Sprache und Musik hängen zusammen. Nicht nur deshalb ist Singen schon für Neugeborene so wichtig! Warum Eltern ihren Kindern unbedingt (auch schief) vorsingen sollten, erklären wir im Text.
Von Geburt an haben wir unserem Kind viel vorgesungen. Mein Mann auf Italienisch und ich in meiner Muttersprache, Deutsch. Zugegeben, immer etwas schief und neben der Tonleiter, aber es schien unserem Baby sehr zu gefallen. Mal haben unsere Lieder zur Beruhigung beigetragen, mal unterhalten. Und wir haben uns dabei ganz tief in die Augen geschaut und das Kleine gegluckst vor Freude oder irgendwann geschlummert.
Mit dem Größerwerden haben wir zwar auch weniger gesungen, aber es war und ist immer noch fester Bestandteil unseres Alltags. Auch wenn wir nun vom Kind fürs schiefe Singen abgemahnt werden….
Heute gilt unser Kind als sprachbegabt, es hat auch selbst früh gesprochen und ist im Gegensatz zu uns auch sehr musikalisch geworden. Das könnte eine Veranlagung sein, aber auch mit unserem frühen Vorsingen zu tun haben, habe ich gelernt.
Wie Sprache und Musik zusammenhängen
Jede Sprache hat ein eigenes Betonungsmuster, eine rhythmische Kompetenz, die für die Sprachentwicklung, den Aufbau des Wortschatzes und der Grammatik benutzt wird. Das lernen Kinder im Laufe der Sprachadaption und Sprachentwicklung. Musik besteht auch aus Rhythmus und Melodien, beim Singen kommt die Stimme noch dazu. Es ist also logisch, dass Musik und Sprache eng miteinander verknüpft sind. Stellt man bei älteren Kindern später sprachliche Probleme fest, gehen diese auch eher mit Auffälligkeiten bei den musikalischen Fähigkeiten einher. Und zur Verbesserung der Sprachentwicklung werden sogar musikalische Strukturen trainiert.
Wie sich Vorsingen auf Babys auswirkt
Die elterliche Stimme ist für die Bindung und Entwicklung schon früh sehr wichtig. Die Sprachentwicklung beginnt schon im Mutterleib: Denn Neugeborene können Sprachlaute von nichtsprachlichen Lauten unterscheiden. Im letzten Drittel der Schwangerschaft ist das Hörorgan des Fötus ausgebildet – dann bilden sich auch im Gehirn sprachspezifische Areale.
Neugeborene sollen auch schon ein feines Gespür für Musik haben
Das könnt ihr bestimmt gut beobachten, wenn ihr eurem Baby vorsingt oder eine Melodie summt. Und auch Babys “machen” schon Musik: „Als Baby lernen wir vokal aktiv zu sein, indem wir schreien und singen. Dadurch erzielen wir bei unseren Eltern eine Reaktion. Sie kümmern sich um uns. Wir verbinden mit unserem Singen eine direkte positive Erfahrung“, sagt der Oldenburger Musikwissenschaftler Prof. Dr. Gunter Kreutz.
Manchmal neigen wir Eltern auch dazu, den Namen des Kindes in den ersten Wochen bis Monaten eher “melodisch” auszusprechen. Als wüssten wir ganz selbstverständlich, dass diese Art von Singen ein sanftes Ansprechen des Babys ausmacht, seine Aufmerksamkeit weckt und es dabei auch gut beobachten kann, wie wir die Laute formen. Die Art, den Namen unserer Kleinen zu sagen, stärkt die Bindung und sorgt für Sicherheit und ein wohliges Gefühl beim Nachwuchs. Es ist auch nach der Zeit im Mutterleib ein vertrautes Geräusch. Vorsingen senkt außerdem den Stresshormonspiegel deutlich besser als beruhigende Worte. Habt ihr das schon versucht, wenn euer Kind unruhig ist, weint oder sich weh getan hat?
Um die beschriebenen positiven Effekte auszulösen, müssen wir zum Glück nicht perfekt singen können. Eure Kinder kennen und lieben eure Stimmen, so wie sie sind. Wenigstens bis zur Pubertät, dann ist ALLES peinlich ;-).
Welche Lieder besonders auf Babys und Kleinkinder wirken
Überall auf der Welt singen Eltern, Großeltern und Betreuungspersonen Kindern passende Lieder in bestimmten Situationen vor. Wissenschaftler konnten nachweisen, dass unser natürliches Gespür für die richtige Melodie zum richtigen Zeitpunkt wirklich Sinn macht: Schlaflieder, wie „Schlaf, Kindlein, schlaf“ zum Beispiel, helfen kleinen Kindern, ein langsameres und regelmäßiges rhythmisches Muster zu verfolgen und sind demnach beruhigend.
Während Spiellieder, die mehr Variabilität enthalten, als ansprechender empfunden werden und so Kleinkinder dazu bringen, sich rhythmisch zu bewegen. Diese sogenannte akustische Variabilität von Spielliedern fördert darüber hinaus den Spracherwerb. Denn die rhythmische Variabilität lenkt die Aufmerksamkeit auf die prosodischen Informationen wie Stimmhöhe, Satzmelodie, Rhythmus und die Lautstärke der Lieder. Ein Spiellied, wie „Es tanzt ein Bi-Ba-Butzemann“ kommt gut an und hilft bei der Entwicklung. Spiellieder unterscheiden sich von Schlafliedern in Tempo, Tonhöhe und Komplexität. Das spüren schon kleine Babys – für sie ist das frühe musikalische Interaktionen, die sich positiv auf die Sprachentwicklung auswirkt.
Singen ist liebevolle Zuwendung
Wer mag, kann das Vorsingen also von Geburt an in den Alltag integrieren. Summend und singend geht übrigens auch der Haushalt leichter von der Hand, Wege werden schöner. Und: Singen wirkt sich heilsam und gesundheitsfördernd auf Körper, Geist und Seele aus – besonders, wenn wir Freude dabei empfinden. Laut Wissenschaft ist Singen gut für das Herz, die Lunge und das Immunsystem.
Wie wir richtig vorsingen
Auf der Seite Musikglück empfiehlt die Sprachtherapeutin, Theaterwissenschaftlerin, diplomierte Legasthenietherapeutin Patricia Pomnitz: “Hier noch ein genereller Tipp für zu Hause und Kindergarten: Von Natur aus sind die Stimmlippen von Kindern kürzer als die von Erwachsenen. Dies liegt daran, dass der kindliche Kehlkopf noch kleiner ist als der von Erwachsenen. Zu tief angestimmte Lieder zwingen Kinder zum ungünstigen Schreigesang. Um Schädigungen dieser Art vorzubeugen, sollten Kinderlieder stets etwas höher angestimmt werden und man sollte möglichst innerhalb eines bestimmten Tonumfangs bleiben. Dann ist das Singen eine wunderbare Stimmhygiene und kann kindlichen Stimmstörungen vorbeugen!”
Während ich diesen Artikel schreibe, läuft mein Kind übrigens singend und summend durch unser Zuhause. Und das gibt mir nun ein wohliges Gefühl. Wie ist das bei euch? Singt ihr für eure Babys?
Quellen
- ScienceDirect: Sing to me, baby: Infants show neural tracking and rhythmic movements to live and dynamic maternal singing: https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S1878929323001184?via%3Dihub (abgerufen am 07.11.2023)
- musikglück.de: Sprachentwicklung bei Kindern: Warum Musik dabei hilft: https://musikglueck.de/warum-musik-die-sprachentwicklung-foerdert/ (abgerufen am 07.11.2023)
- Carl von Ossietzky Universität Oldenburg: Singen macht glücklich: https://uol.de/aktuelles/artikel/singen-macht-gluecklich-854 (abgerufen am 07.11.2023)