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Kinder- und Jugendpsychotherapie: Was Eltern wissen sollten

Kinder und Jugendpsychotherapie - Kinder- und Jugendpsychotherapie: Was Eltern wissen sollten

Dein Kind zeigt schon länger Verhaltensauffälligkeiten und die Kinderarztpraxis empfiehlt dir jetzt Kinder- und Jugendpsychotherapie? Was Psychotherapie für Kinder ist, wie sie aussieht und was dort passiert, all das erfährst du hier.

Das Wichtigste in Kürze

  • Kinder- und Jugendpsychotherapie (kurz: KJP) ist eine therapeutische Maßnahme für Kinder und Jugendliche, deren Verhalten auffällig ist.
  • Meist steckt eine seelische Belastung, eine Entwicklungsstörung oder eine psychische Erkrankung dahinter.
  • Die Beantragung der Therapie läuft über die Krankenkasse. Um die Suche nach einem geeigneten Platz müssen sich Eltern selbst kümmern. Hier ist Geduld gefragt.
  • Psychotherapie für Kinder kann Symptome dauerhaft lindern, sodass das Kind gestärkt wird und ein befreites Leben führen kann.

TRIGGERWARNUNG: In diesem Artikel werden Themen wie Tod und psychische Erkrankungen beschrieben. Wenn du selbst davon betroffen und belastet bist, empfehlen wir, diesen Artikel nicht oder nur in Begleitung zu lesen.

Psychotherapie für Kinder: Wie sieht das aus?

Wenn ein Kind Auffälligkeiten im Verhalten, der Stimmung und im Umgang mit Mitmenschen zeigt, braucht es vielleicht professionelle Unterstützung, um die Anforderungen des Lebens besser zu bewältigen. Womöglich liegt eine psychische Erkrankung oder seelische Belastung vor. Therapierende der Kinder- und Jugendpsychotherapie wurden dafür ausgebildet, diesen Leidensdruck zu erkennen, eine Diagnose zu stellen und mit individuellen Verfahren die Symptome zu lindern.

Die Therapie erfolgt über Therapiestunden in speziellen Praxen. Meist handelt es sich um eine Einzeltherapie, allerdings sind auch Gruppensitzungen möglich. Die Behandlungsstunden sind von der Diagnose abhängig. Manche Kinder und Jugendliche werden auch in einer stationären Einrichtung (Klinik oder Ambulanz) der Kinder- und Jugendpsychotherapie behandelt. KJP richtet sich an Kinder zwischen 0 und 13 Jahren und Jugendliche bis 20 Jahren. Das Ziel der Psychotherapie ist es, die Belastung der Kinderseele dauerhaft zu verringern. Häufig kann das Kind durch diese Begleitung langfristig ein glückliches Leben führen.

Für welche Kinder ist Psychotherapie hilfreich?

Psychotherapie ist für Kinder sinnvoll, die seelisch belastet sind oder Merkmale einer psychischen Krankheit zeigen. Diese können etwa sein:

Nicht selten treten verschiedene Symptome in Kombination oder als Begleiterkrankungen auf. Ein Kind mit ADHS kann also zusätzlich auch unter Depressionen leiden. 

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Wann sollte ich mit dem Kind zur Kinder- und Jugendpsychotherapie?

Wenn dein Kind schon länger Auffälligkeiten im Verhalten und der Stimmung zeigt oder seelisch belastet ist, solltest du nicht zögern: Lass den Zustand ärztlich abklären, um Folgeschäden zu vermeiden! Gehe zuerst zur Kinderarztpraxis, um organische Ursachen ausschließen zu können. Dann kannst du dich zu einer psychotherapeutischen Praxis für Kinder und Jugendliche überweisen lassen. 

Wie ist der Ablauf von Kinder- und Jugendpsychotherapie?

Die Art, Häufigkeit und Dauer der Psychotherapie hängt vom psychischen Krankheitsbild ab und auch davon, wie schnell dein Kind einen Therapieplatz bekommt. In der Regel gibt es in den therapeutischen Praxen kostenfreie Erstgespräche. Wenn die Diagnose gestellt wurde, werden der therapeutische Rahmen und die Behandlungszeit der Einzeltherapie festgelegt. Eine Kurzzeittherapie umfasst 12 Therapiestunden. Bei einer Langzeittherapie sind es 60 Stunden. Je nach Verlauf beantragt die/der Therapierende eine Folgetherapie. Abhängig von der Symptomatik kann sich die Behandlung daher auch über mehrere Jahre ziehen. In seltenen Fällen (etwa bei akutem Trauma) wird das Kind für einen bestimmten Zeitraum in eine stationäre Einrichtung eingewiesen und dort psychotherapeutisch versorgt.

Hinweis: Da die Wartelisten für Therapieplätze in Praxen der Kinder- und Jugendpsychotherapie lang sind, solltest du Geduld und Durchhaltevermögen mitbringen. Die Suche nach einem Platz musst du als Elternteil selbst übernehmen. Dazu kommt, dass die Beziehung zwischen Therapierenden und Kind den Therapieerfolg bestimmen. Das heißt, nicht jeder Therapierende ist sofort die richtige Person für dein Kind.

Wenn ihr noch auf einen Platz warten müsst, kannst du zur Überbrückung Familienberatungsstellen aufsuchen und dich hier von den Pädagogen beraten lassen.

Warum hilft Psychotherapie Kindern?

Für Kinder sind (ebenso wie für Erwachsene) belastende Gefühle und Erlebnisse manchmal gar nicht greifbar. Hier hilft die professionelle Einschätzung einer Fachperson, um die Ursache dafür finden zu können und die Gegenwart zu erleichtern. Innerhalb der Therapie trainieren die Kinder daher Strategien für den Alltag. Dadurch können sie ein stabiles Selbstbild aufbauen. Obendrein sind die Therapiestunden sehr individuell und beziehen das gesamte Leben des Kindes mit ein. Die Wissenschaft belegt den großen Therapieerfolg von Kinder- und Jugendpsychotherapie: Etwa 40 bis 70 Prozent der Kinder und Jugendlichen mit psychischen Belastungen erfahren über eine Psychotherapie im Kindesalter eine Linderung der Symptome. Dadurch leben sie als Erwachsene häufig befreiter und glücklicher.

Therapieformen der Kinder- und Jugendpsychotherapie

Wenn dein Kind eine Psychotherapie verschrieben bekommt, handelt es sich um eine der drei Therapieformen. Nur sie sind wissenschaftlich anerkannt:

Verhaltenstherapie

Das auffällige Verhalten wird mit individuellen Techniken gelöst und die Stärken des Kindes unterstützt. Es werden Alternativen zur Überwindung von Hürden im Alltag gefunden.

  • Beispiel: Anton beißt, anstatt zu sprechen, obwohl er sprechen kann. Innerhalb der Therapie sucht die/der Psychotherapeutin/Psychotherapeut nach der Ursache dafür. Gleichzeitig trainiert er hier spielerisch Alternativen, sich im Alltag auszudrücken, ohne Menschen dabei körperlich zu verletzen.

Analytische Psychotherapie

Bei der analytischen Psychotherapie liegt der Fokus darauf, verdrängte oder vergessene Erlebnisse der Vergangenheit herauszufinden, um die Belastung des Kindes zu verringern.

  • Beispiel: Anton isoliert sich seit einigen Monaten von Gleichaltrigen und seinen Eltern. Die/der Psychotherapeutin/Psychotherapeut stellt bestimmte Spiel-Figuren auf einem Spielbrett auf. Anton soll einzelne Menschen seines Lebens als Figur aufstellen und etwas dazu erzählen. Über diese und ähnliche Methoden kann ein möglicher Konflikt in Antons Leben herausgefunden werden.

Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie

Diese Therapieform hat ihren Ursprung ebenfalls in der analytischen Psychotherapie. Der Fokus bei der Behandlung liegt allerdings darauf, die Belastungen der Kinderseele in der Gegenwart zu verringern.

  • Beispiel: Anton hat gesehen, wie sein Vater überfahren wurde. Das Thema Tod und der Umgang mit schweren Gefühlen werden mit Anton etwa über kreative Methoden wie das Zeichnen besprochen. Diese und weitere Techniken aus der Traumatherapie können helfen, die Bilder in Antons Kopf neu anzuordnen und über den Verlust zu sprechen. 

Die Ausbildung von Kinder- und Jugendpsychotherapeuten

Die einzelnen Verfahren haben Kinder- und Jugendpsychotherapeuten über einen langen Ausbildungsweg (bis zu 10 Jahre) in speziellen Ausbildungsstätten verinnerlicht (wie DTV oder DGVT.). Er umfasst einen Theorie-Teil, eigene Behandlungsstunden – sowohl Einzeltherapien als auch Gruppensitzungen, die Reflexion des eigenen therapeutischen Handelns (Einzel-Supervision und Gruppensupervision) sowie mehrere hundert Stunden Selbsterfahrung und Praxisanteile (etwa in kinder- und jugendpsychiatrischen Kliniken und Ambulanzen). Die KJP-Ausbildung endet mit einer Abschlussprüfung. Die Ausbildungs- und Prüfungsverordnung ist einheitlich festgelegt (Bundesgesetzblatt: KJPsychTh- APrV).

Ausgebildete Therapeuten müssen die Methoden regelmäßig an neueste Erkenntnisse anpassen. Da jedes Kind individuell ist, wählen sie die therapeutischen Techniken im Kontext vom Entwicklungsgrad und unter Einbezug vom sozialen Umfeld aus.

Gut zu wissen: Kinder- und Jugendpsychotherapeuten dürfen keine Medikamente verschreiben. Das dürfen nur Psychiaterinnen und Psychiater, da nur sie eine ärztliche Approbation haben (staatliche Anerkennung, ärztlich tätig zu werden).

Das Berufsbild

Kinder- und Jugendpsychotherapeuten arbeiten etwa in diesen Bereichen:

  • In einer Praxis für Kinder- und Jugendpsychotherapie mit Kassensitz (für gesetzlich versicherte Kinder und Jugendliche)
  • In einer Kinder- und Jugendpsychotherapie-Praxis für privat versicherte Kinder und Jugendliche
  • Angestellt, etwa in einer kinder- und jugendpsychiatrischen Klinik, in Kinderheimen, in Instituten für Jugendpsychologie, in der pädagogischen Supervision oder Gruppensupervision, in Einrichtungen für Sozialpädagogik, in psychologischen Ambulanzen des Kinder- und Jugendalters oder in Beratungsstellen.

Da der Bedarf an Kinder- und Jugendpsychotherapie wächst und die Patienten-Wartelisten endlos lang sind, gehen Menschen mit diesem Beruf einer systemrelevanten Tätigkeit nach, die immer benötigt wird. Obendrein sichert die Tätigkeit die mentale Versorgung der Patienten, also das psychische Wohlbefinden von Kindern und Jugendlichen. 

Kinder- und Jugendpsychotherapie in der Nähe finden

Häufig können dir die Ärzte der Kinderarztpraxis eine Adressliste für Kinder- und Jugendpsychotherapie in deiner Nähe an die Hand geben. Ansonsten empfehlen wir dir diese Seite: https://www.therapie.de/therapeutensuche/

Bei der Therapeutensuche solltest du auf die Professionalität der Therapierenden achten: Nach dem Psychotherapeutengesetz dürfen Menschen nur dann die Berufsbezeichnung „Psychotherapeutin/Psychotherapeut“ nutzen, wenn sie eine „Approbation“ in ihrem Fach haben (staatliche Anerkennung). Dafür müssen sie nach dem Studium die KJP-Ausbildung in einem anerkannten Ausbildungsinstitut bestanden haben (KJPsychTh-APrV). Wenn du eines dieser Berufsbezeichnungen auf dem Praxisschild oder der Homepage findest, bist du auf der sicheren Seite:

  • Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut/-in nach PsychThG
  • Kinder-/Jugendpsychiatrie, Jugendpsychologie und -psychotherapie (KJP)
  • Kinder- und Jugendpsychiatrische Einrichtung – Einzeltherapie & Gruppensitzungen
  • Praxis für KJP nach dem Psychotherapeutengesetz
  • Verhaltenstherapie für Kinder und Jugendliche
  • tiefenpsychologisch fundierte Therapie für Kinder und Jugendliche
  • analytische Psychotherapie für Kinder und Jugendliche
  • Praxis für Kinder- und Jugendpsychotherapie von Dipl. Psychologe/-in XY und Dipl. Pädagoge/-in YZ
  • Praxis für Jugendpsychologie nach dem PsychThG

Hat dir unser Artikel zum Thema Kinder- und Jugendpsychotherapie geholfen? Hast du schon einen Therapieplatz für dein Kind gefunden? Hinterlasse uns gerne einen Kommentar! 

Quellen

  • Bürgin, Dieter (1993). Psychosomatik im Kindes- und Jugendalter. Stuttgart: Gustav Fischer Verlag.
  • Caby, Filip und Andrea (2011). Die kleine psychotherapeutische Schatzkiste. Tipps und Tricks für kleine und große Probleme vom Kindes- bis zum Erwachsenenalter. (2. Auflage). Dortmund: Borgmann Media.
  • Dilling, Horst, Freyberger, Harald J. (2016): ICD-10. Taschenführer zur ICD-10-Klassifikation psychischer Störungen. (8. Auflage). Hogrefe Verlagsgruppe.
  • Greving, Prof. Dr. Heinrich, Ondracek, Prof. Dr. Petr (2010): Handbuch Heilpädagogik. (2. Auflage) Troisdorf: Bildungsverlag EINS GmbH.
  • Perls, Frederick S., Hefferline, Ralph F., Goodman, Paul (2015). Gestalttherapie. Grundlagen der Lebensfreude und Persönlichkeitsentfaltung. (9. Auflage). Stuttgart: Klett-Cotta Verlag.
  • Siegel, Elaine V. (1997): Tanztherapie. Seelische und körperliche Entwicklung im Spiegel der Bewegung. Ein psychoanalytisches Konzept. (4. Auflage) Stuttgart: Klett-Cotta Verlag.
  • Geschäftsstelle der DGVT-Akademie – DGVT (2022). Ausbildung Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie. https://www.dgvt-akademie.de/kjp/information/ (abgerufen am 29.12.2022).
  • Monks – Ärzte im Netz GmbH (2022): Begriffserklärung: Kinder- und Jugendpsychotherapie. https://www.neurologen-und-psychiater-im-netz.org/kinder-jugendpsychiatrie-psychosomatik-und-psychotherapie/kinder-und-jugendpsychotherapie/ (abgerufen am 28.12.2022).
  • TarGroup Media GmbH (2022): Ausbildung zum Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten. https://www.psychologie-studieren.de/ausbildungen/kinder-und-jugendlichenpsychotherapeut/ (abgerufen am 29.12.2022).
  • Bild: 295962308 Krakenimages.com / stock.adobe.com

 

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Veröffentlicht von Leonie Illerhues

Leonie war nach ihrem Studium der Heilpädagogik lange im Schulhort-, Kita- und Krippenbereich tätig. Erziehungs- und Entwicklungsthemen im Baby- und Kleinkindalter sind deshalb ihr Steckenpferd. Seit 2022 ergänzt Leonie unser Team mit diesem Schwerpunkt.

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