Die Rate der Mehrlingsgeburten stieg in den vergangenen Jahrzehnten deutlich an. Vielleicht gibt es auch in deinem näheren Umfeld Zwillingskinder? Wie hoch ist eigentlich die Wahrscheinlichkeit für Zwillinge, Drillinge oder sogar Vierlinge? Und kann man gezielt Zwillinge zeugen? Wir fassen dir das Wichtigste dazu zusammen.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Rate von Zwillingsgeburten nimmt seit Jahrzehnten zu. Ursachen dafür sind das gestiegene Alter gebärender Frauen und medizinische Kinderwunschbehandlungen.
- Die Wahrscheinlichkeit, spontan mit Zwillingen schwanger zu werden, beträgt 1:85.
- Vermutlich ist die Veranlagung für Zwillingsschwangerschaften bei Frauen zum Teil genetisch bedingt.
- Es wird geforscht, ob unter anderem die Ernährung die Wahrscheinlichkeit für eine Zwillingsschwangerschaft beeinflussen könnte.
- Gezielt Zwillinge zu zeugen (oder zu vermeiden), ist nicht möglich.
Grundsätzlich kann es bei jeder Schwangerschaft vorkommen, dass sich spontan zwei (in extrem seltenen Fällen auch mehr) Embryonen entwickeln. Aber wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit für eine spontane Zwillingsschwangerschaft? Gibt es vielleicht ein Zwillings-Gen oder andere Faktoren, die manchen Paaren gleich zwei Babys auf einmal bescheren? Hast vielleicht sogar du die „besten Voraussetzungen“ für das doppelte Babyglück?
So hoch ist die Wahrscheinlichkeit für Zwillinge
Schon Ende des 19. Jahrhunderts stellte der deutsche Arzt Dionys Hellin eine Regel über die statistische Wahrscheinlichkeit für eine Mehrlingsschwangerschaft auf. Die Hellin-Regel hat bis heute Bedeutung, zumindest für die Häufigkeit spontaner Mehrlingsschwangerschaften ohne medizinische Unterstützung.
Demnach liegt die Wahrscheinlichkeit für eine Zwillingsschwangerschaft bei 1:85, das entspricht etwa 1,18 Prozent aller Schwangerschaften. Bei Müttern, die selbst ein Zwilling sind, beträgt die Wahrscheinlichkeit 1:60. Allerdings bezieht sich diese Angabe lediglich auf die Schwangerschaften, nicht auf die Geburten. Denn leider führt nicht jede Zwillingsschwangerschaft am Ende auch zur Geburt von zwei Babys.
Spontane höhergradige Mehrlinge entwickeln sich deutlich seltener als Zwillinge. Nach Hellin wird die Zwillings-Wahrscheinlichkeit dafür potenziert:
Mehrlinge | Wahrscheinlichkeit | entspricht etwa in Zahlen |
---|---|---|
Zwillinge | 1:85 | 1 von 100 Schwangerschaften |
* eineiige Zwillinge | 1:250 | 4 von 1.000 Schwangerschaften |
* zweieiige Zwillinge | 1:125 | 8 von 1.000 Schwangerschaften |
Drillinge | 1:85² | 1 von 10.000 Schwangerschaften |
Vierlinge | 1:85³ | 2 von 1.000.000 Schwangerschaften |
Quelle: Mehrlingsschwangerschaft und Mehrlingsgeburt. Ein Leitfaden für die Praxis. (W. Schröder, siehe Quellenverzeichnis)
Wie oft kommen eineiige und zweieiige Zwillinge vor?
Zwillinge können sich gleichen wie ein Ei dem anderen, oder sich nicht ähnlicher sein als bei jeder anderen Geschwisterkonstellation. Die Ursache dafür liegt in ihrer Entstehung. Man unterscheidet zwischen eineiigen und zweieiigen Zwillingen.
Eineiige Zwillinge kommen viel seltener vor als zweieiige. Die Wahrscheinlichkeit liegt bei etwa 1:250. Diese Zahl ist stabil und in allen Bevölkerungsschichten und Regionen der Erde gleich. Sie ist unabhängig von bestimmten Faktoren oder medizinischen Fruchtbarkeitsbehandlungen.
Zweieiige Zwillinge sind häufiger als eineiige. Wie häufig, variiert stark regional. In Asien beispielsweise kommen vergleichsweise wenige zweieiige Zwillinge zur Welt, in Afrika dagegen deutlich mehr. In Europa liegt die statistische Wahrscheinlichkeit für zweieiige Zwillinge bei etwa 1:125. Die Rate zweieiiger Zwillinge wird von verschiedene Faktoren beeinflusst, wie dem Alter der Mutter oder hormonellen Fruchtbarkeitsbehandlungen.
Wie entstehen eineiige und zweieiige Zwillinge?
Zu eineiigen (monozygoten) Zwillingen kommt es, wenn sich die von einem Spermium befruchtete Eizelle spaltet. Die Erbanlagen beider Kinder sind identisch. Sie haben immer das gleiche Geschlecht und sehen sich zum Verwechseln ähnlich.
Zweieiige (dizygote) Zwillinge entstehen dagegen, wie der Name schon vermuten lässt, aus zwei Eizellen und zwei Spermien. Ihre DNA unterscheidet sich voneinander, deshalb können sie auch unterschiedliche Geschlechter haben.
Die außergewöhnlichen, natürlich entstandenen höhergradigen Mehrlinge entwickeln sich übrigens, wenn sich die Eizelle(n) nach der Zwillingsbildung nochmals teilen.
Welche Faktoren erhöhen die Wahrscheinlichkeit für Zwillinge?
Seit den 70er-Jahren stieg die Zahl der Geburten von Mehrlingen deutlich an. Die letzte Erhebung des Statistischen Bundesamtes ergab, dass 2019 jedes 27. Neugeborene in Deutschland ein Mehrlingskind war. 1977 war es dagegen nur jedes 56. Kind. Als Ursache für den Anstieg der Zwillinge, Drillinge und Vierlinge ist die Zunahme von Fruchtbarkeitsbehandlungen und künstlichen Befruchtungen auszumachen. Aber auch das steigende Alter gebärender Frauen spielt da wohl eine Rolle.
Wissenschaftler suchen seit Jahrzehnten nach Faktoren, die die Wahrscheinlichkeit einer spontanen Zwillingsschwangerschaft beeinflussen könnten. Schließlich muss zu erklären sein, warum es in manchen Familien und Bevölkerungsgruppen häufiger zu Mehrlingen kommt als in anderen. Einige der Theorien sind weitgehend anerkannt, andere bisher nur spekulativ. Aber eins steht fest: Für die Zwillings-Wahrscheinlichkeit spielen der Vater und sein familiärer Hintergrund kaum eine Rolle. Verantwortlich sind die Gene und Vorgänge im Körper der Frau.
➤ Das Alter der Mutter
Hier sind sich Mediziner einig: je älter die Mutter, desto höher die Wahrscheinlichkeit für eine spontane Zwillingsschwangerschaft. Was paradox ist, schließlich sinkt mit zunehmendem Alter auch die Wahrscheinlichkeit, überhaupt schwanger zu werden.
Forscher erklären das damit, dass in den letzten fruchtbaren Zyklen einer Frau die Konzentration des Follikelstimulierenden Hormons (FSH) ansteigt. Es ist für die Eizellreifung und den Eisprung zuständig. Somit steigt die Chance, dass in einem Zyklus gleich zwei Eier freigesetzt und gleichzeitig befruchtet werden können. Man schätzt, dass der Höhepunkt dieser Entwicklung zwischen 35 und 40 Jahren liegt, danach nimmt die Wahrscheinlichkeit für doppelte Eisprünge wieder ab.
➤ Zwillings-Gen(e)?
Eine genetische Veranlagung könnte die familiäre und geografische Häufung von Mehrlingen erklären. Ein richtiges „Zwillings-Gen“ wurde bisher aber nicht gefunden.
Forscher der Freien Universität Amsterdam konnten aber inzwischen 2 mögliche Genvarianten identifizieren, die doppelte Eisprünge wahrscheinlicher machen. Eines der Gene spielt eine Rolle bei der Produktion des FSH, das andere scheint dafür verantwortlich zu sein, wie die Eierstöcke auf das FSH reagieren. Hat eine Frau beide Genvarianten in ihrer DNA, hat sie laut den Forschern eine um 30 Prozent höhere Wahrscheinlichkeit, mit Zwillingen schwanger zu werden.
➤ Größe und Gewicht der Mutter
Einige Studien konnten Zusammenhänge zwischen der Körpergröße, dem Körpergewicht und der Wahrscheinlichkeit, Zwillinge zu gebären, ausmachen. Demnach scheinen Zwillingsmütter oftmals groß gewachsen und/oder übergewichtig (> BMI 30) zu sein. Eine mögliche Erklärung ist, dass diese Frauen mehr „Ressourcen“ für die Entwicklung von zwei Babys mitbringen. Die genauen Zusammenhänge sind aber noch nicht klar und umstritten.
➤ Die Anzahl der Schwangerschaften
Ist dir schon mal aufgefallen, dass es in kinderreichen Familien regelmäßig auch Zwillinge gibt? Offenbar steigt die Chance auf Mehrlinge mit jeder weiteren Schwangerschaft. Bringt eine Frau in ihrer 1. Schwangerschaft Zwillinge zur Welt, soll die Wahrscheinlichkeit für eine erneute Mehrlingsschwangerschaft um das 3- bis 5-fache erhöht sein.
➤ Stillen
Dr. Gary Steinman vom Long Island Jewish Medical Center in New York forscht schon lange an der Entstehung von Mehrlingen. Er fand zum Beispiel auch Hinweise darauf, dass die Wahrscheinlichkeit für Zwillinge bei stillenden Müttern um das 9-fache erhöht ist.
➤ Ernährung
Auch die Ernährung steht im Fokus der Mehrlings-Forschung. Denn einerseits scheinen bestimmte Bevölkerungsgruppen häufiger Mehrlinge zu bekommen als andere. Ein Dorf in Nigeria ist inzwischen als „Zwillingsdorf“ berühmt geworden, weil dort fast jede Familie mindestens ein Paar Zwillingskinder hat. Forscher haben die Ursache dafür noch nicht herausgefunden. Doch es steht die Frage im Raum, ob der dort übliche Verzehr der Yams-Wurzel dafür verantwortlich sein könnte. Sie enthält Substanzen, die dem weiblichen Progesteron ähneln soll.
Man weiß beispielsweise auch, dass Japanerinnen, die nach Kalifornien auswandern, doppelt so oft Zwillinge erwarten wie ihre Landsfrauen. Ob es am veränderten Essen liegt?
Andererseits ist inzwischen auch der sogenannte Insulin-ähnliche Wachstumsfaktor (IGF) in das wissenschaftliche Interesse gerückt. Bei Milchkühen, die zur Zwillingsträchtigkeit gezüchtet wurden, liegt dieses Hormon in erhöhter Menge vor. Eine Vermutung lautet, dass der Verzehr der Milch und des Fleischs der Kühe den IGF-Spiegel im Menschen ebenfalls anheben kann. Das könnte erklären, warum die Zwillingsrate in Notzeiten mit wenig vorhandener Nahrung, wie zum 2. Weltkrieg, deutlich geringer war, als in Wohlstandszeiten. In einer Studie mit 15 europäischen Ländern konnte auch ein Zusammenhang zwischen dem Milchkonsum und der Zwillingsrate festgestellt werden.
Dazu passt auch, dass Vegetarierinnen und Veganerinnen laut Studien seltener mit Zwillingen schwanger werden.
Kann man gezielt Zwillinge zeugen?
Nach allem, was du bisher gelesen hast, kannst du dir die Antwort darauf sicher denken. Auf spontanem Weg kannst du rein gar nichts dafür (oder dagegen) tun, dass sich zwei oder mehr Embryos entwickeln. Gezielt Zwillinge zeugen, ist also nicht möglich. Deine Chancen sind statistisch allerdings erhöht, wenn:
- es in deiner Familie gehäuft spontan entstanden Mehrlinge gibt
- du selbst ein Zwilling bist
- du eher groß gewachsen und nicht untergewichtig bist
- du Fleisch und Milchprodukte verzehrst
- du bereits einige Kinder bekommen hast
- du während der Empfängnis noch stillst
Dein Erbgut und dein Alter kannst du natürlich nicht manipulieren. Ansonsten scheinen die Anzahl deiner Schwangerschaften, das Stillen und der Verzehr von Fleisch und Milch die Wahrscheinlichkeit für Zwillinge anzuheben.
Warum ist die Mehrlingsrate nach künstlichen Befruchtungen höher?
Zum Schluss wollen wir diese Frage noch schnell klären. Bei Hormonbehandlungen, die die Eizellreifung und den Eisprung anregen (z.B. Clomifen), kommt es häufiger zu doppelten Eisprüngen während eines Zyklus. Die Wahrscheinlichkeit für zweieiige Zwillinge ist damit erhöht. Dass auch eine Behandlung mit dem pflanzlichen Mönchspfeffer die Zwillings-Wahrscheinlichkeit anhebt, ist dagegen unwahrscheinlich.
Bei künstlichen Befruchtungen, wie der In-vitro-Fertilisation (IVF), werden (oder wurden) oftmals mehr als nur eine befruchtete Eizelle in die Gebärmutter eingesetzt, um die Chancen auf eine Schwangerschaft zu erhöhen. Entwickeln sich alle Zellen weiter, kommt es zu Mehrlingen. Damit ist der sprunghafte Anstieg von Zwillingen, Drillingen und Vierlingen zu erklären, seit es diese Möglichkeiten der Kinderwunschbehandlung gibt.
Da eine Mehrlingsschwangerschaft immer auch eine Risikoschwangerschaft ist, haben sich die Kinderwunschkliniken inzwischen jedoch verpflichtet, das „Risiko“ für Mehrlinge möglichst gering zu halten. Beim 1. IVF-Versuch wird häufig nur noch eine befruchtete Eizelle eingesetzt.
Hast du noch Fragen zur Wahrscheinlichkeit, Zwillinge zu bekommen? Hast du vielleicht selbst spontan Zwillinge bekommen oder bist mit Mehrlingen schwanger? Erzähl uns doch davon in den Kommentaren!
Quellen
- Statistisches Bundesamt: 14 400 Mehrlingsgeburten im Jahr 2019. https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/Zahl-der-Woche/2020/PD20_47_p002.html (abgerufen am 20.02.2023)
- Frauenärzte im Netz: Warum Zwillingsgeburten in manchen Familien gehäuft auftreten. https://www.frauenaerzte-im-netz.de/aktuelles/meldung/warum-zwillingsgeburten-in-manchen-familien-gehaeuft-auftreten/ (abgerufen am 20.01.2023)
- W. Schröder (Hrsg.): Mehrlingsschwangerschaft und Mehrlingsgeburt. Ein Leitfaden für die Praxis. Thieme Verlag, 2001.
- M. Watzlawik: Sind Zwillinge wirklich anders? Geschwister in der Pubertät. Tectum Verlag, 2008.
- S. Martin: Die emotionale und kognitive Entwicklung von Zwillingskindern. Diplomica Verlag, 2008.
- U. M. Reddy, A. M. Branum, M. A. Klebanoff: Relationship of maternal body mass index and height to twinning. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/15738030/ (abgerufen am 20.02.2023)
- ScienceBlog: Chance of having twins can be modified by diet. https://scienceblog.com/10638/chance-of-having-twins-can-be-modified-by-diet/ (abgerufen am 20.02.2023)
- H. Le Ker (spiegel.de): Mehr Glück im Doppelpack. https://www.spiegel.de/gesundheit/schwangerschaft/zunahme-von-zwillingsgeburten-mehr-glueck-im-doppelpack-a-839164.html (abgerufen am 20.02.2023)
- J. Murken, T. Grimm, E. Holinski-Feder (Hrsg.): Humangenetik. Thieme Verlag, 7. vollst. überarb. Auflage, 2006.
- ARS Medici: Wie beeinflusst die Ernährung die Häufigkeit von Zwillingen? https://www.rosenfluh.ch/media/arsmedici/2006/12/Medien-Moden-Medizin.pdf (abgerufen am 20.01.2023)