„Bei mir sieht das unten anders aus, als bei dir!“ – Sobald die ersten Fingerzeige oder Nachfragen des Kindes kommen, überlegen viele Eltern: Was sage ich zu Scheide, Penis und Co.? Warum du hier von Anfang an auf Verniedlichungen wie „Schniepi“, „Pullermann“ und „Kätzchen“ verzichten solltest, zeigen wir dir nun.
Wenn Verniedlichungen verwirren
Sobald das erste Kind auf die Welt kommt, verniedlicht sich die Sprache vieler Eltern scheinbar automatisch. Kürzlich schrieb uns eine Mutter das hier:
„Wir sind ganz stolz auf unsere Zwillinge! Schon seit der Geburt sind sie die kleine „Zuckermaus“ und der große „Mäusebär“. Wir mussten jetzt allerdings feststellen: Einmal verniedlichte Sprache kann sich schnell verselbstständigen. So bat ich Zuckermaus letztens, sich zum ersten Mal selbst den „Stinki“ auf dem Töpfchen abzuputzen, während ich daneben auf der Toilette saß und mir mein „Strulli“ aus der „Schatztruhe“ floss. Später ermahnte ich den Mäusebar, sich während des Essens doch bitte nicht ständig am „Pischi“ zu kratzen. Eines Abends kam Zuckermaus zu mir gelaufen: „Mama, warum hat meine Freundin eine Vulva und ich nicht?“ Mir wurde sofort ganz anders und ich wusste nicht, wie ich das jetzt erklären soll …“
So lustig und überzogen diese Geschichte auch klingt, empfehlen wir Eltern, spätestens jetzt verniedlichte Begriffe für die Geschlechtsteile zu hinterfragen. Denn hier zeigt sich, dass solche Verniedlichungen langfristig nur eines bewirken: große Verwirrung.
Bye bye Schamgefühl!
Kinder bringen eine natürliche Neugierde und ein großes Interesse für den eigenen Körper mit. Deswegen stellen sie dir Fragen oder tauschen sich mit anderen Kindern aus. Auch Doktorspiele oder Berührungen an den eigenen Geschlechtsteilen sind im Kleinkindalter völlig normal und nichts Ungewöhnliches. Sie entwickeln auf diese Weise ihr Körpergefühl. Bei Erwachsenen sieht das häufig ganz anders aus. Uns fällt es deutlich schwerer, vor den Kindern über die Geschlechtsteile zu sprechen. Doch warum ist das so?
Das eigene Schamgefühl gegenüber Geschlechtsteilen ist in der Regel „angelernt“.
Es entsteht größtenteils aus …
- peinlichen Aufklärungsgesprächen mit den eigenen Eltern
- lückenhaften Darstellungen von Geschlechtern in Büchern
- unangenehmen Körperfilmen in der Schule
Die Folge? Viele Eltern wollen ihre Kinder so lang wie möglich vor dem verklemmten Thema schützen und fangen deshalb an, Geschlechtsteile zu verniedlichen.
Wir empfehlen: Anstatt dein Kind in eine verniedlichte Scheinwelt einzuladen, die du spätestens im Kita-Alter wieder aufbrechen musst, kannst du besser von Anfang an die richtigen Begriffe für die Geschlechtsteile nutzen. Wenn du deine eigene Erziehung hinterfragst und dadurch mit dem Thema demnächst offener umgehst, bist du auf der sicheren Seite.
Dein Kind wird dich automatisch nachahmen. Es ist – auch schon ab einem Jahr – dazu in der Lage zu verstehen, was „Penis“ und „Vulva“ sind. Dafür kannst du diese Begriffe ganz natürlich einfließen lassen – etwa beim Wickeln oder der Körperpflege.
Beispiele:
- „Jetzt putze ich dir mit dem Feuchttuch die Vulva ab.“
- „Da du etwas wund am Penis bist, trage ich dir dort Creme auf.“
Also: Vermeide Verniedlichungen wie Pischi, Pullermann, Schniepi, Möschen, Schnecki, Mumu, Schatzkiste, Kätzchen oder ganz bedenkliche Abwertungen, wie „der Ih-Bah“.
Wie heißt es jetzt richtig?
Die korrekten Bezeichnungen für die Geschlechtsteile sind:
- Vulva = äußeres Geschlechtsorgan bei Mädchen (zeige und erkläre deinem Kind, was zur Vulva gehört)
- Scheide/Vagina = inneres Geschlechtsorgan bei Mädchen
- Penis = äußeres Geschlechtsorgan bei Jungen
- Hoden und Hodensack = inneres Geschlechtsorgan bei Jungen und Haut, die den Hoden trägt
Ein gutes Körpergefühl ist die halbe Miete!
Wenn Kinder die richtigen Begriffe für ihre Geschlechtsteile wissen und benutzen, hat das viele Vorteile für ihre weitere Entwicklung, wie etwa …
1. Selbstbewusstsein
Klare Sprache hilft, das Selbstbewusstsein zu fördern. Dein Kind wird in Gesprächen mit anderen sicher über seinen Körper sprechen und sich austauschen können. Das ist eine wertvolle Eigenschaft, die dabei helfen kann, sich zu einem ausgeglichenen Erwachsenen zu entwickeln.
2. Gesundheit
Wenn deinem Kind in der Kita oder Freizeit etwas weh tut, ist es von Vorteil, wenn es den Körperteil richtig benennen kann. Dasselbe gilt für Besuche in der Kinderarztpraxis. Dafür muss das Kind vorher beigebracht bekommen, wo sich was am Körper befindet.
Beispiele:
- „Mir juckt es am Po, Mama. Kannst du mal nachschauen, was das ist?“
- „Ich bin auf dem Auto ausgerutscht. Jetzt tut meine Scheide weh.“
- „Wenn ich Pipi mache, brennt der Penis ganz doll.“
3. Eigene Körpergrenzen
Um sich und seinen Körper zu schützen und Grenzen (auch später als Erwachsener) auszusprechen, hilft es, wenn dein Kind schon früh weiß, wie seine Geschlechtsteile heißen.
Beispiel Kita-Doktorspiel:
- „Nein Lina, ich will nicht, dass du mich am Penis anfasst.“
- „Das ist meine Scheide, ich möchte da nichts hereinstecken.“
- „Das tut mir weh, da will ich im Spiel nicht operiert werden.“
Durch die richtige Bezeichnung der Geschlechtsteile entsteht auch ein gesunder Respekt vor dem eigenen und fremden Körpern. Dieser kann dabei helfen, auch die Grenzen von anderen Kindern nicht zu überschreiten.
Wichtig: Gib deinem Kind zu verstehen, dass nur das eigene Geschlechtsteil berührt wird und andere (zum Beispiel von Freunden in der Kita) immer nur auf Nachfrage angefasst werden dürfen. Dasselbe gilt auch für weitere Körperteile, das Küssen und Umarmungen. Dadurch bringst du deinem Kind einen sensiblen Umgang mit Körpergrenzen bei.
Fazit
Selbst wenn es dir anfangs komisch vorkommen sollte: Nutze so früh wie möglich die richtigen Begriffe für die Geschlechtsteile von dir und deinem Kind. So lebst du ihm einen gesunden und scham-freien Umgang mit sich und seinem Körper vor. Keine Sorge: Du musst deine zweijährige Tochter noch nicht darüber aufklären, wie Babys gemacht werden. Allerdings kannst du ihr beibringen, dass sie im Gegensatz zu ihrem Bruder eine „Vulva“ hat, was alles dazu gehört und was wiederum die Scheide oder Vagina ist.
Dieser natürliche und unbefangene Umgang mit den Geschlechtsteilen unterstützt das Selbstbewusstsein und Körpergefühl deines Kindes. Obendrein wird es ihm dadurch später leichter fallen, für sich und die Grenzen seines Körpers einzustehen und die seiner Mitmenschen zu respektieren.
Quellen
Bild: 320582139 Halfpoint / stock.adobe.com