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Elternschaft und Grenzen: Was tun, wenn Fremde das Baby berühren?

Elternschaft und Grenzen: Was tun, wenn Fremde das Baby berühren?
Wenn Fremde ungefragt das Baby anfassen, können und sollten Eltern einschreiten ... / Bild © geargodz, Adobe Stock

Du bist mit dem Säugling unterwegs und ihr trefft auf entfernte Bekannte. Plötzlich berühren sie dein Neugeborenes ungefragt im Gesicht. Warum du diese Situation keineswegs aushalten musst und wie du hier Grenzen setzen kannst, erfährst du jetzt!

„Warum machen Menschen so etwas?“

Vielleicht hast du die Situation, die wir oben beschrieben haben, schon selbst erlebt.

Ziemlich schnell fragt man sich als Elternteil dann: „Warum machen Menschen so etwas überhaupt?“

Um das zu verstehen, schauen wir uns zunächst einmal die möglichen Beweggründe solcher Grenzüberschreitungen an. Sie entschuldigen diese Situationen nicht, können dir aber vielleicht dabei helfen, klarer Grenzen zu setzen. 

Entwicklungspsychologisch gesehen handelt es sich meist um …

  • Eigene Bedürfnisse: Viele Menschen möchten – so platt es sich auch anhört – das Baby einfach nur anfassen, um zu wissen, wie es sich anfühlt. Das ist gerade bei Erwachsenen der Fall, die sonst nicht so viel Kontakt zu Babys und Kleinkindern haben. Es geht diesen Menschen dabei schlichtweg um ihr eigenes Bedürfnis. Dieses ist ihnen in der Regel auch nicht bewusst.
  • Wunsch nach Bindung: Wir Menschen sind soziale Wesen und sehnen uns nach menschlicher Verbindung. Einige Menschen meinen daher fälschlicherweise, dass sie diese Verbindung nur herstellen können, indem sie ihre Mitmenschen körperlich berühren. 
  • Unwissenheit: Wieder andere Menschen wissen es einfach nicht besser, wenn sie mit ihren Handlungen (körperliche) Grenzen von Anderen überschreiten. Nicht selten erleben gerade diese Personen eigene Grenzüberschreitungen. Daraus ergibt sich häufig auch die mangelnde Fähigkeit, sich in die Lage eines anderen Menschen (hier das Baby) hineinzuversetzen. 
  • Neugier: Vielleicht ist das der noch verständlichste Grund – Babys, insbesondere Neugeborene, lösen eine große Faszination in uns Erwachsenen aus. Sie stehen für das Wunder des Lebens und für die Liebe. Manchmal wird Menschen die Großartigkeit dieses Lebens erst dann bewusst, wenn sie ein Neugeborenes mit ihren eigenen Augen sehen. Das erhöht die Faszination, es zu berühren, umso mehr. 
  • Unbewusste Handlungen: Teilweise leben wir Menschen im Autopilot. Wir tun Dinge, ohne sie vorher zu hinterfragen. Das liegt häufig an unserer eigenen Prägung und an unseren individuellen Erfahrungen. Viele Menschen spüren daher gar nicht bewusst, was sie tun oder auslösen, wenn sie ein fremdes Baby ungefragt anfassen.
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Wir halten fest: Meist steht eine eigentlich „gut gemeinte“ Absicht hinter dem Berühren des Babys. 

Jedoch rechtfertigt das keineswegs, dass dein Baby ungefragt angefasst wird!

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Insgesamt gilt immer ….

Dein Baby, deine Regeln!

Du bist als Mama oder Papa zusammen mit dem anderen Elternteil die Bindungsperson deines Babys. Das bedeutet, dass du dafür Sorge trägst, dass die Bedürfnisse deines Babys und sein Wohlbefinden gestillt werden. Dazu gehört auch, dass du seine (körperlichen) Grenzen schützt. 

Wer dem Baby nahe sein darf und wer nicht, ist also allein deine bzw. eure Entscheidung als Eltern. Hier gibt es keinen Kompromiss, kein Wenn und Aber und auch keine Alternativen. 

Der Körper eines anderen Menschen gehört immer nur dem anderen Menschen. 

Das ist bei einem Baby genauso wie bei einem Erwachsenen.

Und wir würden uns als Erwachsene doch auch beschweren, wenn uns plötzlich ein fremder Mensch über das Gesicht streichelt, oder? Warum ist es bei einem Baby dann „etwas anderes“ oder ein Zeichen von Nähe? 

Deswegen gilt für dich als Elternteil: Dein Baby, deine Regeln! Du musst es nicht aushalten oder gar über dich ergehen lassen, wenn andere Menschen dein Baby ungefragt berühren. 

Wie du jetzt auf diese Situation reagieren kannst …

Wie du deine Grenzen setzen kannst!

Ruhe bewahren & Eingreifen

Falls du schon siehst, dass sich die fremde Person deinem Baby ungewöhnlich annähert, bewahre die Ruhe und sage liebevoll, aber direkt, dass du das nicht möchtest. 

In der Regel laufen solche Situationen aber so schnell ab, dass es schwer ist, als Elternteil unmittelbar zu reagieren. Und schwups ist die fremde Hand schon am Hals des Babys und wurschtelt dort herum. 

Am besten atmest du innerlich jetzt erst einmal tief durch und machst dir klar, dass du zwar nicht die Situation kontrollieren kannst, aber die Art und Weise, wie du darauf reagierst. 

Gewaltfreie Kommunikation & Babys Bedürfnisse

Erinnere dich daran, dass du liebevoll Grenzen setzen darfst, die dein Baby schützen, ohne dass das Ganze in einem riesigen Streit enden muss. 

Wenn du deine Wut gerade stark spürst, ist auch das völlig okay und verständlich. Versuche vielleicht, wenn dir das möglich ist, sie hier als Werkzeug zu nutzen. Sie kann dir dabei helfen, für deine und Babys Bedürfnisse klar einzustehen. 

Jetzt kannst du der Person gegenüber deutlich und liebevoll benennen, was dir wichtig ist (ganz im Sinne der gewaltfreien Kommunikation).

Beispiele:

  • „Ich bitte dich darum, mein Kind nicht anzufassen. Die Gesundheit und das Wohlbefinden unseres Babys sind uns sehr wichtig und deshalb möchten wir zurzeit nicht, dass es einfach so berührt wird.“
  • „Danke für dein Interesse, aber wir als Eltern bevorzugen es, wenn das Kind aktuell nicht angefasst wird. Du kannst uns vorher aber immer gerne danach fragen.“
  • „Ich verstehe, dass du meinem Kind nahe sein möchtest, aber ich würde dich darum bitten, es nicht anzufassen. Mein Baby hat Bedürfnisse, Rechte und Grenzen und die versuche ich, als Elternteil, natürlich zu schützen.“
  • „Ich sehe, dass du dich freust mein Baby zu sehen, aber bitte berühre es nicht. Uns ist es als Eltern wichtig, dass die körperlichen Grenzen unseres Kindes bewahrt werden. Das ist sogar Teil der Kinderrechte, hättest du das gewusst?“
  • … ein kleiner Joker: „Wir möchten zurzeit vermeiden, dass das Baby oder wir uns mit einer Krankheit oder einem Virus anstecken. Deswegen berühre es bitte nicht. Wir gehen hier gerne auf Nummer sicher. Das verstehst du doch bestimmt, oder?“

Das Ganze darfst du in der Situation natürlich in deinem Sprachstil und umgangssprachlicher formulieren. Sieh die Sätze eher als Anregung. 

Körpersprache & nonverbale Kommunikation

Manchmal kann schon ein kurzer, klarer Blick viel aussagen. Auch ein Kopfschütteln mit einem liebevollen Lächeln sendet ein deutliches Signal, wenn eine fremde Person dem Baby ungewöhnlich nahekommt. 

Wenn du das Baby bei der Situation auf dem Arm haben solltest, kannst du auch ein paar Schritte zurückgehen und schützend deine Hand auf sein Köpfchen legen. Manchmal haben Blicke, Mimik und Körperhaltungen mehr Kraft, als jedes gesprochene Wort. 

Partner einbeziehen

Wenn du und dein Partner euch klar seid, wo eure gemeinsamen Grenzen liegen, seid ihr auf der sicheren Seite. Ihr könnt euch so in diesem Gespräch gegenseitig unterstützen und eure Grenzsetzungen noch einmal bestärken. 

Wenn du auf Unverständnis triffst …

3 Worte: Nicht. Dein. Problem.

Wenn du deine Grenzen liebevoll benennst und eine andere Person deine Grenzsetzungen infrage stellt, ist das nicht dein Problem, sondern das Problem deines Gegenübers.

Du darfst und solltest anderen Menschen immer Grenzen setzen, wenn sie deine Grenzen oder die deines Babys überschreiten.

Klar ist das zunächst natürlich ein unschönes Gefühl. Du darfst dich an dieser Stelle allerdings fragen, ob dir die Meinung eines Menschen wichtig ist, der deine Grenzen und die deines Babys nicht respektiert. 

Vielleicht hilft dir der Gedanke, deine Grenzen demnächst mit mehr Gelassenheit zu ziehen. 

Sich gemeinsam auf solche Situationen vorbereiten

Wenn dir die Situation bisher nicht passiert ist, ist dieser Artikel vielleicht eine Anregung dafür, dass du und ihr als Eltern euch darüber austauscht und darauf vorbereitet. Ihr könntet ein solches Gespräch sogar mithilfe eines Rollenspiels „üben“. 

Dadurch nehmt ihr euch selbst die Angst vor einer solchen Situation und bereitet euch gegenseitig darauf vor, bewusst Grenzen zu setzen. Alles im Sinne eures Babys. 

Warum Menschen überhaupt körperliche Grenzen von Babys überschreiten?

Das hat mitunter etwas mit der strukturellen Diskriminierung von Kindern in unserer Gesellschaft zu tun, die sich auch Adultismus nennt. „Adul-was?“, denkst du jetzt vielleicht. 

Dieser Begriff beschreibt das Machtgefälle zwischen Erwachsenen und Kindern. Es ist mit dafür verantwortlich, dass Situationen wie „Ich fasse jetzt einfach das fremde Baby an“ überhaupt erst entstehen. 

Falls du das Thema interessant findest, höre doch gerne mal in unsere Podcastfolge dazu rein! Kindheitspädagoge Andreas Lippert erklärt auf verständliche Weise, was es damit auf sich hat:

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Quellen

  • Largo, Remo H. (2016). Babyjahre. Entwicklung und Erziehung in den ersten vier Jahren (18. Auflage). München/Berlin: Piper Verlag GmbH.
  • ManuEla Ritz, Simbi Schwarz (2022). Adultismus und kritisches Erwachsensein. Hinter (auf-)geschlossenen Türen. Münster: Unrast Verlag.
  • Perls, Frederick S., Hefferline, Ralph F., Goodman, Paul (2015). Gestalttherapie. Grundlagen der Lebensfreude und Persönlichkeitsentfaltung. (9. Auflage). Stuttgart: Klett-Cotta Verlag.
  • D-A-CH deutsch sprechender Gruppen für Gewaltfreie Kommunikation e.V. (2023): Was ist gewaltfreie Kommunikation (GFK)? https://www.gfk-info.de/was-ist-gewaltfreie-kommunikation/ (abgerufen am 26.10.2023).
  • Hofrege AG (2023): Bindungspersonen. https://dorsch.hogrefe.com/stichwort/bindungspersonen (abgerufen am 26.10.2023).
  • Weber Stamer GmbH (2021): Gewaltfreie Kommunikation einfach erklärt. https://kw-herzenssache.de/gewaltfreie-kommunikation/ (abgerufen am 26.10.2023).

✔ Inhaltlich geprüft am 16.11.2023
Dieser Artikel wurde von Emely Hoppe geprüft. Wir nutzen für unsere Recherche nur vertrauenswürdige Quellen und legen diese auch offen. Mehr über unsere redaktionellen Grundsätze, wie wir unsere Inhalte regelmäßig prüfen und aktuell halten, erfährst du hier.

Veröffentlicht von Leonie Illerhues

Leonie war nach ihrem Studium der Heilpädagogik lange im Schulhort-, Kita- und Krippenbereich tätig. Erziehungs- und Entwicklungsthemen im Baby- und Kleinkindalter sind deshalb ihr Steckenpferd. Seit 2022 ergänzt Leonie unser Team mit diesem Schwerpunkt.

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