Denkst du über eine Fruchtwasseruntersuchung nach? Dann erhältst du in diesem Artikel alle wichtigen Informationen, um eine für dich richtige Entscheidung treffen zu können. Denn ganz ohne Risiko ist eine solche Untersuchung nicht. Wir klären dich auf.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Fruchtwasseruntersuchung soll Erbkrankheiten und Anomalien wie Trisomie erkennen.
- Sie birgt ein erhöhtes Risiko für eine Fehlgeburt.
- Werde dir vorher klar: Was machst du mit der Information?
- Es gibt Alternativen.
- Deshalb: Entscheidung gut abwägen!
Was ist eine Fruchtwasseruntersuchung?
Die Fruchtwasseruntersuchung, auch Amniozentese genannt, zählt zur invasiven Pränataldiagnostik. Dabei entnimmt die Ärztin mit einer Hohlnadel durch die Bauchdecke Fruchtwasser direkt aus der Gebärmutter. Zwei Minuten dauert der Eingriff. Meist ohne Betäubung, weil der Stich nicht mehr schmerzt, als eine Blutentnahme. Während des Eingriffs zeigt ein Ultraschall, ob die Nadel am richtigen Platz sitzt. Das Fruchtwasser enthält Zellen und Proteine des Fötus. Dadurch lassen sich einige Behinderungen und Fehlbildungen frühzeitig feststellen.
Das lässt sich mit einer Fruchtwasseruntersuchung erkennen
Die aus dem Fruchtwasser gewonnenen Zellen enthalten alle 23 Chromosomenpaare. Anhand dieser Chromosomen lassen sich Anomalien feststellen. So kann ein Genetiker Trisomie 21, Trisomie 18 und Trisomie 13 allein an der Zahl der Chromosomen festmachen. Die weitergehende DNA-Untersuchung gibt Aufschluss über etwaige Erbkrankheiten und bestimmte Stoffwechselstörungen. Jedoch können nicht alle genetischen Störungen, Stoffwechsel- oder Erbkrankheiten erkannt werden.
Im Fruchtwasser schwimmende Proteine verraten einen offenen Rücken (Spina bifida) und Bauchwanddefekte. Auch Infektionen wie z.B. Toxoplasmose lassen sich so nachweisen. Findet die Fruchtwasseruntersuchung zu einem späteren Zeitpunkt statt, gibt sie Aufschluss über Blutgruppenunverträglichkeiten und die Lungenreife. Auch das Geschlecht eines Kindes lässt sich so bestimmen.
Ein vorläufiges Ergebnis gibt es nach ein paar Tagen. Das endgültige Ergebnis steht erst nach etwa zwei bis drei Wochen fest.
Der richtige Zeitpunkt für eine Amniozentese (Fruchtwasseruntersuchung)
In der Frühschwangerschaft ist die Gefahr einer Fehlgeburt aufgrund der Amniozentese zu hoch. Außerdem reicht die Zahl der kindlichen Zellen im Fruchtwasser dann noch nicht aus. Deshalb erfolgt eine Fruchtwasseruntersuchung normalerweise zwischen der 14. und 19. Schwangerschaftswoche. In Einzelfällen kann sie auch noch später durchgeführt werden. Allerdings steigt dann die Gefahr, dass die Hohlnadel das Baby verletzt, da es nun mehr Platz in der Gebärmutter einnimmt.
Wem wird zu einer Amniozentese geraten?
Zur Untersuchung des Fruchtwassers raten Ärzte nicht mehr so häufig wie früher. Denn mittlerweile spielt nicht nur das Alter der Schwangeren eine Rolle. Erst wenn die Nackentransparenzmessung und die Serumwerte ebenfalls auffällig waren, schlagen Ärzte sie häufiger vor.
Gründe für eine Fruchtwasseruntersuchung können sein:
- Die Schwangere ist schon 40 oder älter
- Es gab Auffälligkeiten im Ultraschall oder beim Ersttrimesterscreening
- Es wurden auffällige Werte im Blutserum entdeckt
- In der Familie gibt es Erbkrankheiten wie Stoffwechsel- oder Muskelerkrankungen
- Ein älteres Geschwisterkind hat eine Chromosomenstörung
- In vorangegangenen Schwangerschaften gab es einen Neuralrohrdefekt oder eine Fehlgeburt aufgrund einer Chromosomenstörung
Ob du einer solchen Empfehlung zustimmst, ist deine Entscheidung. Denn eine Fruchtwasseruntersuchung ist nicht ohne Risiko, aber dazu gleich mehr. Wichtig ist es, dass du im Hinterkopf behältst, dass sich im Schnitt nur zwei von hundert Verdachtsfällen bestätigen.
Fruchtwasseruntersuchung: Nutzen versus Risiko
Ja, eine Fruchtwasseruntersuchung kann dabei helfen, Behinderungen und Erbkrankheiten rechtzeitig zu erkennen. Je älter die Schwangere ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass es Fehler bei der Zellteilung gibt. Das Risiko, ein in irgendeiner Form eingeschränktes Kind zu bekommen, steigt also. Da kann eine Fruchtwasseruntersuchung Klarheit bringen und dich beruhigen.
Doch auch wenn der Eingriff meist schmerzfrei ist, ein Restrisiko bleibt. Denn immerhin sticht der Arzt durch deine Bauchdecke in die sonst gut geschützte Fruchtblase hinein. Dies geschieht zwar mithilfe von Ultraschall, kann aber dennoch daneben gehen, wenn sich das Kind beispielsweise plötzlich bewegt.
Folgende Risiken gibt es:
- Verletzungen beim Baby oder an der Gebärmutter
- Vaginale Blutungen
- Infektionen
- Kontraktionen und vorzeitiger Blasensprung
- Fehlgeburt
Folgende Faktoren erhöhen das Risiko einer Fehlgeburt bei einer Fruchtwasseruntersuchung
Allgemein wird angegeben, dass das Risiko einer Fehlgeburt nach einer Fruchtwasseruntersuchung bei einem Prozent liegt. Also einmal bei hundert Eingriffen.
In einer Studie von 2016 wurden die Verläufe von 6.752 Fruchtwasseruntersuchungen ausgewertet. Die Verlustrate lag hier bei 1,19 Prozent bis zur 24. Schwangerschaftswoche. Je älter die Frau ist, desto größer ist das Risiko. Ebenso bei leichten bis starken Blutungen in der Schwangerschaft und bereits vorangegangenen Fehlgeburten in der Anamnese. Dies legt nahe, bei vorliegenden Risikofaktoren genauer zu schauen und eine individuelle Nutzen-Risiko-Abwägung mit dem Arzt oder Ärztin durchzuführen.
Bei retrospektiven Studien aus dem Jahr 2003 und 2016 kam heraus, dass abhängig von Alter und vorangegangen Schwierigkeiten bis zu 8 Prozent der Frauen im Anschluss eine Fehlgeburt erlitten. Einige davon hätten eventuell auch ohne den Eingriff eine Fehlgeburt gehabt, aber das Risiko war bis zu dreifach erhöht.
- 20 – 34 Jahre: 2,5 Prozent
- 35 – 39 Jahre: 3,4 Prozent
- 40+ Jahre: 5,1 Prozent
- vorangegangene Vaginalblutungen: 6,5 Prozent
- vorangegangene Fehlgeburten oder Abbrüche: 8 Prozent
Eine einfache Rechnung anhand des Beispiels des Down-Syndroms offenbart, dass das Risiko einer Fehlgeburt den Nutzen der Untersuchung meist übersteigt. Zumindest dann, wenn man es am Alter der Schwangeren festmacht:
Alter der Schwangeren | Babys mit Down-Syndrom | Risiko einer Fehlgeburt wegen Amniozentese |
---|---|---|
40-45 | 2,00 % | 5,10 % |
35-39 | 0,38 % | 3,40 % |
20-34 | 0,28 % | 2,50 % |
Folgen des Befundes bedenken
Zusätzlich zu den oben genannten Gefahren des Eingriffs gibt es noch weitere Herausforderungen. Zunächst solltest du dich fragen: Was würdest du tun, wenn du nach der Fruchtwasseruntersuchung mitten in der Schwangerschaft einen Befund in der Hand hältst, der dein ganzes Leben verändern könnte?
Würdest du das Kind behalten? Wie würde die weitere Schwangerschaft verlaufen, wenn du es wüsstest und dich FÜR dein Kind entscheidest?
Wenn du das Kind nicht bekommen willst, ist eine Abtreibung ebenfalls nicht leicht. Nach etlichen Wochen der Schwangerschaft hast du möglicherweise schon eine Beziehung zu deinem Ungeborenen aufgebaut. Sein Leben bewusst zu beenden, kann eine psychische Belastung bei dir und deinem Partner hinterlassen. Die Entscheidung, ob dafür oder dagegen, liegt natürlich ganz bei dir und deinem Partner, aber ihr solltet euch dazu professionell beraten lassen und alle Informationen einfordern, um spätere Selbstvorwürfe zu vermeiden. Eine Anlaufstelle könnte dafür Profamilia oder andere Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen in deiner Nähe sein.
Ein anderer Aspekt: Wer weiß, wie eingeschränkt dein Kind tatsächlich wäre? Denn selbst Trisomie 21 gibt es in den verschiedensten Abstufungen. Einige Kinder mit diesem Defekt haben sogar studiert. Ja, eine Behinderung oder Erbkrankheit ist eine große Belastung. Dennoch empfinden viele Eltern ihre eingeschränkten Kinder als ein Geschenk, weil sie sie lehren, die Welt mit anderen Augen zu sehen.
Um solche und andere Fragen zu klären, wird der Arzt mit der Schwangeren vor dem Eingriff immer persönlich sprechen und sie beraten.
🎧 Podcast-Tipp: Mein Kind hat Trisomie 21 – ein Erfahrungsbericht
In dieser Folge sprechen wir mit Familienpapa Daniel. Er ist Vater eines achtjährigen Sohnes mit Down-Syndrom und gibt uns spannende Einblicke in seinen Alltag.
Das sind die Kosten einer Fruchtwasseruntersuchung
Wenn eine Fruchtwasseruntersuchung bei dir medizinisch angeraten ist, übernimmt die Kasse alle anfallenden Kosten. Das gilt generell auch, wenn du bereits 40 Jahre alt ist. Wenn du den Eingriff jedoch wünschst, ohne dass er tatsächlich nötig ist, musst du ihn selbst zahlen. Die Kosten dafür musst du leider beim Arzt erfragen. Sie dürften sich aber einschließlich Labor auf etwa 700 Euro belaufen. Sicher ist das aber nicht, da sich dazu keine offiziellen Informationen finden.
Diese Alternativen gibt es anstelle der Amniozentese
Wenn du dich gegen eine Fruchtwasseruntersuchung entscheidest, hast du dennoch ein paar Möglichkeiten, um ohne invasive Maßnahmen etwas mehr Klarheit zu erhalten.
Die Erste ist die Nackentransparenzmessung im Rahmen des Ersttrimesterscreenings. Diese wird zwischen der 12. und der 14. Schwangerschaftswoche durchgeführt. Je erfahrener der Untersuchende ist, desto genauer sind die Ergebnisse. Mit dieser Untersuchung lässt sich eine Wahrscheinlichkeit einschätzen, ob das Risiko beispielsweise einer Trisomie erhöht ist und der Arzt deshalb zu einer Fruchtwasseruntersuchung rät. Wenn die Schwangere zu einer Risikogruppe gehört (Bsp. Alter über 35 Jahre, Chromosomen-Abweichung bei einer früheren Schwangerschaft oder Veranlagung in der Familie), wird die Untersuchung von der Krankenkasse übernommen. Andernfalls bleibt es eine freiwillige Leistung und muss selbst getragen werden.
Ein zweiter Test ist ein Bluttest: der Praena oder Harmony-Test. Sollte im Zuge der oben genannten Untersuchung eine Auffälligkeit auftreten, kann durch den Bluttest mit einer Trefferquote bis zu 99,2 Prozent die Diagnose bestätigt oder widerlegt werden und eine invasive Fruchtwasseruntersuchung vermeiden. Die Kosten übernimmt seit Juli 2022 die Krankenkasse.
Jedoch bleibt auch hier der bittere Beigeschmack. Denn was bedeutet ein positives Ergebnis für euch als Eltern und das ungeborene Kind? Die letzte Alternative ist nicht die schlechteste: Zuversichtlich bleiben und abwarten, was das Leben für dich bereithält. Denn meistens geht eben doch alles gut. Und auch in einem schwierigen Schicksal steckt immer eine große Chance.
Hast du bereits Erfahrungen mit einer Fruchtwasseruntersuchung gemacht oder hast Fragen dazu? Schreib uns gern einen Kommentar!
Quellen
- Berufsverband der Frauenärzte: Amniozentese/Fruchtwasseruntersuchung
https://www.frauenaerzte-im-netz.de/diagnostik/praenatale-diagnostik/amniozentese-fruchtwasseruntersuchung-chorionzottenbiopsie/ (abgerufen am 23.02.2024) - Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung: Die Fruchtwasser-Untersuchung:
https://www.familienplanung.de/schwangerschaft/praenataldiagnostik/fruchtwasser-untersuchung/ (abgerufen am 23.02.2024) - Nikolaos E. Papantoniou et al.: Risk factors predisposing to fetal loss following a second trimester amniocentesis https://obgyn.onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1111/j.1471-0528.2001.00246.x (abgerufen am 23.02.2024)
- Birgit Gebauer-Sesterhenn & Dr. Med. Thomas Villinger:
Schwangerschaft und Geburt (GU Große Ratgeber Kinder)
GU Verlag, Auflage: 6 (8. September 2012)