Eine australische Studie hat sich damit beschäftigt, ob gezieltes Schlaftraining Eltern und Babys nicht doch helfen kann. Warum du sie kritisch hinterfragen darfst, erfährst du jetzt!
Worum es in der Studie geht
Die australische Studie wurde mit 43 Babys im Alter von 6 bis 16 Monaten durchgeführt.
Das Forschungsteam um Michael Gradisar teilte die Babys in folgende Gruppen:
- 1. Gruppe – Ferbersches Schlaftraining „Graduate Extinction“: Wenn das Baby in der Nacht aufwachte, sollten die Eltern nach kurzer Wartezeit zu ihm gehen. Dabei wurde es nicht auf den Arm oder aus dem Bett genommen, sondern die Eltern sollten leise mit ihm sprechen und das Licht dabei auslassen.
- 2. Gruppe – „Bedtime Fading“: Das Baby wurde jeden Tag 15 Minuten später ins Bett gebracht – sodass es von Tag zu Tag müder ins Bett ging.
- 3. Gruppe – „Kontrollgruppe“: Die Eltern bekamen ausschließlich Informationen zum Babyschlaf über eine Website und kein aktives Programm.
“Graduate extinction ” nach Richard Ferber ist in Deutschland als „kontrolliertes Schreienlassen“ u.A. durch das Buch „Jedes Kind kann Schlafen lernen“ von Annette Kast-Zahn bekannt geworden.
Der Ablauf
Insgesamt ging die Studie etwa 3 Monate lang. Das Forschungsteam führte währenddessen regelmäßige Messungen des Stresspegels von Baby und Eltern durch. Die Eltern schrieben zusätzlich Tagebucheinträge zu den Schlaf- und Wachzeiten der Kinder. Obendrein wurde 9 Monate danach das Bindungsverhalten zwischen Eltern und Kind noch mal überprüft.
Die Ergebnisse
Die Babys aus der 1. und 2. Gruppe hatten laut der Studie ein verbessertes Schlafverhalten mit geringeren Aufwachzeiten in der Nacht und niedrigerem Stresspegel. Zudem waren keine Bindungsprobleme zwischen Eltern und Kind erkennbar. Die Mütter aus Gruppe 1 waren schon nach einem Monat weniger gestresst als die Mütter der anderen Gruppen.
Das Forschungsteam kam anhand dieser Daten zu dem Ergebnis, dass Schlaflernprogramme keinen langfristigen Stress oder negative Auswirkungen aufs Baby haben sollen.
Kritik an der Schlaftraining-Studie
So beruhigend die Ergebnisse für Eltern mit Schlafentzug sein mögen, eine kritische Betrachtung ist dennoch nötig:
- In der Auswertung bezieht sich das Forschungsteam stark auf die Tagebuch-Einträge der Eltern. Das ist eine einseitige und lückenhafte Methode, um allgemeingültige Daten zu bekommen.
- Die Vorgehensweise bei der 1. Gruppe ist schwammig: Wenn die Eltern etwa in einem anderen Zimmer als das Kind schliefen, können sie nicht jedes „Aufwachen“ des Kindes mitbekommen haben. Dasselbe gilt für das Schlafen im selben Zimmer, wenn das Baby nicht durch Schreien oder Brabbeln auf sich aufmerksam gemacht hat. Diese Daten fehlen dann natürlich in der Dokumentation und verfälschen die Ergebnisse.
- Die Länge der Wachzeiten aller getesteten Babys unterscheiden sich nach der Studie nur minimal vom vorherigen Zustand.
- Durch die geringe Gruppengröße der teilnehmenden Babys und Familien in allen drei Gruppen lassen sich nur schwer allgemeingültige Aussagen treffen.
- Außerdem gab es eine hohe Abbrech-Quote im Testzeitraum aller Gruppen, die nicht mitgerechnet wurde.
- Die möglichen Langzeitfolgen und die langfristige Eltern-Kind-Bindung wurden in der Studie nicht mitbedacht.
Positiv zu sehen ist sicherlich, dass das Forschungsteam gestressten und übermüdeten Eltern neue Methoden an die Hand geben wollte. Allerdings sind bei dieser Studie die Durchführung und die Ergebnisse lückenhaft und damit – aus unserer Sicht – nicht allgemeingültig genug.
Wir sehen es so …
Babys müssen nicht tun, was wir uns wünschen.
Gerade durch die Vorgehensweise in der 1. und 2. Gruppe wird klar, dass die Eltern den Rahmen für das Schlafen vorgaben. Allerdings hat das zur Folge, dass wir Eltern (unbewusst) erwarten, dass das Kind sich unseren Wünschen beugt. Der Babyschlaf ist sehr individuell und von verschiedenen Faktoren abhängig. Ein vorgegebenes „Richtig“ oder „Falsch“, ein „Zuviel“ oder „Zuwenig“ gibt es hierbei aus pädagogischer Sicht nicht.
Eltern machen nicht automatisch etwas falsch, wenn das Baby Schlafprobleme hat.
Zusätzlich suggeriert die Studie natürlich, dass die Eltern der Babys mit Schlafproblemen vorher etwas „falsch“ gemacht haben. Im Sinne der bedürfnisorientierten Elternschaft möchten wir betonen, dass jedes Baby (genauso wie jeder Erwachsene) einen individuellen Schlaf und ein eigenes Schlafbedürfnis hat. Hier kommen noch verschiedene Faktoren dazu, die sich von außen nur schwer beeinflussen lassen (Verdauungsbeschwerden, Wachstumsschub, leichter Schlaf usw.). Du machst also nicht automatisch und immerzu etwas falsch, wenn dein Baby Schlafprobleme hat!
Das Baby kann und muss sich noch nicht selbst regulieren.
Eine schlaflose Nacht vom Baby kann viele Gründe haben: Da es täglich wächst, gedeiht und lernt, kann das den Baby-Körper ziemlich schnell überreizen. Obendrein kann es auch Schmerzen haben oder einen schlimmen Albtraum. Was es auch ist: Es ist natürlich, dass das Baby sich mitteilt und dich durch das nächtliche Schreien um Hilfe und damit auch um Nähe und Geborgenheit bittet. Zu erwarten, das Baby könnte sich selbst besser regulieren, indem seine Eltern ihm in seiner Not weniger Aufmerksamkeit schenken, ist aus pädagogischer Sicht schädlich und überfordert das Baby immens. Schlimmer noch: Das Kind lernt auf Dauer, dass seine Signale nicht gehört werden und seine Bedürfnisse (in der Nacht) nicht wichtig sind.
Elterlicher Instinkt ist wichtig und richtig.
Das Baby schreit in der Nacht und du sitzt kerzengerade im Bett. Du weißt: Es braucht dich jetzt! Dieser elterliche Instinkt bleibt, ganz gleich wie alt dein Kind auch wird. Du solltest ihn daher nicht – wie in der Studie beschrieben – unterdrücken oder ihm irgendeinem Konzept anpassen. Diese Intuition ist es, die dich auch die nächsten Jahre leiten wird, wenn es um dein Kind geht. Sie ist damit ein wichtiger Schatz, den du gut beschützen kannst, indem du auf sie hörst.
Langzeitfolgen bleiben unbekannt.
In der Studie wurden die langfristige Bindung und Kommunikation zwischen Eltern und Kind sowie weitere Langzeitfolgen (positiv wie negativ) außer Acht gelassen. Denn, was macht es mit dem Baby, wenn es nachts panisch schreit und MaPa es nicht auf den Arm nehmen, um es nach einem schlimmen Albtraum zu trösten? Diese Daten wären wichtig gewesen, um das Risiko von Schlaftrainings abwägen zu können.
Unser Fazit
Wir sind keine Fans dieser Studie und den damit verbunden Empfehlungen. Wenn du weiterhin auf deine elterliche Intuition hörst, bist du – aus unserer Sicht – auf der sicheren Seite. Nur so kannst du lernen, die Signale deines Babys richtig zu deuten. Damit legst du den Grundstein für eure weitere Kommunikation und Bindung. Selbst wenn das bedeutet, dass viele, weitere schlaflose Nächte auf dich warten, können wir dir von Herzen sagen: Sie gehen irgendwann vorbei und sind es immer wert!
Wir legen dir übrigens auch sehr unseren Babyschlafkurs ans Herz. Darin zeigen dir unsere Schlafexperten alles zum Babyschlaf und wie die Einschlafbegleitung entspannter und eure Nächte ruhiger werden: