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Darum solltest du dein Kind auf keinen Fall zum Aufessen überreden

Warum Kinder nicht aufessen muessen

Du stehst seit Stunden in der Küche und dann das: Dein Kind schiebt das Essen nach nur einem Löffel angewidert von sich weg. Du wirst wütend und drängst es, aufzuessen. Aber Achtung, das kann ziemlich gefährlich sein! Warum du dein Kind auf keinen Fall zum Aufessen überreden solltest, erfährst du in diesem Artikel.

Warum wir Erwachsenen denken, dass Aufessen dazu gehört

Kommen dir diese Sätze aus deiner eigenen Kindheit bekannt vor?

  • „Es wird gegessen, was auf den Tisch kommt.“
  • „Wenn du den Teller nicht leer isst, gibt es morgen schlechtes Wetter.“
  • „Nachtisch gibt es nur, wenn du probiert hast!“
  • „Wenigstens ein Probierlöffel!“
  • „Ach komm, ist doch nicht mehr so viel. Das schaffst du noch.“
  • „Das magst du, glaub mir!“

Und der Klassiker: „Denk doch mal an die Kinder in anderen Ländern, die haben gar nichts zu essen!“

Solche Sätze stammen häufig aus der Nachkriegs-Generation. Jahrzehnte später müssen wir allerdings nicht mehr um jede Mahlzeit bangen. Wir empfehlen dir deshalb, zu hinterfragen, ob du dein Kind (ohne es zu merken) nach diesen Glaubenssätzen erziehst. 

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„Nur noch ein Löffel, komm schon!“

Kennst du das? Du organisierst täglich alles so, dass ihr möglichst abwechslungsreich und gesund esst, aber dein Kind möchte an manchen Tagen nicht mal probieren. Vermutlich macht dich das wütend und frustriert. Obendrein willst du natürlich, dass dein Kind mit allen wichtigen Nährstoffen versorgt wird und genügend isst.

Allerdings solltest du im Hinterkopf haben:

  • Dein Kind verweigert das Essen nicht, weil es dich persönlich kränken will. Es hat einfach ein anderes Bedürfnis als du und entweder keinen oder nur wenig Hunger.
  • Kinder essen von Natur aus intuitiv. Sie spüren ganz genau, wann sie Hunger haben und wie viel sie essen müssen, um genügend Kraft zu tanken.
  • Essen ist ein Teil ihres Grundbedürfnisses und zeigt sich wie auch alle anderen Bedürfnisse individuell.
  • Es ist völlig normal, dass Kinder phasenweise weniger oder mehr essen.
  • Wieder andere essen nur bestimmte Lebensmittel oder reagieren auf ihr Lieblingsessen plötzlich vorsichtiger.

All das gehört zur Entwicklung eines individuellen Ess-Verhaltens dazu. Solange dein Kind von sich aus bestimmte Vorlieben zeigt und es dennoch mit allen Nährstoffen versorgt wird, ist alles in Ordnung. Im Zweifel kannst du das in der Kinderarztpraxis untersuchen lassen.

So ist es in Kindergarten und Schule

Auch in Kindergärten und Schulen sind die Mahlzeiten ein großes Thema und Kinder werden teilweise zum „Probierlöffel“ überredet. Das liegt häufig an …

  • Zeitdruck + Personalmangel: Manche Kinder essen eher langsam, andere schnell. In vielen Einrichtungen herrscht ein struktureller Zeitdruck bei geringem Personal, weswegen die Kinder schon früh lernen, ihr Hungergefühl an eine Struktur anzupassen.
  • Viele Eltern wollen, dass das Kind in Kita und Schule genug isst, vor allem, wenn es nachmittags noch Termine hat oder sie selbst nicht zum Kochen kommen. Das löst zusätzlichen Druck auf das Personal aus, dass das Kind beim Abholen satt sein muss.

In Einrichtungen lernen Kinder, ihre Bedürfnisse an Gruppensituationen anzupassen. Das ist für das spätere Leben und ein soziales Miteinander wichtig. Eher schädlich ist es, dass alle Kinder dieselben Lebensmittel probieren, aufessen oder gemeinsame Vorlieben haben sollen.

Für Erwachsene ist es wichtig, das eigene Verhalten beim Thema „Essen“ zu hinterfragen und den Anspruch ans Kind loszulassen. Auch das Kommentieren des Ess-Verhaltens gehört hier dazu.

Die Gefahr dahinter

Wenn ein Kind langfristig zum Aufessen, Probieren oder generellem Essen überredet wird, besteht die Gefahr, dass es verlernt …

  • ob und wann es Hunger hat,
  • ob und wann es satt ist,
  • welche Lebensmittel es mag und welche nicht.

Dadurch kann es auf Dauer seinen Zugang zu seinem natürlichen Hungergefühl verlieren. Was dahingegen bleibt und sich weiter verstärkt, sind Essprobleme.

Die Folge?

Unter Umständen kann es als Kind, Jugendlicher oder Erwachsener später …

  • unselbstständig, unsicher und abhängig vom Urteil anderer werden,
  • eine Unlust und Unsicherheit in Bezug auf Lebensmittel entwickeln,
  • Schwierigkeiten haben, klare und selbstbewusste Entscheidungen zu treffen,
  • ein niedriges Selbstvertrauen und Körpergefühl haben,
  • eine Essstörung entwickeln.

Hier zeigt sich: Du solltest dein Kind niemals zum Aufessen oder Probieren drängen, wenn du das vermeiden willst!

Essen darf Genuss und Freude sein

Kinder lernen nur dann richtig auf ihr Hunger- und Sättigungsgefühl zu hören, wenn sie Lebensmittel ohne Druck ausprobieren dürfen. Wenn sie diese Fähigkeit ihr Leben lang beibehalten, werden sie ein gesundes Ess-Verhalten entwickeln können und ein gutes Körpergefühl haben. Und das wichtigste: Neben dem Füllen des Magens darf Essen auch ein Genuss für den Gaumen sein!

Unsere Tipps für ein gesundes Ess-Verhalten des Kindes:

  • Dein Kind muss nicht mehr weiter essen, wenn es keinen Hunger hat!
  • Es darf sagen, wenn es satt oder hungrig ist. Obendrein darf dein Kind alles probieren, muss es aber nicht.
  • Versuche, es bei der Auswahl des Essens mitbestimmen zu lassen, zum Beispiel morgens in der Bäckerei oder im Supermarkt.
  • Lass dein Kind sein Essen selbstständig zum Mund führen, auf welche Art und Weise auch immer (hier sind Nerven und eine Prise Humor gefragt – aber es lohnt sich!)
  • Frage dein Kind „Was isst du am liebsten?“ oder „Welche Lebensmittel magst du nicht so gerne?“ – so entwickelt es ein eigenständiges Ess-Verhalten mit individuellen Vorlieben. 
  • Lebe deinem Kind einen individuellen, gesunden und natürlichen Umgang mit Hunger und Essen vor. Es wird dich hierbei automatisch nachahmen.

Fazit 

Um ein gesundes Ess-Verhalten beim Kind zu unterstützen, empfehlen wir Eltern, dem Kind so viel Freiraum wie möglich zu lassen. Das bedeutet im Klartext, dass das Kind nicht zum Aufessen oder Probieren überredet werden sollte, da dieser Druck auf Dauer das Risiko einer Essstörung verstärkt.

Dafür kannst du deine eigenen Glaubenssätze und deine Erziehung alá „Wenn ich nicht aufesse, gibt es morgen schlechtes Wetter!“ hinterfragen. Das ist ein erster Schritt, um dein Verhalten zu verändern. Dein Kind soll sein Essen genießen dürfen, um ein nachhaltig gesundes Verhältnis zu sich und seinem Körper zu entwickeln.

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Quellen

  • Bürgin, Dieter (1993). Psychosomatik im Kindes- und Jugendalter. Stuttgart: Gustav Fischer Verlag.
  • Bild: 206119063 alexugalek / stock.adobe.com
Veröffentlicht von Leonie Illerhues

Leonie war nach ihrem Studium der Heilpädagogik lange im Schulhort-, Kita- und Krippenbereich tätig. Erziehungs- und Entwicklungsthemen im Baby- und Kleinkindalter sind deshalb ihr Steckenpferd. Seit 2022 ergänzt Leonie unser Team mit diesem Schwerpunkt.

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