vergleich zu Frauen deutlich geringere Anzahl an Milchdrüsen machen den Vätern aber in der Praxis normalerweise einen Strich durch die Rechnung. Dennoch können sich natürlich auch Väter an der Fütterung ihres Babys beteiligen – sei es mit der Flasche oder vielleicht sogar mithilfe eines Brusternährungssets. Auch abseits des Fütterns können Väter viele „Aufgaben“ übernehmen. Kuscheln, Wickeln oder eine regelmäßige Babymassage tragen zu einer engen Vater-Kind-Beziehung bei.

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Quellen

✔ Inhaltlich geprüft am 10.04.2023
Dieser Artikel wurde von Emely Hoppe geprüft. Wir nutzen für unsere Recherche nur vertrauenswürdige Quellen und legen diese auch offen. Mehr über unsere redaktionellen Grundsätze, wie wir unsere Inhalte regelmäßig prüfen und aktuell halten, erfährst du hier.

Veröffentlicht von Patricia Schlösser-Christ

Patricia widmet sich als Kulturanthropologin mit Leidenschaft der Kindheits- und Familienforschung. Ihre liebsten (und herausforderndsten) „Studienobjekte“ sind ihre beiden kleinen Töchter. Wenn sie nicht gerade Feldforschung im Kinderzimmer ihrer kleinen Rasselbande betreibt, powert sie sich beim Handball aus.

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