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Warum Fremdeln bei Babys ganz normal ist

Warum Fremdeln bei Babys ganz normal ist
Es ist ein wichtiger Teil der Entwicklung, wenn ein Baby plötzlich fremdelt ... Bild © LIGHTFIELD STUDIOS, Adobe Stock

Wenn das Baby auf einmal fremdelt, machen sich viele Eltern Sorgen, woher das Verhalten kommen könnte. Hier erfährst du, was es mit Babys Fremdeln auf sich hat und was du darüber wissen solltest.

Das Wichtigste in Kürze

  • Fremdeln ist ein wichtiger Prozess der sozial-emotionalen Entwicklung.
  • Die Fremdel-Phase tritt meist zwischen dem 6. und 8. Monat auf, ihr Verlauf ist individuell.
  • Häufig zeigt sie sich, wenn das Baby allmählich wahrnimmt, dass es eine eigene Person ist, die unabhängig von seinen Bindungspersonen existiert.
  • Das Baby fremdelt etwa, wenn es spürt, dass Mama oder Papa es mit anderen Bezugspersonen allein lassen. Es muss erst noch lernen, dass die Eltern auch existieren und wiederkommen, wenn sie nicht im Raum sind.
  • Fremdeln kann auch auftreten, wenn das Baby gemeinsam mit den Eltern auf unbekannte Personen trifft.
  • Eltern sollten ihr Baby in der Fremdel-Phase achtsam, geduldig und verständnisvoll begleiten. Wir zeigen, wie das möglich ist.

Wenn das Baby plötzlich fremdelt

Fremdeln tritt in der Regel zwischen dem 6. und 8. Lebensmonat auf. Häufig zeigt es sich erstmalig, wenn die Bindungspersonen (in der Regel Mama und Papa) den Raum verlassen und das Baby mit einer anderen Bezugsperson, wie etwa Oma, allein ist. Obwohl Oma eine Bezugsperson ist, fühlt es sich auf einmal unsicher. 

Wieder andere Babys fremdeln, wenn ihnen unbekannte Personen vorgestellt werden. War das Baby zuvor noch interessiert an allem und jedem, ist es jetzt plötzlich auffällig zurückhaltend oder sogar ängstlich. 

Dieses plötzlich eintretende Verhalten irritiert viele Eltern, ist allerdings völlig regulär und ein Teil der kindlichen Entwicklung. 

Warum Fremdeln ein gutes Zeichen ist!

Fremdeln, oder auch Trennungsangst, tritt in der Regel dann auf, wenn das Baby allmählich wahrnimmt, dass es eine eigene Person ist, die unabhängig von seinen Bindungspersonen (in der Regel die Eltern) existiert. 

Dieses Gefühl ist für deinen Schatz eine Art „Trennungs-Prozess“, weil er in den vergangenen Monaten vermutlich eine Vorliebe für die körperliche Nähe zu dir und euch entwickelt hat. 

Obendrein versteht das Baby bisher nicht, dass Mama und Papa immer wiederkommen und auch dann noch da sind, wenn sie nur kurz den Raum verlassen, während eine andere Bezugsperson bei ihm bleibt.

Das macht das Fremdeln zu einem völlig natürlichen Prozess. Zeigt das Baby erstes Fremdel-Verhalten, macht es eine wichtige Lernerfahrung …

Fremdeln ist Teil der sozial-emotionalen Entwicklung 

Das Fremdeln macht deutlich: Dein Baby kann jetzt vertraute und unbekannte Gesichter voneinander unterscheiden und spürt, wer zu seinem engsten sozialen Kreis gehört. 

Und das ist gut so! Denn es spürt jetzt, dass es eine gewisse Distanz zu Menschen hat, die nicht seine Eltern sind. 

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Ein gesundes Nähe-Distanz-Verhalten zu anderen Menschen ist auch für die weitere Entwicklung deines Kindes essenziell. Es gewinnt dadurch an Selbstvertrauen, Selbstständigkeit und Selbstbewusstsein. 

Und selbst wenn Oma oder Opa längst Bezugspersonen sind, kann das Baby auch bei ihnen fremdeln. Das ist dann keine Ablehnung, sondern offenbart eher, dass es dazu in der Lage ist, enge, vertraute Bindungen einzugehen. 

Starke Bindungen benötigen Zeit und Konstanz. Da Mama und Papa automatisch beide Faktoren beim Baby abdecken, bevorzugt es in dieser Phase verstärkt seine Eltern. 

Durch das Fremdeln zeigt es, dass es einen Unterschied wahrnimmt, zwischen …

  • Bindungspersonen: i. d. R. Mama und Papa, die für Liebe, Geborgenheit, Sicherheit, Aufmerksamkeit, Essen usw. sorgen und 
  • Bezugspersonen: allen anderen dem Baby nahestehenden Personen, die es regelmäßig sehen.

Denn …

Babys Bindungsverhalten, einfach erklärt!

Dein Baby braucht für seine Entwicklung und sein Überleben verlässliche Bindungspersonen. In der Regel sind die Bindungspersonen die Eltern des Kindes. 

Je nach Familien- und Lebenskonstellation können die Menschen Babys Bindungspersonen sein, die es nach der Geburt durch Zuwendung, Aufmerksamkeit, Vertrauen, Respekt und Liebe täglich begleiten. 

Der Kinderanalytiker John Bowlby unterscheidet in seiner Bindungstheorie zwischen primärer und sekundärer Bindungsperson. Als primäre Bindungsperson wird häufig die Person, die das Baby austrägt, also die Mutter, betrachtet. Die sekundäre Bindungsperson ist nach Bowlbys Theorie der Vater. Sie bilden gemeinsam Babys Bindungsgefüge

Bei alleinerziehenden Müttern kann aber auch die Oma oder eine Freundin die sekundäre Bindungsperson sein. Das liegt immer daran, wer nach Mama am meisten für das Baby da ist. 

Die Erfahrungen, die das Baby mit seinem Bindungsgefüge macht, bilden die Basis für sein Urvertrauen und die Art und Weise, wie es diese Welt sieht und erfährt. Obendrein sichert das Bindungsgefüge natürlich sein Überleben. Deswegen besteht für das Baby eine Abhängigkeit vom Bindungsgefüge. 

Erst mit etwa 15 bis 18 Monaten versteht es, dass es einen eigenen Willen und eigene Bedürfnisse hat, die sich von denen des Bindungsgefüges unterscheiden können. 

Das erklärt, warum dein Baby aktuell gelegentlich fremdelt, selbst wenn eine bekannte Bezugsperson bei ihm ist. Es nimmt jetzt erste kleinere Trennungen vom Bindungsgefüge wahr. 

Du kannst deinem Kind das Fremdeln allerdings etwas erleichtern …

Wie du auf das Fremdeln des Babys reagieren kannst

Als Elternteil ist es wichtig, dass du diese wichtige Entwicklungsphase anerkennst und sie verständnisvoll begleitest. Das kann in etwa so aussehen:

Sprachlich und Emotional

  • Kommuniziere dein kurzes Gehen und Kommen klar und immer positiv, damit das Baby versteht: „Mama und Papa kommen immer wieder, selbst wenn ich sie mal nicht sehen sollte.“ 
  • Beispiel: „Mein Schatz, ich gehe kurz in die Küche. Oma bleibt bei dir.“
  • Vielleicht denkst du jetzt: „Aber das Baby versteht das doch gar nicht!“ – inhaltlich bisher nicht, aber es wird das Vertrauen und die Sicherheit, die du vermittelst, deutlich spüren. 
  • Sobald du den Raum verlässt, lasse – wenn möglich – etwas mit vertrautem Geruch in Babys Nähe, wie etwa einen Schal von dir. So erleichterst du deinem Schatz in der Fremdel-Phase die Situation. 
  • Hab im Hinterkopf, dass das Fremdeln und Babys Erkennen von „Mama und Papa kommen immer wieder zurück“ ein Prozess ist, der vielleicht nicht geradlinig verläuft und eben Zeit braucht. 

Umgang mit Bezugspersonen

  • Halte den Kreis von Babys Bezugspersonen insgesamt konstant. Viele wechselnde Bezugspersonen können beim Baby Unsicherheiten auslösen und die Fremdel-Phase unnötig verlängern oder verstärken. 
  • Sobald du neue Bezugspersonen vorstellst, mach mehrere Treffen dafür aus, so hat dein Baby genügend Zeit, die neue Person kennenzulernen. Am besten ist es, wenn ihr das bei euch Zuhause macht, denn hier fühlt sich das Baby für gewöhnlich am sichersten. 

Babys sind sehr feinfühlig und nehmen die emotionalen Signale ihrer Bindungspersonen zügig auf. Das bedeutet, dass dein Baby ganz genau spürt, ob du einer Bezugsperson vertraust oder eben nicht. 

Gerade wenn du zurzeit einen Babysitter einführst, oder die Eingewöhnung in der Krippe bald ansteht, ist es gut, dass im Hinterkopf zu haben. Wenn du der neuen Betreuungsperson wirklich vertraust, wird es auch dein Baby tun.

Fremdeln ist individuell!

Falls dein Kind bis jetzt nicht fremdelt, mach dir keine Gedanken!

Denn wie jeder andere Meilenstein der Baby-Entwicklung verläuft auch das Fremdeln sehr individuell und kann sich auf verschiedenste Weisen zeigen. 

Hat das Kind über einen auffällig langen Zeitraum beinahe tägliche Trennungsängste, wende dich im Zweifel an deine Kinderarztpraxis und lass den Zustand abklären. 

Vielleicht ist das jetzt kein Fremdeln mehr, sondern es steht ein anderes emotionales Bedürfnis deines Schatzes dahinter. 

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Quellen

  • Davies, Uzodike, van Loon, Wirth (2022). Das Montessori Baby. Geborgen und mit offenen Sinnen ins Leben starten. Weinheim: Verlagsgruppe Beltz.
  • Largo, Remo H. (2016). Babyjahre. Entwicklung und Erziehung in den ersten vier Jahren (18. Auflage). München/Berlin: Piper Verlag GmbH.
  • ManuEla Ritz, Simbi Schwarz (2022). Adultismus und kritisches Erwachsensein. Hinter (auf-)geschlossenen Türen. Münster: Unrast Verlag.
  • Perls, Frederick S., Hefferline, Ralph F., Goodman, Paul (2015). Gestalttherapie. Grundlagen der Lebensfreude und Persönlichkeitsentfaltung. (9. Auflage). Stuttgart: Klett-Cotta Verlag.
  • Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (2023): Bindung. Streben nach Sicherheit und Geborgenheit. https://www.kindergesundheit-info.de/themen/entwicklung/0-12-monate/bindung/ (abgerufen am 21.11.2023).
  • Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (2023): Der Beginn des „Fremdelns.“ https://www.kindergesundheit-info.de/themen/entwicklung/0-12-monate/erste-gefuehle/fremdeln/ (abgerufen am 21.11.2023).

✔ Inhaltlich geprüft am 14.12.2023
Dieser Artikel wurde von Emely Hoppe geprüft. Wir nutzen für unsere Recherche nur vertrauenswürdige Quellen und legen diese auch offen. Mehr über unsere redaktionellen Grundsätze, wie wir unsere Inhalte regelmäßig prüfen und aktuell halten, erfährst du hier.

Veröffentlicht von Leonie Illerhues

Leonie war nach ihrem Studium der Heilpädagogik lange im Schulhort-, Kita- und Krippenbereich tätig. Erziehungs- und Entwicklungsthemen im Baby- und Kleinkindalter sind deshalb ihr Steckenpferd. Seit 2022 ergänzt Leonie unser Team mit diesem Schwerpunkt.

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