Wenn ein Baby geboren wird, steht die Frau naturgemäß im Mittelpunkt des Geschehens. Denn sie muss die Schmerzen aushalten, sie muss selbst nach stundenlangen Wehen noch sportliche Höchstleistungen vollbringen. Auch wenn die größten Schmerzen glücklicherweise schnell vergessen sind, bleiben vor allem die Gefühle während und nach der Geburt ein ganzes Leben im Gedächtnis.
Aber wie sieht es eigentlich mit den Männern aus, die die Geburt hautnah miterleben durften? Was ging in ihnen währenddessen vor? Wir klären auf und geben Tipps, wie sich Männer mental auf die Geburt vorbereiten können.
Das Wichtigste in Kürze
- 9 von 10 Männern möchten bei der Geburt dabei sein.
- Je nach Persönlichkeit schätzen Männer die Geburt unterschiedlich ein.
- Die Auswirkung der Anwesenheit der Männer ist wenig erforscht, ebenso wenig die Auswirkungen auf die männliche Psyche. Es gibt jedoch Erfahrungsberichte und sogar eine Studie zu den Gefühlen danach.
- Die Entscheidung, ob der Partner bei der Geburt dabei ist oder nicht, sollte individuell getroffen werden.
Männer im Kreißsaal – damals und heute
Dass Männer überhaupt bei der Geburt ihres Kindes dabei sein können, gibt es noch nicht lange. Noch in den frühen Siebzigerjahren wurde ein solcher Wunsch von den meisten Ärzten rigoros abgelehnt. Ein Mann im Kreißsaal störte nur.
Auf die Bedürfnisse von Mutter, Säugling und eben auch Vater wurde bis zu dieser Zeit wenig geachtet. Stillen wurde als nicht notwendig erachtet, stundenlanges Schreien lassen war an der Tagesordnung. Oft sahen die Männer ihre Kinder erst am nächsten Tag – durch eine Scheibe.
Der Bewusstseinswandel in den Siebzigern
Als die Frauenbewegung Mitte der Siebzigerjahre Fahrt aufnahm, änderte sich die Sichtweise auf Partnerschaft, Sexualität, Geburt und Erziehung Schritt für Schritt. Zumindest in der westlichen Welt wollten immer mehr Männer dabei sein, wenn ihre Frau den größten Kraftakt ihres Lebens vollbrachte.
Mittlerweile ist es fast verpönt, wenn ein Mann den Wunsch seiner Frau nach Unterstützung ablehnt. Dass sie ihre Partnerin eher ungern in den Kreißsaal begleiten wollen, liegt bei den meisten werdenden Vätern keineswegs an mangelnder Liebe oder an Desinteresse. Häufig ist es eine Art von Selbstschutz.
Manche fühlen sich verpflichtet, der Geburt beizuwohnen. Das kann zu einem inneren Konflikt führen. Denn die eigene Angst und Nervosität muss im Kreißsaal zurückgestellt werden, um die werdende Mama nicht zusätzlich unter Druck zu setzen. Das macht es vielen Vätern schwer, die Geburt entspannt anzugehen und sich darauf zu freuen.
Und heute?
Geschätzt 9 von 10 Männern sind heute bei der Geburt ganz selbstverständlich anwesend. Und das nicht nur als qualmendes Nervenbündel im Krankenhausflur. Trotz Geburtsvorbereitungskursen – sofern sie denn teilgenommen haben – sind viele von ihnen jedoch nicht richtig darauf vorbereitet, was sie erwartet.
Da es keine jahrhundertelange Tradition gibt, ist die konkrete Rolle des Vaters bei der Geburt noch immer ungeklärt. Allerdings hat die Corona-Pandemie gezeigt: Werdende Papas werden gebraucht, auch im Kreißsaal. Und wie ein Mann die Geburt empfindet, hängt ganz von seiner Persönlichkeit und auch ein wenig vom Geburtsverlauf selbst ab.
Positive und negative Gefühle von Männern bei der Geburt
Wahrscheinliche, positive Gefühle
- Ganz viel Liebe
- Glücksgefühle
- Respekt und Verehrung für die Frau
- Dankbarkeit
- Erleichterung
- Stolz
Mögliche negative Gefühle
- Hilflosigkeit
- Nutzlosigkeit
- Ungeduld
- Schuldgefühle
- Ekel
- Angst um die Partnerin
Die positiven Gefühle überwiegen!
Laut einer Studie zu den Gefühlen der Männer im Kreißsaal überwiegen tatsächlich die positiven Gefühle. Demnach bewertet ein Großteil der männlichen Begleitpersonen die Geburt als äußerst bereichernd. Die meisten fühlen sich also nach der Geburt weitaus enger mit der Partnerin und dem Baby verbunden. Nahezu alle werdenden Papas fühlen sich im Moment der Geburt von einer tiefen Liebe erfüllt, sind erleichtert und dankbar und können ihr Glück kaum fassen.
In Zahlen bedeutet das:
% der Befragten | Gefühl |
---|---|
94,0 % | waren überglücklich, die Geburt miterlebt zu haben |
88,4 % | hatten das Gefühl, ihre Partnerin bei der Geburt gut unterstützt zu haben |
85,5 % | empfanden die eigene Anwesenheit als hilfreich für die werdende Mutter |
79,8 % | fanden es auch für sich selbst hilfreich |
73,6 % | schätzten die gemeinsam erlebte Geburt als vorteilhaft für die Partnerschaft ein |
36,5 % | gaben an, zwischendurch Angst gehabt zu haben |
23,0 % | fühlten sich mitunter hilflos |
14,8 % | fühlten sich total überwältigt |
8,5 % | fühlten sich (direkt nach der Geburt) traumatisiert |
Als Mann bei der Geburt dabei sein: ja oder nein?
Laut der Diplom-Pädagogin Petra Otto auf forum.sexualaufklaerung.de gibt es „keine wissenschaftlich fundierten Aussagen über
- die emotionale Situation der Väter während und nach der Geburt,
- ihre Rolle neben Hebamme und Ärztin,
- den Einfluss der Väter auf den Geburtsverlauf, etwa auf den Schmerzmittelverbrauch,
- die Wirkung von väterlichem Stress, Angst, Hilflosigkeit,
- den Wert ihrer Unterstützung für die Partnerin,
- die Wirkung des Geburtserlebnisses auf die Sexualität des Paares,
- die Wirkung auf die Vater-Kind-Beziehung,
- den Nutzen des derzeitigen Angebots an Geburtsvorbereitungskursen für Männer.“
Wir können also lediglich aus Erfahrungsberichten und Gesprächen mit Ärzten und Hebammen darauf schließen, was mit Männern passiert, die bei der Geburt dabei sind.
Wie ein Mann die Geburt wahrnimmt, hängt stark davon ab, ob es Komplikationen gibt oder nicht. Hebammen berichten, dass Männer nach natürlichen Geburten überwiegend stolz und glücklich sind, während Männer nach komplizierten Geburten mitunter traumatisiert sind. Wie sich eine Geburt entwickelt, kann nicht vorherbestimmt werden. Umso wichtiger ist es daher, dass sich auch die Männer gut auf das vorbereiten, was sie erwarten könnte.
Die Entscheidung sollte jeder für sich selbst treffen
Ob ein Mann tatsächlich bei der Geburt dabei sein sollte, ist eine ganz individuelle Entscheidung. Zum gesellschaftlichen Dogma sollte es nicht werden.
Während der Coronakrise hat sich gezeigt, wie wichtig die Anwesenheit des Vaters im Kreißsaal sein kann. Laut der WHO ist es für werdende Mütter durchaus vorteilhaft, wenn eine selbstgewählte Begleitperson während der Geburt an ihrer Seite ist. Das gibt den Frauen ein besonderes Sicherheitsgefühl und wirkt sich am Ende positiv auf die Erfahrungen aus, die bei der Geburt gemacht werden. Ein Kreißsaalverbot hingegen, so wie es zu Beginn der Coronapandemie überwiegend praktiziert wurde, kann zu unnötigen medizinischen Risiken führen.
Aber: Ein sehr sensibler und nervöser Papa kann mitunter die werdende Mama während der Geburt unter Stress setzen. Deswegen ist es ratsam, wenn sich auch die Väter umfassend auf die Geburt vorbereiten.
Tipps für Männer zur Vorbereitung auf die Geburt
- Rede mit anderen Männern über ihre Erfahrungen oder lies dir ein paar Berichte durch, die auch schwierigere Erlebnisse schildern.
- Eine realistische Selbsteinschätzung hilft zu erkennen, ob eine Teilnahme an der Geburt wirklich sinnvoll ist. Wer zart besaitet ist, könnte seine Partnerin mit seiner Sorge aus der Ruhe bringen und vielleicht sogar das ein oder andere Trauma davon tragen.
- Mach das Dabeisein nicht zur Pflicht. Wenn der Mann sich dagegen entscheidet, ist das seine Sache und wahrscheinlich auch berechtigt.
- Wenn ihr euch dafür entschieden habt, besucht gemeinsam einen Geburtsvorbereitungskurs, der auch für Männer konzipiert ist.
- Für werdende Papas empfehlen sich spezielle Väterkurse. Da geht es einmal nicht um die Partnerin und das Baby, sondern um die Fragen, Ängste und das Gefühlsleben der Männer. Besonders vorteilhaft: In diesen Kursen sind die werdenden Väter unter sich und können sich auch gegenseitig Mut zu sprechen oder Erfahrungen austauschen.
- Redet schon vorher über alles, auch über negative Dinge, die passieren können und was in Notfällen geschehen soll. In 90 Prozent der Fälle wird während einer Geburt auf irgendeine Art medizinisch interveniert, die für den Mann durchaus belastend sein kann. Ein Drittel der Babys kommt durch einen Kaiserschnitt zur Welt. Beides hat mit dem ursprünglichen Geburtsverlauf wenig zu tun, sollte aber besprochen werden.
- Rechtzeitig ein Familienzimmer zu reservieren, ist leider in den meisten Kliniken unmöglich. Viele Geburtenstationen sind im Moment so überfüllt, dass die beliebten Zimmer schnell vergriffen sind. Es ist aber möglich, schon bei der Anmeldung in der Geburtsklinik diesen Wunsch zu äußern. Sofern er am Tag der Geburt umsetzbar ist, wird man euch diesen Wunsch erfüllen.
Bei der Geburt kann der Mann einiges tun
- Einfach da sein. Die pure Anwesenheit und Händchen halten reicht meist aus. Außerdem kann der Mann für genügend Getränke und kleine Snacks sorgen.
- Vermittlerrolle zwischen Frau und Krankenhauspersonal übernehmen. Der Mann kann zum Beispiel Formulare lesen, Fragebögen ausfüllen, medizinische Details und Erklärungen erfragen und vieles mehr.
- Immer optimistisch bleiben. Ärzte und Hebammen wissen, was sie tun. Wenn der Mann zuversichtlich bleibt, geht es auch der Frau besser.
Fazit
Ob ein Mann seine Partnerin während der Geburt unterstützen sollte oder nicht, kann nicht pauschal beantwortet werden. Es sollte eine individuelle Entscheidung bleiben, die gut durchdacht ist. Denn je nach Verlauf und Persönlichkeit empfinden Männer eine Geburt ganz unterschiedlich. Hilflosigkeit und Sorge treffen auf Liebe, Stolz und Dankbarkeit. Vielleicht hilft es zu wissen, dass es die meisten anwesenden Männer wieder tun würden, auch wenn es körperlich und psychisch anstrengend war.
Sollten Männer bei der Geburt dabei sein? Was denkst du? Schreib uns deine Meinung gern in einem Kommentar! Wenn du ein Mann bist, freuen wir uns auch sehr über weitere Erfahrungsberichte.
Quellen
- Berufsverband der Frauenärzte: Väter im Kreißsaal – viele haben Angst vor dem Ereignis:
https://www.frauenaerzte-im-netz.de/aktuelles/meldung/vaeter-im-kreisssaal-viele-haben-angst-vor-dem-ereignis/ (abgerufen am 16.5.2018) - Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung: Geburt ist ein archaisches Erlebnis:
https://www.familienplanung.de/schwangerschaft/vater-werden/ich-werde-vater/interview-geburt-ist-ein-archaisches-erlebnis/ (abgerufen am 16.5.2018) - Väter im Kreißsaal: Statisten bei der Geburt?
https://www.hebammenblog.de/vaeter-im-kreissaal-statisten-bei-der-geburt/ (abgerufen am 16.5.2018) - Väter im Kreißsaal
https://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/vaeter-im-kreisssaal-welche-aufgabe-hat-ein-mann-bei-der-geburt-podcast-a-1255989.html (abgerufen am 16.5.2018) - User-Kommentare auf Reddit.com
Das Schönste auf der Welt ist nicht umsonst. Zwar 0 € Anschaffungskosten (wenn keine Kinderwunschpraxis dabei war), aber die Unterhaltskosten sind hoch.
Aber alle Entbehrungen, Mühen und Qualen lohnen sich um unser Kinder glücklich aufwachsen sehen zu dürfen.
Mir persönlich ist es egal ob mein Mann dabei ist oder nicht. Beides hat seine vor- und Nachteile. Wir haben darüber gesprochen und er will gerne dabei sein. Auch andere Männer mit denen ich mich unterhalten habe (Freunde, Kollegen, Kunden,…) sagen überwiegend, dass sie bei der Geburt ihres Kindes dabei sein wollen. Ich denke, da kommt auch zum Teil der Beschützerinstinkt durch. Schließlich ist Frau in dieser Situation am verletzlichsten. Und wenn es ihnen doch zu viel wird, können sie immer noch raus. Ich sehe das Problem nicht darin ob Mann dabei oder nicht, sondern dass die Position der Hebamme durch die Politik immer mehr erschwert wird. Studium was vorher Ausbildung war, Vergütung, Versicherungspreise,… Die sind 24h auf Abruf. Können nur Pauschalbeträge für die Wochenbettbetreuung abrechnen, haben im Schnitt maximal eine halbe Stunde Zeit pro Familie ect. Pp. Und auch hier nur zeit nach Kind und Mutter zu schauen. Die Männer sind da völlig vernachlässigt. Vor, während und nach der Geburt. Jetzt mag das nicht Aufgabe der Hebamme sein. Trotzdem ist zu wenig Zeit und Platz für die Fragen und sorgen der Väter.