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Nachgefragt: Sollten Kinder alles mitbestimmen können?

Sollten Kinder alles mitbestimmen können?
Mitbestimmung des Kindes - wie geht das richtig? / Bild © Dollydoll, Adobe Stock

Damit das Kind zu einem selbstbewussten Menschen heranwächst, ist es wichtig, dass es eine eigene Meinung haben und mitbestimmen kann. Aber wie sieht das Ganze im Alltag aus? Und wie viel sollte das Kind mitbestimmen dürfen? All das erfährst du jetzt!

Mitbestimmung ist ein Kinderrecht!

Die Ansicht heutiger Erziehung hat sich geändert: Die alten Methoden haben ausgedient und viele Eltern versuchen mehr und mehr, das Kind zu einer meinungsstarken Persönlichkeit großzuziehen. Denn dem Kind steht es längst zu, mitzubestimmen, da das seit 1992 in den Kinderrechten verankert ist. Im besten Fall wird Mitbestimmung also sowohl Zuhause als auch in der Kita und Schule umgesetzt.

Zusätzlich ist Mitbestimmung wichtig, damit das Kind sein Selbstbewusstsein und seine Eigenständigkeit stärken kann. Das fördert wiederum seine Persönlichkeitsentwicklung und Selbstliebe, auch für sein späteres Leben im Erwachsenenalter.

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Die Vorteile von Mitbestimmung

Mitbestimmung im Alltag hat viele Vorteile. Kinder, die in bestimmte Entscheidungen einbezogen werden, lernen etwa:

  • „Ich darf eine eigene Meinung haben, die sich von anderen Meinungen unterscheiden darf.“: Dein Kind spürt, dass es in Ordnung ist, eine andere Meinung als Andere zu haben und diese auch auszusprechen. Es lernt, dass Kompromisse und Meinungsverschiedenheiten zum Leben dazu gehören.
  • „Meine Meinung ist wichtig und gefragt.“: Das Kind kann individueller und zügiger Entscheidungen treffen. Es hat einen selbstbewussten Zugang zu sich selbst. Nebenbei fördert Mitbestimmung auch die Sprache des Kindes. Es wird in Konflikten gewaltfreier argumentieren können, andere Meinungen zulassen und gleichzeitig zu seiner eigenen stehen. 
  • „Ich habe eine Wahl.“: Das Kind lernt, dass es bei Entscheidungen einbezogen wird und eine Wahl bei bestimmten Dingen im Leben hat. Das stärkt seine Motivation, seine Konzentration und sein Urteilsvermögen. 

Du siehst: Mitbestimmung ist wichtig, um eine Gesellschaft mit mehr Empathie, Kompromissbereitschaft, Klarheit und Selbstbewusstsein herstellen zu können. Gleichzeitig kann zu viel Mitbestimmung auch Nachteile mit sich bringen, worauf wir weiter unten noch eingehen. Mitbestimmung sollte sich deswegen eher auf die Abläufe des Alltags beziehen und die Interessen vom Kind berücksichtigen. Wie das praktisch aussehen kann, erklären wir jetzt, anhand von Beispielen.

Altersgerechte Mitbestimmung: Das 2-Optionen-Prinzip

Am simpelsten gelingt Mitbestimmung beim Kleinkind, Vorschulkind und Schulkind mit dem 2-Optionen-Prinzip. Das kann schon ab einem Lebensalter von 13 Monaten die Mitbestimmung fördern.

Wie Mitbestimmung nach dem 2-Optionen-Prinzip aussehen kann:

  • „Möchtest du zum Frühstück Müsli oder Toast?“
  • „Gleich geht es ins Bett. Möchtest du dir zuerst den Schlafanzug anziehen oder zuerst deine Zähne putzen?“
  • „Gehen wir heute Nachmittag auf den Spielplatz oder in den Park? Du kannst entscheiden!“
  • „Sollen wir ein Buch lesen oder lieber mit dem Holzspielzeug spielen?“
  • Im Supermarkt: „Möchtest du heute Abend Nudeln oder Kartoffeln essen?“

Wie du siehst, hat das 2-Optionen-Prinzip noch einen weiteren Vorteil: Es spart Zeit, wenn dein Kind etwa trödelt oder Entscheidungs-Schwierigkeiten hat. Du gibst ihm einen festen Rahmen und förderst dennoch seine Eigenständigkeit. Das Kind bestimmt dann eben nicht ALLES mit, aber die Bereiche, wo es möglich ist.

Je älter dein Kind wird, desto mehr Optionen kannst du ihm zur Auswahl anbieten. Wenn dein Kind älter als 10 Jahre alt ist, kann es auch etwa eigene Optionen vorschlagen oder sich von selbst in Themen einbringen, wenn es das möchte. Wichtig ist, dass ihr hier weiterhin im Gespräch bleibt, bei welchen Dingen es mitbestimmen darf. Das wäre eine altersgerechte Mitbestimmung.

Beispiele der Mitbestimmung im Alltag

Das 2-Optionen-Prinzip hat den Vorteil, dass es dem Kind Auswahlmöglichkeiten gibt, die schon vorab Grenzen haben. Obendrein könnt ihr als Eltern genau festlegen, wo ihr das Kind mitbestimmen lassen möchtet und wo nicht. Dazu haben wir einige Beispiele für dich.

Beispiel 1:

Lina ist 18 Monate alt und willensstark. Sie möchte ihr Essen häufig selbst in die Kita-Brotbox legen und wird wütend, wenn ihre Eltern das für sie übernehmen. 

  • Wenn Lina im Alltag das 2-Optionen-Prinzip zur Auswahl hat, wird ihr Bedürfnis nach Eigenständigkeit (Autonomie) besser gestillt. 
  • Am besten bezieht sich Linas Mitbestimmung genau auf die Bereiche, in denen sie Eigenständigkeit einfordert: „Lina, möchtest du das Brot in die Dose legen, oder soll ich das machen?“
  • Wenn die Eltern beide Optionen auf Gesichtshöhe anbieten, kann Lina auf ihre Wahl zeigen oder tippen, falls sie noch nicht spricht.
  • Essen: „Lina, möchtest du einen Apfel oder eine Banane essen?“
  • Spiel: „Wollen wir jetzt zusammen malen oder zu Musik tanzen?“ – Hier empfehlen wir in der einen Hand etwa eine Tonie-Box und in der anderen Hand Stifte hochzuhalten.
  • Kleidung: „Möchtest du heute die blaue oder die grüne Hose anziehen?“

Beispiel 2:

Maxi ist 2,5 Jahre alt. Er beobachtet viel und wartet meist, bis andere Kinder ein Spiel auswählen, dem er sich anschließen kann. Zu Hause ist es ähnlich. Hier solltet ihr als Eltern kleine Schritte der Mitbestimmung wählen, damit Maxi merkt, wie viel Spaß das macht, sich aber nicht zur Mitbestimmung gezwungen fühlt.

  • Bei Maxi kann das 2-Optionen-Prinzip helfen, damit er selbstbewusster wird, merkt, was er will und eigene Entscheidungen trifft.
  • Der Weg dahin sollte nicht unter Druck passieren. Hier eignen sich Auswahlmöglichkeiten in kleinen Schritten.
  • Einkauf: „Maxi, wollen wir die Nudeln mit Tomatensoße oder Pesto essen?“
  • Spielen: „Sollen wir auf dem Spielplatz zuerst auf den Rutschturm oder auf die Schaukel?“
  • Kleidung: „Morgen wird es wieder kälter, daher brauchst du in den Sandalen Socken. Möchtest du die roten oder die pinken anziehen?“

Beispiel 3:

Alex ist 4,5 Jahre alt und wirkt auf seine Eltern oft herausfordernd. Hier empfehlen wir eine festgelegte Mitbestimmung im Alltag. Das stillt ihr Bedürfnis und setzt gleichzeitig Grenzen.

  • Alex kann etwa mitbestimmen, was es mittwochs zum Abendessen gibt. Allerdings nicht jeden Tag und nicht zu jeder Mahlzeit.
  • Sie darf mitbestimmen, was nach der Kita im Nachmittag passiert. Die Einschlafroutine und den Zeitpunkt dafür geben aber die Eltern vor.
  • Alex könnte mitbestimmen, welchen Ausflug sie Samstag machen möchte, aber nur für einen bestimmten Zeitraum (lediglich nachmittags). 

Du siehst, bei Alex empfehlen wir die Mitbestimmung in deutlich mehr Bereichen des Alltags, weil sie schon etwas älter ist als etwa Lina oder Maxi.

Wann Mitbestimmung nach hinten losgehen kann

Wenn das Kind zu viel mitbestimmt, kann das Ganze natürlich auch schnell nach hinten losgehen. Die möglichen Folgen von zu viel Mitbestimmung sind zum Beispiel:

  • Überforderung: Je nach Alter des Kindes kann es bei zu viel Mitbestimmung auch überfordert werden, etwa wenn es Entscheidungen alleine und ohne Beschränkung treffen soll, die eigentlich in der Verantwortung der Eltern liegen. Beispiel: „Lina, du darfst entscheiden, ob du heute in die Kita gehst oder ob du lieber hier bleiben möchtest. Aber dann muss ich mich auf der Arbeit abmelden.“
  • Rollentausch: Zu viel Mitbestimmung birgt die Gefahr, dass die Eltern-Kind-Rollen plötzlich wanken und das Kind nicht mehr das Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit durch die Eltern erlebt. Das Risiko besteht, dass das Kind sich zu sehr in der Verantwortung sieht und das kann auf Dauer der Kinderseele schaden. Beispiel: „Maxi, du darfst entscheiden, ob ich heute Abend ins Kino gehe oder hier bleibe, um mit dir zu spielen.“
  • Anpassungs-Probleme: Es hat womöglich Probleme, sich etwa in der Kita an eine Spielidee anzupassen, weil es Zuhause gelernt hat, dass es alleine und ständig das Spiel entscheiden darf. 
  • Fehlende Empathie: Es hat dann unter Umständen auch verlernt, die Meinungen und Empfindungen anderer Menschen zuzulassen und zu akzeptieren. Wenn es dann etwa in der Kita bei Konflikten auf Widerstand stößt, kann das zu Frustration oder Aggression führen. 

Fazit

Mitbestimmung ist ein Kinderrecht und deswegen ist es wichtig, dass sie im Familienalltag umgesetzt wird. Für Eltern ist ein altersgerechter Mittelweg zwischen Mitbestimmung und Grenzen der Schlüssel zum Glück. Eltern sind auf der sicheren Seite, wenn sie das Kind im Alltag regelmäßig zwischen 2-Optionen entscheiden lassen. Je älter das Kind wird, desto mehr Mitbestimmung ist möglich. Mitbestimmung bewirkt, dass das Kind sich zu einem selbstbewussten und eigenständigen Menschen mit eigener Meinung, Empathie, Motivation und Kompromissbereitschaft entwickeln kann.

Wie stehst du zur Mitbestimmung des Kindes? Lebt ihr Mitbestimmung Zuhause? Hinterlasse uns gern einen Kommentar!

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Quellen

  • Graf, Danielle, Seide, Katja (2016). Das gewünschteste Wunschkind aller Zeiten treibt mich in den Wahnsinn. Der entspannte Weg durch Trotzphasen (12. Auflage 2017). Weinheim Basel: Verlagsgruppe Beltz.
  • Largo, Remo H. (2016). Babyjahre. Entwicklung und Erziehung in den ersten vier Jahren (18. Auflage). München/Berlin: Piper Verlag GmbH.
Veröffentlicht von Leonie Illerhues

Leonie war nach ihrem Studium der Heilpädagogik lange im Schulhort-, Kita- und Krippenbereich tätig. Erziehungs- und Entwicklungsthemen im Baby- und Kleinkindalter sind deshalb ihr Steckenpferd. Seit 2022 ergänzt Leonie unser Team mit diesem Schwerpunkt.

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