Zu viele Kinder einer Grundschule in Ludwigshafen müssen die erste Klasse wiederholen. Das soll nur der Anfang einer größeren Welle sein, meinen Pädagogen.
Es ist eine wirklich schlechte Nachricht für Kinder und Eltern, und am Ende auch für unser Bildungssystem: Vierzig Kinder einer Grundschule in Ludwigshafen (Rheinland-Pfalz) müssen das erste Schuljahr erneut machen. Die Schulleiterin Barbara Mächtle erklärte in einem Interview, sie sei „überrascht und schockiert“ gewesen, als sie erfahren habe, dass rund ein Drittel der Erstklässler wohl die erste Klasse wiederholen.
Bildungsferne Familien und keine Kitaplätze als Grund?
Einige der Schüler und Schülerinnen hätten laut Mächtle keine Kita besucht und würden kein Deutsch sprechen, das wirke sich auf das Verhalte der Schüler im Unterricht aus. Manche müssten erst lernen, sich zu konzentrieren oder sich an die Gesellschaft fremder Kinder gewöhnen, wie man eine Schere oder den Stift hält. Alles, was Kinder in der Kita mitbekommen, an Feinmotorik und Vorbereitung auf die Grundschule fehle. Das holen die Erstklässlerinnen und Erstklässler dann im Unterricht nach, wodurch sie fachlich in Verzug geraten. Die Gräfenauschule sei zwar eine Schwerpunktschule mit zusätzlichen Förderlehrern, dennoch reiche das nicht aus, um die aktuellen Herausforderungen zu stemmen, meint die Schulleitung.
Eine weitreichende Problematik
Was den Erstklässlern in Ludwigshafen jetzt passiert ist, wird wohl kein Einzelfall bleiben: Klaus-Peter Hammer ist Landesvorsitzender der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Er kommentierte die Situation in einem Interview mit dem SWR folgendermaßen: „Ich glaube, da kommt eine Welle auf uns zu von Schülerinnen und Schülern, die nicht so vorgebildet sind, wie wir das gewohnt sind und wir müssen uns darauf vorbereiten.“
Tatsächlich gibt es solche und ähnliche Probleme auch an anderen Schulen in Deutschland. Die Pandemie hat das Ganze noch mal verschärft. Erst Anfang des Jahres berichtete das Statistische Bundesamt: 67 Prozent mehr Schüler und Schülerinnen müssen die Klasse wiederholen.
Die Schulleiterin in Ludwigshafen fordert nun ausreichend Kita-Plätze, eine Kitapflicht von mindestens einem Jahr und es müssten immer zwei Lehrer in den Klassen zusammen unterrichten, um die Kinder optimal unterstützen zu können. Weil Barbara Mächtle schnell Hilfe braucht, hat sie den Chemiekonzern BASF dazu bewegt, ein Projekt namens „Fit für einen guten Start in die Schule: Spielerisch Motorik, Ausdauer und Konzentration schulen“ für Ludwigshafen zu finanzieren.
Quellen
- NEWS4TEACHERS: Kollaps des Bildungssystem? Schule meldet dass 40 Kinder wohl die erste Klasse wiederholen müssen – nicht schulreif: https://www.news4teachers.de/2023/04/kollaps-des-bildungssystems-grundschule-meldet-dass-40-kinder-wohl-die-erste-klasse-wiederholen-muessen-nicht-schulreif/ (abgerufen am 19.04.2023)
- SWR: Bleiben 40 Erstklässler in Ludwigshafener Grundschule sitzen?:
https://www.swr.de/swraktuell/rheinland-pfalz/ludwigshafen/ludwigshafen-brennpunkt-grundschule-40-kinder-erste-klasse-bleiben-sitzen-100.html (abgerufen am 19.04.2023) - Statistisches Bundesamt: Schuljahr 2021/2022: Zahl der Wiederholerinnen und Wiederholer wieder gestiegen: https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2023/01/PD23_N005_21.htmll (abgerufen am 19.04.2023)